BFH zu Zweckbetrieben und Konkurrentenschutz

30.01.2023 | FGS Blog

Gemeinnützige Organisationen stehen, soweit sie am Markt Leistungen gegen Entgelt anbieten und erbringen, sehr häufig im Wettbewerb mit kommerziellen, nichtgemeinnützigen Unternehmen. Letztere können sich gegen eine behauptete rechtswidrige steuerliche Begünstigung einer gemeinnützigen Organisation wehren, indem sie gegen das für die gemeinnützige Organisation örtlich zuständige Finanzamt klagen. In solchen Konkurrentenschutzverfahren geht es häufig um die Frage, ob von einer gemeinnützigen Organisation entgeltlich erbrachte Leistungen einen (steuerbegünstigten) Zweckbetrieb begründen und, sofern umsatzsteuerpflichtig, dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen. Im Kern geht es stets um die Wettbewerbslage. Sofern der Gesetzgeber nicht selbst in den §§ 66 bis 68 AO die Wettbewerbslage würdigt, ist abzuwägen zwischen den Interessen des kommerziellen Unternehmens an einem steuerlich unverfälschten Wettbewerb einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an der Leistungserbringung durch die gemeinnützige Organisation andererseits (§ 65 Nr. 3 AO). Die betroffene gemeinnützige Organisation wird zum Verfahren beigeladen, als solche kann sie z.B. Akteneinsicht nehmen und eigene Schriftsätze einreichen.

Aktuelles BFH-Urteil

In einem solchen Konkurrentenschutzverfahren hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) kürzlich eine interessante Entscheidung veröffentlicht (Urteil vom 18. August 2022, Az. V R 49/19, veröffentlicht am 26. Januar 2023). Die beigeladene gGmbH unterhielt in den Streitjahren eine Großwäscherei, in der langzeitarbeitslose Menschen und Menschen mit Behinderung beschäftigt waren. Nach Auffassung des klagenden Wettbewerbers begründete die gGmbH mit dem Betrieb der Großwäscherei einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, nach Gegenauffassung des beklagten Finanzamts und der beigeladenen gGmbH einen Zweckbetrieb nach § 65 AO.

Prüfung der Wettbewerbslage (§ 65 AO)

Zunächst bestätigt der V. Senat die bisherige BFH-Rechtsprechung, wonach entgeltliche Dienstleistungen einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft einen Zweckbetrieb nach § 65 AO (nur) begründen, wenn die gegenüber einem Auftraggeber erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendig die Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Satzungszwecks sind, Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern. Ob die Marktteilnahme den für die Integrationsarbeit “notwendigen Umfang” überschreitet, ist Einzelfallfrage. Leider stellt die Finanzverwaltung immer noch auf abstrakt-generelle Überlegungen ab. Richtigerweise kommt es nach einer BFH-Entscheidung vom 30. März 2000 (Az. V R 5/19) auf die konkreten Verhältnisse am räumlich relevanten Markt an. Es ist höchste Zeit, dass die Finanzverwaltung der BFH-Rechtsprechung in diesem Punkt folgt. Kritisch zu sehen ist allerdings die These des V. Senats, dass bei der Beurteilung der Wettbewerbslage die sozialrechtlichen Besonderheiten auszublenden seien.

Restriktionen des § 66 AO gelten nicht für Zweckbetriebe i.S. des § 65 AO

Erfreulicherweise stellt der V. Senat klar, dass die gemeinnützigkeitsrechtlichen Restriktionen, die der I. Senat des BFH in einer Entscheidung aus 2013 für die Gewinnerzielung im Bereich der Wohlfahrtspflege aufgestellt hat, für Zweckbetriebe nach § 65 AO nicht gelten; die einschränkenden Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Satz 1 AO (“nicht des Erwerbs wegen”) dürften nicht in § 65 AO “hineingelesen” werden. Demnach kann die Zweckbetriebseigenschaft nach § 65 AO auch dann vorliegen, wenn eine gemeinnützige Organisation aus der zu beurteilenden Tätigkeit nachhaltig auch hohe Gewinne erzielt, die den konkreten Finanzierungsbedarf dieses Zweckbetriebs übersteigen. Insoweit ist es allerdings sprachlich verwirrend, wenn der V. Senat nach wie vor vom “Prinzip der Kostendeckung” spricht. Zweckbetriebsschädlich sollen Gewinne, so der V. Senat, nur sein, wenn “die Erfüllung der steuerbegünstigten Satzungszwecke gegenüber der Absicht zur Erzielung von finanziellen Überschüssen in den Hintergrund tritt” – in der Praxis kaum vorstellbar.

Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Dies richtet den Blick auf die verfahrensrechtlichen Besonderheiten einer Konkurrentenschutzklage. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine solche Klage nur zulässig, wenn der klagende nichtgemeinnützige Wettbewerber substanziiert und glaubhaft darlegt, dass er zu einer gemeinnützigen Organisation hinsichtlich Kundenkreis und Leistungsangebot in Wettbewerb stehe und – wesentlich – gerade durch die behauptete Nicht- oder zu niedrige Besteuerung der gemeinnützigen Oganisation einen erheblichen Wettbewerbsnachteil erleide. Diese verfahrensrechtliche Hürde ist recht hoch, an ihr scheitern viele kommerzielle Unternehmen. In der Urteilsbegründung des V. Senats ist zwar nicht durchgehend klar formuliert, dass ein kommerzieller Unternehmer zur Begründung der Zulässigkeit seiner Konkurrentenschutzklage die Kausalität zwischen der behaupteten Nicht- oder zu niedrigen Besteuerung der gemeinnützigen Organisation einerseits und einem (erheblichen) Wettbewerbsnachteil andererseits darlegen muss. Allerdings geht der V. Senat anscheinend weiterhin davon aus, dass eine Wettbewerbsverdrängung durch den Vorteil der Gemeinnützigkeit möglich und zur Zulässigkeit der Klage schlüssig dargelegt worden sein muss.

Betroffene gemeinnützige Organisationen sollten sich maßgeblich auf die grundlegende, auch vom V. Senat zitierte BFH-Entscheidung vom 15. Oktober 1997 (Az. I R 10/92) berufen. Jede betroffene Organisation sollte sich bewusst machen, welche verfahrensrechtliche Befugnisse sie in einem Konkurrentenschutzverfahren hat und wie sie diese gezielt einsetzen kann, um die Klage eines nichtgemeinnützigen Wettbewerbers erfolgreich abzuwehren.