„Ausscheiden eines Gesellschafters statt Auflösung der Gesellschaft“ nach dem neuen Personengesellschaftsrecht

16.09.2020

Mit der Neuregelung des Ausscheidens eines Gesellschafters nach dem Expertenentwurf zum MoPeG befasst sich eine dreiteilige Serie auf unserem Blog. Teil 1 behandelt die Entbehrlichkeit einer Fortsetzungsklausel und Vererbung von GbR-Anteilen.

 

Wesentlicher Kern und grundsätzlicher Ansatz des Entwurfs

Der Gesetzesentwurf der Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), der sog. „Mauracher Entwurf“, sieht die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Grundform für die Offene Handelsgesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG) und die Partnerschaftsgesellschaft vor (siehe hierzu auch den Überblick von Yorck Frese). Damit einher geht, dass die GbR als eine auf Dauer angelegte, rechtsfähige Außengesellschaft nicht nur anerkannt (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001, II ZR 331/00), sondern nun auch als gesetzlicher Regelfall vorgesehen wird. Der Entwurf passt damit das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) der Rechtswirklichkeit an.

 

Im Zusammenhang damit regelt der Mauracher Entwurf das Ausscheiden von Gesellschaftern aus Personengesellschaften neu. Diese Neuregelung und ihre Folgen werden in insgesamt drei Beiträgen beleuchtet. In diesem ersten Teil werden zunächst  die Grundsätze bei Aus- und Eintritt von Gesellschaftern behandelt. Neu ist der Grundsatz, dass bestimmte Ereignisse (wie der Tod) nicht zur Auflösung der Gesellschaft führen, sondern zur Folge haben, dass der Gesellschafter ausscheidet. Sodann greift der Beitrag die Regelungen des Entwurfs zur Vererbung von GbR-Anteilen auf. Anschließend werden die Folgen des Systemwechsels vom Grundsatz der Auflösung zum Grundsatz des Ausscheidens zusammengefasst. Zum Ende befasst sich der Beitrag noch kurz mit der sog. Innen-GbR.

Grundsätzliches zu Ein- und Austritt von GbR-Gesellschaftern

Wie schon bisher wächst ein GbR-Anteil, wenn ein Gesellschafter austritt, den verbliebenen Gesellschaftern an (sog. Anwachsung), § 712 Abs. 1 BGB-E.

 

Dies lässt sich nutzen, um Vermögen einer GbR, wie Grundstücke, innerhalb einer Unternehmensgruppe zu übertragen:  Mit dem sog. Anwachsungsmodell können beispielsweise Grundstücke kostengünstig in die gewünschte Gesellschaft transferiert werden.

 

Bei Eintritt eines neuen Gesellschafters verringern sich die GbR-Anteile der Alt-Gesellschafter. Diese sog. Abwachsung wird in § 712 Abs. 2 BGB-E ausdrücklich geregelt sein.

 

Die Gesellschafter sind nach § 712 Abs. 3 BGB-E verpflichtet, Ein- und Austritt von Gesellschaftern anzumelden, sofern die Gesellschaft im neuen Gesellschaftsregister eingetragen ist.

Neu: Ausscheiden eines Gesellschafters statt Auflösung der Gesellschaft

Für die OHG ist eine Fortsetzung der Gesellschaft unter bestimmten Umständen bereits gesetzlich normiert, § 131 Abs. 3 S. 1 Handelsgesetzbuch (HGB). Die Regelung besagt u.a., dass der Tod eines Gesellschafters, seine Kündigung oder die Kündigung eines Privatgläubigers oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters führt.

 

Eine entsprechende Regelung fehlt bislang für die GbR. Denn diese war nach der nun aufgegebenen Vorstellung nur im Ausnahmefall auf Dauer angelegt. Dementsprechend sollte die GbR im Zweifel aufgelöst werden und eben nicht fortbestehen. Nach § 736 BGB konnte die GbR daher bspw. bei Tod eines Gesellschafters nur unter den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt werden, wenn im Gesellschaftsvertrag eine sog. Fortsetzungsklausel vereinbart war.

 

Im künftigen Personengesellschaftsrecht wird eine dem § 131 Abs. 3 HGB entsprechende Regelung für die GbR aufgenommen. Die genannten Ereignisse wie Tod, Kündigung, Insolvenz führen dann nicht mehr zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zu einem Ausscheiden des GbR-Gesellschafters, § 723 BGB-E. Eine ausdrückliche Regelung durch den Gesellschaftsvertrag zur Fortsetzung der GbR unter den verbliebenen Gesellschaftern ist daher nicht mehr erforderlich. Es bleibt den Gesellschaftern jedoch überlassen, abweichend von der gesetzlichen Regelung für die Ereignisse Tod, Kündigung, Insolvenz etc. eine Auflösung der Gesellschaft zu vereinbaren.

Vererbung von GbR-Anteilen

Der Tod eines Gesellschafters führt also nach dem Entwurf nicht zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zum Ausscheiden des Erblassers. Der Anteil des Erblassers würde dann grundsätzlich den übrigen Gesellschaftern anwachsen. Der Erblasser dürfte allerdings ein Interesse daran haben, dass sein GbR-Anteil seinen Erben zugutekommt.

 

Ein GbR-Anteil kann bei Tod eines Gesellschafters nur dann auf einen (oder mehrere) Erben übergehen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag geregelt wurde. Es muss also weiterhin ausdrücklich eine erbrechtliche Nachfolgeklausel vereinbart werden, § 711 Abs. 2 BGB-E.

 

Gehört zu einer Erbschaft ein GbR-Anteil besteht folgendes Problem: Die Gesellschafter einer GbR haften für Verbindlichkeiten persönlich und unbeschränkt. Dies würde auch den Erben eines GbR-Anteils treffen, auch für Verbindlichkeiten, die bereits vor dem Erbfall entstanden waren, § 721b BGB-E.

 

Als Lösung sieht der Entwurf zum Schutz des Erben ein Wahlrecht kombiniert mit einer Haftungsprivilegierung vor, wie es derzeit auch für die OHG nach §  139 HGB gilt:

  • Der Erbe eines GbR-Anteils soll künftig wählen können, nur als Kommanditist in der Gesellschaft zu verbleiben oder (durch Kündigung) auszuscheiden. Dazu hat der Erbe drei (3) Monate (bzw. bis zum Ende der Ausschlagungsfrist) Zeit.
  • Der Erblasser haftet, sofern er ausscheidet oder die GbR aufgelöst wird, nur wie für Nachlassverbindlichkeiten, § 724 Abs. 4 BGB-E.

Wichtig: Die Umwandlung in eine KG kann für die GbR allerdings nur angestrebt werden, wenn sie auch berufsrechtlich zulässig wäre, §§ 724 Abs. 1, 107 Abs. 1 S. 2 HGB-E.

Folgen durch den Systemwechsel von Auflösen zu Ausscheiden bei der GbR nach §§ 723 ff. BGB-E:

  • Erklärt künftig ein GbR-Gesellschafter (etwas ungenau) die „Kündigung“ wird zu unterscheiden sein, ob die Kündigung der Mitgliedschaft (die zum Ausscheiden des Gesellschafters führt) oder die Kündigung der Gesellschaft (die zur Auflösung der GbR führt) erklärt wurde.
  • Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die nach außen auftreten und dennoch ihre Rechtsbeziehung untereinander nicht schriftlich geregelt haben, könnten künftig bei Vorliegen eines der genannten Ereignisse (wie Tod, Kündigung und Insolvenz) auch ohne schriftlichen Vertrag als GbR fortexistieren. Der betroffene Gesellschafter scheidet aus und die GbR kann unter den verbliebenen Gesellschaftern fortgesetzt werden.
  • Existiert ein Gesellschaftsvertrag, kann dieser abweichend zum Ausscheiden nur die Auflösung der Gesellschaft vorsehen (§ 723 Abs. 1 BGB-E). Dies schützt auch die Gläubiger der GbR. Denn es kann nicht zwischen den Gesellschaftern vereinbart werden, dass bei Kündigung durch einen Privatgläubiger oder einer Insolvenz des Gesellschafters die GbR mit dem ursprünglichen Gesellschafter fortgesetzt werden soll. Dem Gesellschaftergläubiger wird folglich der Zugriff auf einen Abfindungsanspruch ermöglicht.

Innen-Gesellschaft

Die nicht nach außen im Rechtsverkehr auftretende Innen-GbR (wie beispielsweise die Ehegatten-GbR) wird selbständig geregelt. Da die Außen-GbR nun den Regelfall darstellt, erfolgt dies gesondert in §§ 740 ff. BGB-E. Die Innen-GbR wird z.B. durch Tod eines Gesellschafters beendet und nicht fortgesetzt, § 740 Abs. 1 Nr. 4 BGB-E.

 

Bislang war umstritten, ob ein Mitgesellschafter einer Innen-GbR aus wichtigem Grund ausgeschlossen werden kann. Nach dem Entwurf soll dies künftig möglich sein, §§ 740c Abs. 2, 727 BGB-E.

 

Hinweis: Der Teil 2 befasst sich demnächst eingehend mit dem freiwilligen Ausscheiden aus der GbR und der OHG nach dem Mauracher Entwurf; Teil 3 untersucht den Ausschluss von Gesellschaftern gegen ihren Willen.