Am 19. Oktober 2023 hat der Deutsche Bundestag eine Reform des Lobbyregistergesetzes beschlossen (BT-Drucks. 20/8828). Die beschlossenen Änderungen stärken einerseits die Aussagekraft des Lobbyregisters und die Durchsetzung der Eintragungspflicht. Andererseits sind die Eintragungen und ihre Aktualisierung künftig mit erheblich mehr bürokratischem Aufwand verbunden.
Hintergrund: Zahlreiche NPOs sind bereits im Lobbyregister eingetragen
Das Lobbyregistergesetz ist seit bald zwei Jahren in Kraft. Es sieht vor, dass sich Interessenvertreterinnen und -vertreter, die Einfluss auf den politischen Prozess auf Bundesebene nehmen wollen, in das von der Bundestagsverwaltung geführte öffentliche Lobbyregister eintragen müssen. Inzwischen zählt das Register etwas mehr als 6.000 Eintragungen. Neben der unternehmerischen Interessenvertretung (rd. 30 %) stellt die Interessenvertretung für „privatrechtliche Organisationen mit Gemeinwohlaufgaben (z.B. eingetragene Vereine oder Stiftungen)“ (rd. 22,5 %) und die Interessenvertretung im Auftrag von NGOs (rd. 10 %) die häufigste eingetragene Form dar. Der steuerliche Status der Gemeinnützigkeit wird im Lobbyregister nicht erfasst.
Überblick über die Reform
Die nun beschlossenen Änderungen führen in erster Linie dazu, dass die Eintragungspflichten inhaltlich erweitert und Aktualisierungspflichten verschärft werden. Daraus ergibt sich ein deutlicher administrativer Mehraufwand für eingetragene Interessenvertreterinnen und -vertreter. Außerdem wurde der Anwendungsbereich in Bezug auf relevante Interessenvertretung erweitert und die quantitative Schwelle zur Eintragungspflicht herabgesetzt. Dies hat zur Folge, dass im Zuge der Reform gegebenenfalls erstmalig eine Eintragung erforderlich wird. Schließlich sollen künftig auch die wesentliche Inhalte der Interessenvertretung sichtbar werden. So muss nicht nur der Zusammenhang zu einem konkreten politischen Anliegen benannt werden, sondern darüber hinaus müssen grundlegende Stellungnahmen und Gutachten im Register (anonymisiert) veröffentlicht werden.
Die Änderungen treten am 1. März 2024 in Kraft. Bestehende Eintragungen sind bis zum 30. Juni 2024 an die neuen Vorgaben anzupassen. Die Bundestagsverwaltung möchte noch in diesem Jahr einen Leitfaden („To-Do-Liste“) zur Anpassung bestehender Eintragungen veröffentlichen.
Die wichtigsten Änderungen für eingetragene und nicht eingetragene NPOs
Die folgenden Änderungen sollten gemeinnützige Körperschaften (im Folgenden kurz „NPOs“) dringend berücksichtigen:
1. Erneute Überprüfung der eigenen Eintragungspflicht
Noch nicht in das Lobbyregister eingetragene Körperschaften sollten prüfen, ob sie durch die Gesetzesänderung eintragungspflichtig geworden sind.
- Eine eintragungspflichtige Interessenvertretung liegt künftig bereits dann vor, wenn zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Mitgliedern des Deutschen Bundestags oder zu Referatsleiterinnen und -leitern in Bundesministerien (nicht mehr wie bislang erst ab der Unterabteilungsleitung) Kontakt zum Zwecke der Interessenvertretung aufgenommen wird.
- Zudem genügt es nun, wenn binnen drei Monaten 30 (anstatt wie bislang 50) entsprechende Adressaten kontaktiert wurden, was beispielsweise bei Rundschreiben an einen bestimmten Empfängerkreis schnell der Fall sein kann.
- Schließlich sind künftig auch die Auftraggeber (entgeltlicher) Interessenvertreterinnen und -vertretern selbst eintragungspflichtig. Vorsicht ist daher beispielsweise bei der Beauftragung von Lobbyagenturen geboten.
2. Verpflichtung zu finanziellen Angaben
Mit der Reform wird die Option, bestimmte finanzielle Angaben zu verweigern, wegfallen. Wer bislang Angaben verweigert hat, muss diese bis zum 30. Juni 2024 eintragen. Zu den erweiterten finanziellen Pflichtangaben gehören:
- Neu: Hauptfinanzierungsquelle (nicht betragsmäßig, sondern nach bestimmten Kategorien geordnet, entsprechend ihrem Anteil an den Gesamteinkünften)
- Jährliche finanzielle Aufwendungen im Bereich der Interessenvertretung (in Stufen je 10 TEUR)
- Einzelne Zuwendungen und einzelne Zuschüsse der öffentlichen Hand, sofern von einem einzelnen Zuwendungsgeber mehr als 10 TEUR zugewendet wurden (gilt nun ausdrücklich auch für EU-Mittel und Mittel aus Drittstaaten). Zuvor galt dies erst ab Zuwendungen und Zuschüssen über 20 TEUR.
- Neu: Gesamtsumme jährlich erhaltener Schenkungen und sonstiger lebzeitiger Zuwendungen Dritter (in Stufen von 10 TEUR). Als sonstige lebzeitige Zuwendungen sind neben Schenkungen (z.B. Spenden) künftig auch solche Zuwendungen erfasst, die von einer Gegenleistung abhängen oder für die ein werblicher oder sonst öffentlichkeitswirksamer Vorteil erreicht wird (z.B. Sponsoringleistungen).
- Angabe einzelner Schenkungen und sonstiger Zuwendungen Dritter, wenn die Zuwendungen je zuwendender Person den jährlichen Gesamtwert von 10 TEUR und zugleich zehn Prozent der Gesamtsumme der erhaltenen Schenkungen und Zuwendungen übersteigt. Solche Großspender und Mäzene sind namentlich im Lobbyregister zu benennen. Hierbei wurde die Schwelle von 20 TEUR auf 10 TEUR gesenkt.
- Jahresabschlüsse oder Rechenschaftsberichte (mindestens eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung). Insbesondere bei gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen, die nicht schon kraft Rechtsform zur Veröffentlichung ihres Jahresabschlusses verpflichtet sind, kann die Eintragungspflicht in das Lobbyregister erstmalig zur Veröffentlichung führen.
3. Vereinsspezifische Pflichtangaben
Anknüpfend an ihre mitgliedschaftliche Organisation müssen eingetragene Vereine weitere neue Pflichtangaben veröffentlichen:
- Neu: Gesamtsumme der Mitgliedsbeiträge (in Stufen je 10 TEUR)
- Neu: Angabe einzelner wesentlicher Mitgliedsbeiträge, die je Beitragszahler den Gesamtwert von 10 TEUR und zugleich 10 Prozent der Gesamtsumme der Mitgliedsbeiträge übersteigen. Der Beitragszahler ist wiederum namentlich zu benennen (anders als bei Großspenden, aber nicht die Höhe des Beitrags).
- Mitgliederzahl, künftig aufgeschlüsselt nach natürlichen Personen, juristischen Personen und sonstigen Organisationen
Weitere neue oder erweiterte Pflichtangaben
Daneben sei noch auf folgende wesentliche neue oder erweiterte Angaben hinzuweisen:
- Neu: Angaben zu früheren Tätigkeiten als Amts- oder Funktionsträger auf Bundesebene (Vermeidung des sog. „Drehtüreffekts“)
- Erweiterte Angaben bei Kettenbeauftragung (Offenlegung von Drittinteressen bis zum letzten Glied der Auftragskette)
- Erweiterte Angabe aller Personen, die mit der Interessenvertretung nicht nur bei Gelegenheit betraut sind und diese unmittelbar ausüben. Dazu gehören nicht mehr nur „Beschäftigte“, sondern auch ehrenamtlich tätige Mitglieder eines Vereins oder Angehörige eines erweiterten Vorstands oder Aufsichtsrats sowie kooptierte Vorstandsmitglieder. Tatsächlich „Beschäftigte“, deren Arbeitszeit zu mindestens 10 Prozent auf Interessenvertretung entfällt, müssen künftig in Vollzeitäquivalenten angegeben werden; hierbei sind Schätzungen zulässig.
- Neu: Konkrete Bezeichnung eines Regelungsvorhabens, auf das sich die Interessenvertretung bezieht (z.B. das konkrete Gesetzesvorhaben, Vorlagen für Rechtsverordnungen, auch bestimmte Positionierung zu EU-Richtlinien und -Verordnungen)
- Neu: Veröffentlichung grundlegender Stellungnahmen und Gutachten, (solche, die „wesentliche Argumente oder Positionen“ enthalten; anonymisiert, mit Zeitpunkt der Eingabe und abstrakter Bezeichnung des Empfängers)
Praxistipps für bereits eingetragene NPO: Verschärfte Aktualisierungspflichten
In der Praxis sind insbesondere die verschärften und bußgeldbewährten Aktualisierungspflichten zu beachten, die gegebenenfalls eine Anpassung eines bereits vorhandenen Compliance-Systems erforderlich machen:
- Künftig korrespondiert die jährliche Aktualisierungspflicht mit dem jeweiligen Geschäftsjahr der eingetragenen Körperschaft; auf den zufälligen Zeitpunkt der Eintragung kommt es insofern nicht mehr an. Wer die erforderliche Aktualisierung nicht vornimmt, wird nach Ablauf von sechs Monaten automatisch in die Liste früherer Interessenvertreterinnen und -vertreter aufgenommen und unterliegt damit erkennbar dem Verbot eintragungspflichtiger Interessenvertretung.
- Zahlreiche Pflichtangaben, die teilweise nur quartalsweise zu aktualisieren waren, müssen fortan unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, aktualisiert werden (z.B. Stammdaten, gesetzliche Vertreter, Namen der Personen, die unmittelbar mit der Interessenvertretung betraut sind, Angabe der konkreten Regelungsvorhaben)