Corporate and Group Tax Law

Terminbericht BFH Teil I: Spielt der Konzernrückhalt bei der Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes eine Rolle?

09.06.2021 | FGS Blog

Am 18. Mai 2021 fanden die mündlichen Verhandlungen zu zwei Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) statt. Diese haben eine hohe Relevanz für die Verrechnungspreisermittlung im Rahmen von konzerninternen Finanzierungen. Die ersten Erkenntnisse aus den Verhandlungsterminen vor dem I. Senat sind Thema dieses und eines weiteren Blog-Beitrages.

Hintergrund

Im ersten Revisionsverfahren I R 62/17 geht es um die Frage, inwieweit der Konzernrückhalt und der Nachrang bei Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes eine Rolle spielen.

 

Im vorliegenden Fall nahm eine im Inland sitzende GmbH (Klägerin) zur Finanzierung einer Akquisition verschiedene Darlehen auf. Dazu zählten ein Bankdarlehen (Laufzeit: 5 Jahre; Zinssatz: 4,78 %; besichert; erstrangig), ein Verkäuferdarlehen (Laufzeit: 6 Jahre; Zinssatz: 10 %; unbesichert; nachrangig) sowie ein Gesellschafterdarlehen (Laufzeit: 9 bis 10 Jahre; Zinssatz: 8%; unbesichert; nachrangig). Den Zinsaufwand berücksichtigte die Klägerin als Betriebsausgaben. Das Finanzamt (Beklagter) bezweifelte die Angemessenheit der Verzinsung des Gesellschafterdarlehens und unterstellte einen angemessenen Zinssatz in Höhe von 5 %. Den Zinsaufwand in Höhe der Differenz rechnete das Finanzamt als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) bei der Klägerin hinzu.

 

Im Urteil vom 29. Juni 2017 entschied das FG Köln (10 K 771/16), dass das Finanzamt zu Recht die Differenz als vGA steuererhöhend erfasste. Das FG begründete dies damit, dass die fehlende Besicherung eines Gesellschafterdarlehens nicht durch einen Risikoaufschlag auszuhebeln sei. Der Konzernrückhalt spiele für die Höhe des fremdüblichen Zinssatzes keine Rolle.

Äußerungen des BFH

Am 18. Mai 2021 wurde dieser Sachverhalt schließlich vor dem I. Senat des BFH verhandelt. Das Finanzamt eröffnete in seinem Plädoyer die Grundsatzfrage, ob das Gesellschafterdarlehen aufgrund des hohen Risikos überhaupt als Darlehen anzuerkennen sei.

 

Der BFH bejahte zunächst die vom Finanzamt bezweifelte Angemessenheit des Gesellschafterdarlehens dem Grunde nach. Anschließend fokussierte sich der Vorsitzende Richter Dr. Brandis auf die Frage der Angemessenheit der Höhe nach. Der Senat deutete an, dass die erforderliche Anerkennung des Risikoprofils des Gesellschafterdarlehens im Rahmen der Bestimmung eines fremdüblichen Zinssatzes im Urteil des FG Köln „zu kurz kam“, da ein erhöhtes Risiko seitens der Darlehensgeberin bestand. Damit griff der Senat die Argumente der Klägerin auf, dass das Risiko der Darlehensgeberin durch die fehlende Besicherung und den Nachrang trotz des Konzernrückhalts wohl höher ist als das Risiko bei einem erstrangigen besicherten Darlehen, wie dem Bankdarlehen. Das höhere Risiko kann somit auch einen entsprechenden Risikoaufschlag rechtfertigen.

 

Weiterhin kritisierte der Vorsitzende Richter, dass das FG Köln das unbesicherte und nachrangige Verkäuferdarlehen nicht ausreichend als Vergleichstransaktion für das unbesicherte und nachrangige Gesellschafterdarlehen berücksichtigt hat. Insgesamt scheint somit (auch) der BFH davon auszugehen, dass das FG Köln den Einfluss der Besicherung und des Nachrangs auf das Risiko eines Gesellschafterdarlehens nicht hinreichend gewürdigt hat.

Ausblick

Anhand der Bemerkungen des Vorsitzenden Richters (die Argumentation des FG Köln für eine überhöhte Verzinsung sei „holzschnittartig“) lässt sich bereits erahnen, wie das Urteil in der Sache I R 62/17 ausfallen wird.

 

Die Frage, inwieweit der Konzernrückhalt eine ausreichende Besicherung darstellt, ist sehr umstritten. Auch die Finanzgerichtsrechtsprechung ist sich diesbezüglich uneinig. Einerseits vertritt das FG Köln in diesem Urteil die Auffassung, dass der Konzernrückhalt bei Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes unbeachtlich sei und eine „Stand-alone-Betrachtung“ fordert. Andererseits urteilt das FG Münster, dass eine ganzheitliche Betrachtung erforderlich sei (siehe hierzu den zweiten Blog-Beitrag). Somit vertritt das FG Münster die Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 29. März 2011. Danach stellt der Konzernrückhalt eine ausreichende Besicherung dar und das Fehlen einer Sicherheit führt insoweit nicht zu einer Anpassung des Zinssatzes.

 

Die bisherige Rechtsprechung des BFH weist ebenso keine klare Linie auf. In früheren Urteilen, wie dem vom 17. Dezember 2014 (I R 23/13) teilte der BFH die Auffassung des Bundesfinanzministeriums (BMF9. In der neueren Rechtsprechung des BFH unter dem Vorsitzenden Richter Dr. Wacker, beginnend mit dem Urteil vom 27. Februar 2019 (I R 73/16) wurde der Konzernrückhalt dagegen nicht mehr als ausreichende Sicherheit anerkannt. Die unklare Rechtslage wirft Unsicherheit bei den Steuerpflichtigen auf.

 

Deshalb wird die höchstrichterliche Entscheidung des BFH bezüglich der Bedeutung des Konzernrückhalts für die Höhe des fremdüblichen Zinssatzes bei Darlehensgewährungen von der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft mit Spannung erwartet. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie auch Auswirkungen auf andere anhängige Verfahren beim BFH haben könnte.