International Tax Law / Transfer Pricing | Audit & Valuation

Regelungen des MinStG für das Übergangsjahr 2024

27.07.2023 | FGS Blog

Referentenentwurf zum MinStG mit Spezialregelung für latente Steuern im Übergangsjahr

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 10. Juli 2023 den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG) veröffentlicht (s. FGS-Blog Kluge/Bestelmeyer).

Der Referentenentwurf enthält mit §78 MinStG-E („Steuerattribute des Übergangsjahrs“) eine Spezialregelung zur Berücksichtigung latenter Steuern imsogenanntenÜbergangsjahr, also dem ersten Geschäftsjahr, in dem die Unternehmensgruppe in einem Steuerhoheitsgebiet in den Anwendungsbereich der globalen Mindestbesteuerung fällt. Die Spezialregelung umfasst sowohl einen Zeitbezug für bestimmte Geschäftsvorfälle auf Unternehmensebene als auch eine Nutzungs- und Bewertungsrestriktion auf Jurisdiktionsebene. Sie gliedert sich in vier Absätze und findet ihr Pendant in Art. 47 EU-RL (Richtlinie (EU) 2022/2523 v. 14. Dezember 2022) sowie Art. 9.1 der OECD GloBE-Mustervorschriften.

Wirtschaftsjahr 2024 regelmäßig als Übergangsjahr

Das MinStG soll für Geschäftsjahre gelten, die nach dem 30. Dezember 2023 beginnen. Bei kalendergleichem Geschäftsjahr wäre dies für in Deutschland belegene Geschäftseinheiten das Wirtschaftsjahr (WJ) 2024. Sollten die befristeten CbCR-Safe-Harbour Regelungen zur Anwendung gelangen oder die Unternehmensgruppe einer lediglich untergeordneten internationalen Tätigkeit nachgehen, verschiebt sich das Übergangsjahr entsprechend.

Berücksichtigung von zu Beginn des Übergangsjahres ausgewiesenen Steuerlatenzen

Bei der Bestimmung des effektiven Steuersatzes eines Steuerhoheitsgebiets in einem Übergangsjahr und den darauffolgenden Jahren soll eine Unternehmensgruppe alle zu Beginn des Übergangsjahrs in den Abschlüssen erfassten latenten Steuern berücksichtigen. Dabei dürfen die latenten Steuern maximal mit dem Mindeststeuersatz i.H.v. 15% berücksichtigt werden. Hier gilt eine Ausnahmeregelung für aktive latente Steuern, die die Nutzung von Steueranrechnungsbeträgen betrifft (§78 Abs. 1 S. 4 MinStG-E). Die Auswirkungen von Ansatz- und Bewertungsanpassungen auf einen latenten Steueranspruch bleiben unberücksichtigt.

Bei strenger Orientierung am Wortlaut der Vorschrift könnte gefolgert werden, dass latente Steuern, die nicht bereits zum 1. Januar 2024 im Abschluss enthalten sind, für die Bestimmung des effektiven Steuersatzes nicht berücksichtigt werden dürfen. Dies wäre insbesondere dann problematisch, wenn von dem Aktivierungswahlrecht des §274 Abs. 1 S. 2 HGB Gebrauch gemacht wurde und ein Aktivüberhang in der Bilanz zum 31.12.2023 nicht ausgewiesen wurde. Stammt die aktive Steuerlatenz beispielsweise aus steuerlichen Verlustvorträgen, die sodann im Übergangsjahr mit positiven Einkünften verrechnet werden, würde der „fehlende“ tatsächliche Steueraufwand nicht durch einen latenten Steueraufwand  kompensiert. In der Folge würde die effektive Steuerbelastung (hier: 0%) unterhalb des Mindeststeuerniveaus von 15% liegen, und es käme zur Erhebung einer wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Mindeststeuer. Erfreulicherweise deutet die Begründung des MinStG-E daraufhin, dass jedenfalls die deutsche Finanzverwaltung zu einer weniger strengen Auslegung tendieren und die Ausübung des Aktivierungswahlrechts gem. §274 Abs. 1 S. 2 HGB in 2024 anerkennen könnte. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Eingeschränkte Berücksichtigung aktiver Steuerlatenzen für Geschäftsvorfälle nach dem 30. November 2021

Aktive latente Steuern aus Posten, welche von der Berechnung des Mindeststeuer-Gewinns bzw. -Verlusts ausgenommen sind, sind von der obig dargestellten Regelung ausgenommen, soweit sie aus einem Geschäftsvorfall nach dem 30. November 2021 resultieren. Dies betrifft gemäß des Referentenentwurfs zum Beispiel aktive latente Steuern im Zusammenhang mit Verlustvorträgen, soweit diese auf ausgenommenen Eigenkapitalverlusten oder auf rein steuerlichen Buchverlusten beruhen, denen keine Minderung des Mindeststeuer-Jahresüberschusses oder Erhöhung des Mindeststeuer-Jahresfehlbetrags gegenübersteht.

Konzerninterne Übertragung von Vermögenswerten nach dem 30. November 2021

§78 Abs. 3 MinStG-E enthält eine Sonderregelung zur Verhinderung von „Step-up-Modellen“ im Zusammenhang mit der konzerninternen Übertragung von Vermögenswerten (Ausnahme: Vorräte) nach dem 30. November 2021. Hiernach ist für Zwecke der Mindestbesteuerung von der übernehmenden Geschäftseinheit der Buchwert der veräußernden Geschäftseinheit anzusetzen und eine etwaige latente Steuer auf Basis des fortgeführten Buchwerts zu ermitteln.

Betroffenheitsanalyse und ggf. frühzeitige Anpassung der Bilanzierungsrichtlinie

Die Komplexität und Regelungsdichte des MinStG hat mit dem aktuellen Referentenentwurf noch einmal zugenommen und verlangt von Unternehmen bereits im Jahresabschluss 2023 Vorsorge zu treffen, um nachteilige Effekte im Übergangsjahr 2024 zu vermeiden. Unternehmen sollten schnellstmöglich im Rahmen einer Betroffenheitsanalyse prüfen, ob die Spezialregelung des §78 MinStG-E für ihre Unternehmensgruppe sachlich und ökonomisch relevant ist.

Eine Herausforderung wird sich sicherlich bei der Detailabgrenzung von Geschäftsvorfällen ab Dezember 2021 ergeben. Eine weitere Herausforderung könnte sich auch im Hinblick auf das Aktivierungswahlrecht gem. §274 Abs. 1 S. 2 HGB ergeben. Hier könnte ggf. eine Anpassung der Konzern-Bilanzierungsrichtlinie notwendig sein, die regelmäßig eine enge Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer sowie konzerninterne Freigabeprozesse auf höchster Geschäftsleitungsebene erfordert. Es empfiehlt sich daher, dies frühzeitig anzugehen und insbesondere dem Prozess des Jahresabschluss 2023 vorzulagern.