In zwei weiteren jüngst veröffentlichten Entscheidungen (I R 51/17 und I R 81/17, beide v. 27.2.2019) hat der Bundesfinanzhof seine neue Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von Aufwendungen aus der Ausbuchung von Darlehensforderungen gegen ausländische Tochtergesellschaften bestätigt. Zugleich hat er sie aber auch feinsinnig nachjustiert. So bekräftigte der Gerichtshof – wenig überraschend – die fehlende Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA einerseits sowie die generelle Anwendbarkeit von § 1 AStG andererseits.

 

Beide Fälle hat der BFH indessen nicht „durchentschieden“. Vielmehr hat er sie für eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung an die jeweiligen Finanzgerichte zurückverwiesen. Dort geht es nunmehr insbesondere um die Frage: Standen die in den streitbefangenen Sachverhalten getroffenen Vereinbarungen im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz oder nicht?

Die Fälle

Das Verfahren I R 51/17 drehte um sich Forderungen der Klägerin aus Lieferungen und Leistungen aus den Jahren 2004 und 2005 gegenüber einer Tochtergesellschaft in China. Die Forderungen waren weder besichert noch verzinst. 2007 sprach die Klägerin zunächst einen teilweisen und 2008 einen vollständigen Forderungsverzicht aus, nachdem sie zuvor schon eine Teilwertabschreibung vorgenommen hatte.

 

Gegenstand der Entscheidung I R 81/17 waren verzinsliche und besicherte Darlehensforderungen gegenüber einer in Österreich ansässigen Gesellschaft, an der die Klägerin zu 50% beteiligt war. Die Gesellschaft in Österreich hatte ferner ein Darlehen seitens einer Bank erhalten, der gegenüber sich die Klägerin als Bürgin versprochen hatte. Ihre Darlehensforderungen musste die Klägerin teilwertberichtigen. Zudem wurde sie durch die Bank in Anspruch genommen und bildete hierfür eine Rückstellung.

 

In beiden Verfahren war das Finanzamt der Ansicht, die Aufwendungen aus den Teilwertabschreibungen der Darlehensforderungen sowie aus der Bildung der Rückstellung zum Ausgleich der Bürgschaftsverpflichtung seien auf der Grundlage von § 1 AStG zu neutralisieren.

Die Entscheidungen des BFH: Keine Sperrwirkung von Art. 9 OECD-MA gegenüber § 1 AStG

In beiden Entscheidungen bekräftigt der BFH zunächst, dass Art. 9 Abs. 1 OECD-MA in seiner Wirkung nicht auf reine Preisberichtigungen beschränkt ist. Stattdessen deckt dieser auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung hierauf ab. Die Vorschrift entfaltet deshalb keine Sperrwirkung gegenüber § 1 AStG. Und sie hindert dessen Anwendung folgerichtig nicht.

Konzernrückhalt ersetzt nicht die Forderungsbesicherung

Ferner stellt der BFH heraus, dass der sogenannte Konzernrückhalt lediglich zum Ausdruck bringt, dass es innerhalb eines Konzernverbundes üblich ist, Darlehen zu vergeben, ohne diese abzusichern. Der Konzernrückhalt ist jedoch nicht mit einer solchen Kreditbesicherung gleichzusetzen. Er kann eine solche Sicherheit deshalb weder ersetzen, noch schließt er aus, dass eine Darlehensforderung zwischen verbundenen Unternehmen wertlos sein kann.

Fehlende Besicherung kann fremdüblich sein

Überraschend ist hingegen die Relativierung des BFH hinsichtlich der Frage, ob die fehlende oder nicht ausreichende Besicherung der Darlehensforderungen dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprach oder nicht. Hatte der BFH dies in seiner (zuerst veröffentlichten) Entscheidung I R 73/16 noch ohne weitere Einschränkungen bejaht, indem er solche Vereinbarungen als „nicht fremdüblichen Umstand“ bezeichnete, scheint er an dieser pauschalen Feststellung nun nicht mehr festhalten zu wollen. Denn in den beiden nun veröffentlichten Urteilen verwies er darauf, dass zu eben dieser Frage (ob die fehlende Besicherung der Zahlungsforderung […] dem entspricht, was ein fremder Dritter (ex ante) vereinbart hätte) Feststellungen in den streitgegenständlichen Sachverhalten unterblieben sind.

 

Anders als zuvor haben die obersten Finanzrichter beide Verfahren deshalb nicht „durchentschieden“, sondern zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die FG zurückverwiesen. Dies wird man so verstehen können, dass es dem BFH für die Frage nach der Anwendbarkeit von § 1 AStG entscheidend darauf ankommt, ob anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls der Fremdvergleichsgrundsatz gewahrt wurde oder nicht. Außerdem dürfte wohl selbst eine fehlende Besicherung nicht (mehr) in jedem Fall dem Fremdvergleichsgrundsatz widersprechen. Stattdessen lässt es der BFH nun einzelfallbezogen zu, auch bei einer gänzlich fehlenden Forderungsbesicherung von einer Korrektur nach § 1 AStG abzusehen.

 

Auch wenn man dies insgesamt als positive Wendung verstehen kann: Man hätte gerade in der Entscheidung I R 51/17 durchaus auch zu dem Ergebnis einer generellen Umanwendbarkeit von § 1 AStG kommen können. Schließlich war der Sachverhalt dort so gelagert, dass wegen der fehlenden Besicherung zunächst das Finanzamt und sodann das FG Köln die Verzinsung der Forderung von 0% auf 10,5% nach oben korrigiert hatte. Die Muttergesellschaft wurde also gerade wie ein fremder Dritter gestellt, der entweder gegen eine entsprechend hohe Verzinsung auf eine Besicherung verzichtet (und damit das Risiko des Forderungsausfalls in Kauf nimmt) oder auf eine Besicherung der Forderung besteht, hierfür aber einen geringeren Zins akzeptiert.

 

Dass aber die Muttergesellschaft laufend Zinsen in fremdüblicher Höhe versteuern muss, im Gegensatz zum fremden Dritten bei Ausfall des betreffenden Stammrechts jedoch die Aufwendungen steuerlich nicht geltend machen darf, ist nicht folgerichtig.

Notwendigkeit der Absicherung einer Bürgen-Regressforderung?

Nach Auffassung des BFH gilt dies auch hinsichtlich der Regressforderung, die sich im Streitfall I R 81/17 qua Gesetz (§ 774 BGB) ergab, weil die Bank die Klägerin als Bürgin in Anspruch nahm. Der BFH will insoweit ebenfalls überprüft wissen, ob die fehlende Besicherung dieser Forderung fremdüblich war oder nicht.

 

Zugegebenermaßen mutet dies etwas mehrwürdig an. Denn letztlich kommen Bürgschaften immer dann zustande, wenn ein Dritter (hier: eine Bank) zur Ausreichung des Darlehens (hier: an die Gesellschaft in Österreich) nur gegen Sicherheiten bereit ist und die Darlehensnehmerin diese nicht selbst zur Verfügung stellen kann. Die erforderlichen Sicherheiten werden dann durch Übernahme eines Bürgschaftsversprechens gegenüber dem Darlehensgeber ersetzt. Der Bürge fungiert also gerade als die Sicherheit, die die Darlehensnehmerin selbst nicht zur Verfügung stellen kann.

 

Wenn dann allerdings gefordert wird, dass der Bürge sich die bei Eintritt des Bürgschaftsfalls gegen den Darlehensnehmer entstehende Regressforderung von diesem (ex ante) besichern lassen müsse, ist dies zirkelschlüssig. Denn wäre der Darlehensnehmer zur Stellung solcher Sicherheiten im Stande gewesen, hätte es der Bürgschaft (hier: durch die Klägerin) ja insgesamt nicht bedurft. Vielmehr erhält der Bürge in der Regel ein Entgelt in Form einer Garantie- oder Avalprovision vom Darlehensnehmer. Diese vergütet immer auch die Übernahme des damit verbundenen Risikos – insbesondere das aus der möglichen Inanspruchnahme als Bürge.

 

Soweit die Vereinbarung einer solchen Vergütung unterbleibt, ist eine Korrektur auf der Grundlage von § 1 AStG natürlich denkbar. Alles andere, insbesondere die Forderung nach der Vereinbarung von Sicherheiten, dürfte indessen zu weit gehen.

Besondere europarechtliche Rechtfertigungsgründe?

Nach Auffassung des BFH würde eine Berichtigung nach § 1 AStG auch nicht durch Unionsrecht beschränkt. Wie bereits in der Entscheidung I R 73/16 geht er vielmehr davon aus, dass die Doktrin aus der Hornbach-Baumarkt Entscheidung des EuGH keinen Automatismus darstellt, der die zwischenstaatliche Zuordnung von Besteuerungsrechten anhand des Fremdvergleichsgrundsatzes durchgehend verdrängt.

 

In Bezug auf das Urteil I R 81/17 ist dies insbesondere deshalb überraschend, weil der zugrunde liegende Sachverhalt dem in der Rs. Hornbach-Baumarkt jedenfalls in Teilen (Gewährung einer Bürgschaft an eine krisengefährdete Tochtergesellschaft) nahezu gleicht. Zudem scheint der BFH einen ganz eigenen Rechtfertigungsgrund für die Anwendung von § 1 AStG entwickelt zu haben, der sich so in der Hornbach-Baumarkt Entscheidung nicht wiederfindet. Denn er stellt heraus, dass eine unterschiedliche Behandlung von Einlage und Darlehensausfall mit Rücksicht auf den unionsrechtlich anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz jedenfalls dann (und wohl trotz Existenz der vom EuGH geforderten, wirtschaftlichen Gründe) ausgeschlossen ist, wenn die Darlehensvergabe dazu dient, die wirtschaftliche Funktion der Tochtergesellschaft aufrecht zu erhalten und eine unzureichenden Ausstattung mit Eigenkapital auszugleichen. Es wird abzuwarten bleiben, ob die FG diese Einschätzung teilen.