Zwei neue Entwicklungen geben Anlass für eine nähere Betrachtung der Umsatzsteuer-Aspekte von Umstrukturierungen. Einerseits hat sich der BFH zum „Umhängen“ von Beratungsleistungen bei der Fondsstrukturierung geäußert. Andererseits hat sich das BMF im Rahmen eines Schreibens zum Bauträgergeschäft zu Geschäftsveräußerungen im Ganzen in einer Verkaufskette positioniert.
BFH zu Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Konzernstrukturierung
Im Rahmen von Konzernstrukturierungen sind auch die hiermit im Zusammenhang stehenden Beratungsleistungen von Relevanz. In der Praxis stellt sich oft die Frage, ob Beratungsverträge noch in letzter Minute „umgehängt“ werden können. Dies war Gegenstand der Entscheidung des BFH vom 12. Februar 2020 (XI R 24/18).
Ausgangsituation des Verfahrens
Bei der Klägerin handelte es sich um eine Dachfondsgesellschaft, welche in einer Unternehmensgruppe integriert war. Diese Unternehmensgruppe investierte in verschiedene technische Anlagen in Italien. Die Klägerin hielt hierbei die Anteile dreier Fondsgesellschaften, welche wiederum die Anlagen in Italien errichteten und betreiben sollten. Zum Zweck der Konzernstrukturierung wurde eine Anwaltskanzlei mit der Erbringung von Beratungsleistungen beauftragt. Diese betrafen die Gründung der Klägerin und ihrer drei Tochtergesellschaften. Der Vertrag wurde jedoch zwischen der Konzernmutter und der Anwaltskanzlei geschlossen, noch bevor die Klägerin gegründet wurde. Nach der Gründung rückte die Klägerin rückwirkend in das Vertragsverhältnis zwischen der Konzernmutter und der Anwaltskanzlei als Vertragspartei ein. Fortan wurden die Rechnungen der Anwaltskanzlei mit Umsatzsteuerausweis an die Klägerin gerichtet. In der Folge ging die Klägerin davon aus, ihrerseits Leistungen an ihre italienischen Tochtergesellschaften erbracht zu haben und stellte vor dem Hintergrund einer Kostenverrechnung diesen einen Betrag in Höhe der von ihr bezogenen Eingangsleistungen in Rechnung. Vor dem Hintergrund einer aus ihrer Sicht bestehenden Dienstleistungskommission beanspruchte die Klägerin für sich den Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sah das Finanzamt im Halten der Anteile sowie der Weiterbrechnung der entstanden Kosten keine Ausgangsleistungen. In der Konsequenz versagte das Finanzamt der Klägerin den Vorsteuerabzug.
Entscheidung des BFH
Wenngleich der BFH aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht endgültig über den Vorsteuerabzug entschieden hat, so verdient die Entscheidung des BFH in dieser Sache dennoch in mehrerlei Hinsicht besonderer Aufmerksamkeit.
Zunächst sprach sich der BFH gegen das Vorliegen einer Dienstleistungskommission aus. Zur Begründung führt das Gericht an, es handele sich bei den Beratungsleistungen der Anwaltskanzlei um eine umsatzsteuerrechtlich nicht teilbare Gesamtleistung (Gründung der drei Fondstöchter, aber auch der Klägerin selbst). Der Empfang dieser Leistungen lag immerhin auch im eigenen Interesse der Klägerin. Ein solches Eigeninteresse sei aber gerade bei Kommissionsgeschäften untypisch.
Gleichwohl bezieht der BFH Stellung zu der Frage, wann bei einer Holding von einer unternehmerischen Tätigkeit auszugehen ist. Eine finanzielle Beteiligung ist unternehmerisch, soweit ein Eingriff in die Verwaltung der Gesellschaft mit der Vornahme von Umsätzen einhergeht, die der Umsatzsteuer unterliegen. Erforderlich sei in diesem Zusammenhang lediglich die entgeltliche Leistungserbringung an die Tochtergesellschaften, ohne dass die Leistungen selbst einer besonderen Qualität bedürfen. Eine Weiterverrechnung der Kosten für Eingangsleistung ohne Gewinnaufschlag sei darüber hinaus ebenso unschädlich wie die Tatsache, dass die Leistungen bereits vor Gründung der Tochtergesellschaften bezogen wurden.
Auf dieser Grundlage erachtet der BFH einen steuerbaren Leistungsaustausch also für möglich. Einer abschließenden Klärung stand die Notwendigkeit weiterer Tatsachenfeststellungen entgegen. Das FG wird nun weitere tatsächliche Feststellungen zu treffen haben, die eine Abgrenzung zum Gesellschafterbeitrag ermöglichen. In diesem Fall würde es sich um einen nicht steuerbaren Beitrag handeln, der ebenso wenig zum Vorsteuerabzug berechtigen würde. Insoweit bleibt der endgültige Abschluss des Verfahrens abzuwarten.
Schlussfolgerungen
Bei der Mandatierung und Weiterberechnung von Beratungsleistungen sollte genau differenziert werden zwischen Leistungen im Interesse des Gesellschafters selbst und solchen im Interesse der Gesellschaft. Nur letztere können weiterberechnet werden.
Eine Dienstleistungskommission kann auch ohne Gewinnaufschlag begründet werden. Insoweit dürfte es möglich sein, im Rahmen von Weiterbelastungen kaskadenartige Leistungsbeziehungen zu gestalten, die dann die Unternehmereigenschaft der jeweils leistenden begründen. Die Gestaltung darf allerdings nicht missbräuchlich, nur zur Erlangung eines Umsatzsteuervorteils vorgenommen werden.
BMF zu Ketten-Geschäftsveräußerungen im Ganzen sowie Bauträgerleistungen
Das Bundesministerium der Finanzen hat mit seinem Schreiben vom 16. November 2020 an die obersten Finanzbehörden der Länder auf eine Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2020, BStBl. I S. 846 hingewiesen. Konkret geht es um eine Änderung des Abschnitts 1.5 UStAE hinsichtlich der steuerlichen Handhabung bei Geschäftsveräußerungen im Ganzen bei Fortführung der Unternehmenstätigkeit.
Inhalt und Hintergrund des Rundschreibens
Unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung unterliegen nach § 1 Abs. 1a UStG Umsätze einer Geschäftsveräußerung an einen Unternehmer dann nicht der Umsatzsteuer, wenn das Unternehmen oder ein gesondert geführter Betrieb innerhalb der Unternehmensgliederung im Ganzen veräußert werden und die Unternehmenstätigkeit vom Erwerber fortgeführt wird. Fortan trifft der Anwendungserlass klare Aussagen drüber, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen von Kettengeschäften von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen auszugehen ist.
Bei einer sowohl im engen sachlichen als auch zeitlichen Zusammenhang stehenden mehrstufigen Übertragung liegt eine Fortführung der Geschäftstätigkeit demnach auch dann vor, wenn diese Voraussetzung nicht höchstpersönlich beim Erwerber vorliegt. Vielmehr stellt der überarbeitete Absatz 1 Satz 5 des Anwendungserlasses nunmehr klar, dass diese Voraussetzung nur dem Grunde nach beim Erwerber vorliegen muss. Dies ist bei Unternehmenstransaktionen hilfreich, bei denen der Erwerber aus verschiedensten Gründen Unternehmensteile gleich nach dem Erwerb weiteräußert (z.B. aufgrund kartellrechtlicher Vorgaben oder weil diese Teile nicht benötigt werden). Wichtig ist und bleibt jedoch, dass jeder Zwischenerwerber Unternehmer ist, da ansonsten die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG nicht voll erfüllt werden.
Auch die Handhabung von Übertragungen in Zusammenhang mit Grundstücken wurde umfassend geregelt, wobei das BMF insbesondere auch Bauträger und die in eine mehrstufige Übertragung eingebundenen Grundstückshändler in den Blick nahm. Diesbezüglich ist grundsätzlich von einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen auszugehen, wenn der Erwerber in Folge des Erwerbs eines Vermietungsunternehmens das Grundstück erwirbt und dabei bestehende Mietverträge übernimmt. Der Anwendungserlass sieht nun vor, dass diese Regelung auch auf Bauträger als Veräußerer anzuwenden ist, sofern dieser ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und im Anschluss daran veräußert hat. Dies ist allerdings an die Bedingung geknüpft, dass beim Veräußerer auch ein Vermietungsunternehmen vorliegt, welches seitens des Erwerbers fortgeführt wird. Widerlegbar vermutet wird dies bei einer Vermietungsdauer von mindestens 6 Monaten, wobei eine Wiederveräußerungsabsicht des Bauträgers einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit nicht in jedem Fall entgegenstehen soll. Jedenfalls soll nach den neuen Regelungen aber dann keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegen, wenn sich die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers auf das Veräußern zuvor errichteter und vermieteter Gebäude beschränkt, wenn die Veräußerung direkt im Anschluss an die Fertigstellung erfolgt und die Vermietung nur den Zweck der Ertragssteigerung hat. Auf eine bilanzsteuerrechtliche Einordnung des Objekts zum Umlauf- oder Anlagevermögen soll es indessen nicht ankommen.
Auswirkungen des Rundschreibens auf die steuerliche Praxis
Diesen Änderungen zur Handhabung sind zwei Entscheidungen des BFH vom 12.8.2015 (XI R 16/14) und 25.11.2015 (V R 66 / 14) vorangegangen. In beiden Entscheidungen hat sich das höchste deutsche Finanzgericht unter anderem der Frage angenommen, unter welchen Voraussetzungen von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit bei Kettengeschäften auszugehen ist. Bei den Bauträger blieb aber letztlich offen, wie lange die Vermietung ausgeführt werden muss.
Die Änderungen des Abschnitts 1.5 UStAE des Anwendungserlasses zur Umsatzsteuer erklären die ohnehin bereits ergangene Rechtsprechung des BFH zur nunmehr gängigen Anwendungspraxis und geben mit den sechs Monaten einen konkreten Zeitraum vor, so dass letzte Unsicherheiten ausgeräumt werden.
Die Regelungen sind in allen offenen Fällen anwendbar. Insoweit sollten alle Beteiligten von Transaktionen prüfen, ob die (nachträgliche) Anwendung des BMF-Schreibens für sie einen Vorteil bietet.