International Tax Law / Transfer Pricing

Internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen im Dezember 2023

25.03.2024 | FGS Blog

Das Thema Verrechnungspreise rückt insbesondere in Betriebsprüfungen immer mehr in den Fokus in- und ausländischer Finanzbehörden und Finanzgerichte. Vor diesem Hintergrund lohnt der Blick auf die internationale Rechtsprechung. Denn eine unter Heranziehung international anerkannter Auslegungsgrundsätze ergangene Entscheidung ausländischer Gerichte kann ihrerseits wiederum Erkenntnisse für das Verständnis des deutschen Steuerrechts mit sich bringen.

In diesem Rückblick finden Sie einen Überblick über ausgewählte Rechtsprechung vom Dezember 2023.

Frankreich: Berufungsgericht Paris v. 27.12.2023 in der Rs. SAS CFEB Sisley

Streitfall: Brutto- vs. Netto-Gewinnmargen von Vergleichsunternehmen einer Datenbankstudie

Das französische Unternehmen SAS CFEB Sisley ist die Konzernobergesellschaft der Sisley Gruppe, die sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Kosmetika im Luxussegment spezialisiert hat. In dem Streitfall hatte die SAS CFEB Sisley in den Jahren 2012 und 2013 Produkte über ihre asiatische Tochtergesellschaft Sisley Hong-Kong Ltd. vertrieben und die Lieferpreise auf Basis der Wiederverkaufspreismethode in Verbindung mit einer Datenbankstudie bestimmt.

Die französischen Finanzbehörden nahmen für die beiden Streitjahre Verrechnungspreiskorrekturen vor mit der Begründung, dass die angewendete Bruttogewinnmarge nicht fremdüblich sei. Basierend auf der von der SAS CFEB Sisley selbst erstellten Datenbankstudie hatten die Finanzbehörden eine Nettogewinnmarge ermittelt, und zwar unter Ausschluss eines der sieben Vergleichsunternehmen. Im Ergebnis lag die von der Sisley Hong-Kong Ltd. in den Streitjahren tatsächlich erzielte Nettogewinnmarge deutlich über dem oberen Quartil der angepassten Datenbankstudie.

Berufungsgericht urteilt zugunsten des Steuerpflichtigen

Gegen die Verrechnungspreiskorrektur erhob die SAS CFEB Sisley vor dem Verwaltungsgericht Montreuil Klage. Das Verwaltungsgericht entschied mit Urteil v. 2.12.2021 zugunsten der Klägerin, woraufhin die frz. Finanzbehörden Berufung einlegten.

Am 27.12.2023 lehnte das Berufungsgericht die Berufung als unbegründet ab. Die Steuerbehörden hätten nicht dargelegt, warum die transaktionsbezogene Nettogewinnmargenmethode (TNMM) im Streitfall besser geeignet gewesen sei als die Wiederverkaufspreismethode. Stattdessen hätte die Datenbankstudie gezeigt, dass die Gewinnmargen in der Branche grundsätzlich signifikante Unterschiede aufweisen und die tatsächlich erzielte Bruttogewinnmarge der Sisley Hong-Kong Ltd. – auch nach Ausschluss eines Vergleichsunternehmens durch die Finanzbehörden – innerhalb der Bandbreite von Bruttogewinnmargen liegt, die Vergleichsunternehmen in Asien erzielen.

Frankreich: Conseil d’État v. 29.12.2023 in der Rs. SA Compagnie Gervais Danone

Streitfall: Steuerliche Anerkennung eines Markterschließungszuschusses

Das frz. Unternehmen SA Compagnie Gervais Danone war Minderheitsgesellschafterin der türkischen Gesellschaft Danone Tikvesli, welche am Ende des Geschäftsjahres 2010 einen Nettoverlust von fast 40 Millionen Euro verzeichnete, der nach türkischem Recht zur Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit hätte führen müssen. Um den Verlust auszugleichen, zahlte die SA Compagnie Gervais Danone im Streitjahr 2011 einen Zuschuss an die Danone Tikvesli, den die frz. Finanzbehörden jedoch nur im Verhältnis zu ihrer Minderheitsbeteiligung an dem türkischen Unternehmen zum Betriebsausgabenabzug zuließen. Die Finanzbehörden begründeten dies damit, dass die Entrichtung des Zuschusses nicht im Interesse der SA Compagnie Gervais Danone läge.

Dagegen klagte die SA Compagnie Gervais Danone. Aus ihrer Sicht soll der Zuschuss in ihrem eigenwirtschaftlichen Interesse gelegen haben, da die Aufrechterhaltung der Präsenz auf dem türkischen Markt für Molkereiprodukte von übergeordneter strategischer Bedeutung war. Zudem bestünde zwischen beiden Gesellschaften eine Lizenzvereinbarung, die Danone Tikvesli die Nutzung der Marken, Patente und des Know-hows der Danone Gruppe erlaube. Die Klägerin sah in den Wachstumsaussichten der Danone Tikvesli durch den Markterschließungs­zuschuss und die damit einhergehenden steigenden Lizenzgebühren ein eigenwirtschaftliches Interesse begründet.

Entscheidung des Conseil d’État zugunsten des Steuerpflichtigen

Die Erstinstanz mit Urteil v. 9.5.2019 vor dem Verwaltungsgericht Montreuil sowie die Berufung mit Urteil v. 22.6.2021 scheiterten, woraufhin die SA Compagnie Gervais Danone vor dem Conseil d’État klagte.

Der Conseil d’État hat in seinem Urteil v. 29.12.2023 entschieden, dass die Zahlung des Markterschließungszuschusses steuerlich voll abzugsfähig ist, da ein eigenwirtschaftliches Interesse der SA Compagnie Gervais Danone an der Fortführung der Geschäftstätigkeit der türkischen Tochtergesellschaft bestehe. Der Conseil d’État stellte fest, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen einem Rechtsfehler unterlagen, indem diese davon ausgingen, dass die SA Compagnie Gervais Danone gar kein eigenwirtschaftliches Interesse an der Fortführung der Geschäfte des türkischen Unternehmens hatte. Zwar wurden bis zum Jahr 2016 noch keine Lizenzgebühren von der Danone Tikvesli entrichtet. Trotzdem lag der Zuschuss nach Dafürhalten des Conseil d’État im eigenwirtschaftlichen Interesse der SA Compagnie Gervais Danone, da die Aussichten auf eine positive Geschäftsentwicklung und die zukünftige Vereinnahmung von Lizenzgebühren zum Zeitpunkt der Gewährung des Zuschusses nicht nur rein theoretischer Natur waren.

Indien: Oberster Gerichtshof Dehli v. 22.12.2023 in der Rs. Hyatt International-Southwest Asia Ltd.

Streitfall: Einordnung von Entgelten als Dienstleistungs- vs. Lizenzgebühren

Die Hyatt International Southwest Asia Ltd. mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten („Klägerin“) hatte in den Streitjahren 2009 bis 2018 ein sog. Strategic Oversight Service Agreement („SOSA“) über die Erbringung verschiedener Dienstleistungen strategischer Natur mit Asian Hotels Limited, einem indischen Hotelbetreiber, geschlossen. Die Klägerin sollte demnach auch strategische Pläne, Strategien, Prozesse, Richtlinien und Parameter für den Betrieb eines in Indien belegenen Hotels der Asian Hotels Limited zur Verfügung stellen, die mit den Hyatt-Betriebsstandards übereinstimmen.

Nach Ansicht der indischen Finanzbehörden waren die Dienstleistungsgebühren, die die Klägerin von der Asian Hotels Limited im Rahmen des SOSA erhielt, als Lizenzgebühren umzuqualifizieren. Ferner stellten die Finanzbehörden fest, dass die Klägerin eine Betriebsstätte in Indien unterhielt. Gegen diese Feststellungen legte die Klägerin beim Obersten Gerichtshof Dehli Berufung ein.

Oberster Gerichtshof urteilt zugunsten des Steuerpflichtigen

Mit Urteil v. 22.12.2023 entschied der Oberste Gerichtshof Dehli, dass die zu zahlenden Gebühren eine Gegenleistung für die Erbringung der nach dem SOSA geschuldeten Dienstleistungen darstellen. Das Gericht stellte fest, dass sich die Verpflichtung, Zugang zu Wissen, Prozessen und Informationen zu gewähren, ausschließlich auf solche Informationen, Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen bezieht, die der Förderung der von der Klägerin im Rahmen des SOSA erbrachten Dienstleistung dienen. Allein aus der Tatsache, dass die von der Klägerin erbrachten umfangreichen Dienstleistungen auch den Zugang zu Wissen, Prozessen und Informationen umfassten, kann nicht auf die Umqualifizierung der Dienstleistungsentgelte in Lizenzgebühren geschlussfolgert werden. Der Gerichtshof verwies auch auf seine Entscheidung in der Rechtssache Sheraton International Inc. (ITA Nr. 216/2020), in der die unentgeltliche Nutzung von Markenzeichen lediglich als Nebenleistung zu den auf den Gebieten der Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Verkaufsförderung erbrachten Dienstleistungen angesehen wurde.

Allerdings stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass die Hyatt International Southwest Asia Ltd. eine Betriebsstätte in Indien begründet hatte, da sie die Kontrolle über die Räumlichkeiten des Hotels zwecks Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit innehatte.

Fazit

Die in diesem Blog-Beitrag diskutierte internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen lässt Streitthemen zur Methodenwahl und Verwendung von Datenbankstudien, Abzugsfähigkeit von Markterschließungszuschüssen und Qualifikation von Entgelten als Dienstleistungsgebühren (statt Lizenzgebühren) erkennen.

Sprechen Sie gerne die Autoren oder Ihre gewohnten FGS-Kontakte an, wenn Sie die in diesem Blog-Beitrag diskutierte internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen ausführlicher erörtern möchten.