Der Gesetzgeber erwägt schon seit Längerem, das Grunderwerbsteuerrecht im Bereich der Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Gesellschaften (sogenannte Share Deals) zu reformieren. Seit Veröffentlichung eines Gesetzentwurfes vor eineinhalb Jahren war es ruhig um die Share Deals geworden. Nun soll das Gesetzesvorhaben dem Vernehmen nach jedoch kurzfristig noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden, um nicht zum Wahlkampfthema zu werden. Ein überarbeiteter Gesetzentwurf ist bisher nicht öffentlich. Aus Formulierungshilfen des BMF ergibt sich allerdings, dass sich die Bundesregierung zu verschiedenen bisher umstrittenen Aspekten wie folgt geeinigt hat:

Kritische Beteiligungsschwellen für die Grunderwerbsteuer werden wie geplant auf 90% gesenkt

Das Grunderwerbsteuergesetz enthält in § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG sogenannte Ergänzungstatbestände. Danach löst die unmittelbare oder mittelbare Übertragung von Anteilen an Gesellschaften, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, unter bestimmten Umständen Grunderwerbsteuer aus. Ziel der Regelungen ist an sich die Missbrauchsvermeidung. So sollen Share Deals, durch die aus Sicht des Gesetzgebers wirtschaftlich ein Grundstück übertragen wird, nicht von der Grunderwerbsteuer verschont bleiben. Allerdings sind diese Regelungen bei allen Share Deals und vergleichbaren Transaktion (z.B. Umwandlungen) zu beachten. Bisher sind die Ergänzungstatbestände an die Beteiligungshöhe von 95% geknüpft. Bis zuletzt haben die Koalitionspartner darum gerungen, diese Schwelle auf 90% oder auf einen Wert darunter zu senken. Im Ergebnis soll die relevante Beteiligungshöhe nun wie bisher geplant von 95% auf 90% sinken.

 

Die Herabsetzung der relevanten Beteiligungshöhe auf 90% stellt eine Verschärfung der bestehenden Regelungen dar. Die kritische Quote, bei der ein Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft noch keine Grunderwerbsteuer auslöst, verschiebt sich von 94,9% auf 89,9%.

§ 1 Abs. 2b GrEStG kommt, wird aber durch transaktionsbezogene Börsenklausel entschärft

Die wohl kritischste Verschärfung in den bisherigen Gesetzesentwürfen stellt die vorgesehene Schaffung eines neuen Ergänzungstatbestands für Kapitalgesellschaften dar. Die neue Norm orientiert sich am Vorbild des § 1 Abs. 2a GrEStG: Im Kern sollen Änderungen im Gesellschafterbestand bei Kapitalgesellschaften in einem Umfang von 90% Grunderwerbsteuer auslösen, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren erfolgen. Dabei soll es nicht darauf ankommen, dass einer der Gesellschafter eine bestimmte Beteiligungsschwelle erreicht. Die Bundesregierung plant, an diesem „§ 1 Abs. 2b GrEStG“ festzuhalten.

 

Eines von mehreren Problemen des geplanten § 1 Abs. 2b GrEStG war, dass die bisherigen Gesetzesentwürfe auch börsennotierte Kapitalgesellschaften erfasst haben. Für börsennotierte Gesellschaften ist es aber im Regelfall unmöglich, Bewegungen im Gesellschafterbestand zu verfolgen. Vor diesem Hintergrund hat das BMF eine Formulierung für eine transaktionsbezogene Börsenklausel vorgeschlagen. Anteilsübertragungen an der Börse sollen mithin zu keiner Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG führen. Die Börsenklausel („§ 1 Abs. 2c GrEStG“) soll auch für vergleichbare Fälle im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a GrEStG Anwendung finden.

 

Eines ändert sich allerdings nicht: § 1 Abs. 2b GrEStG wird nicht nur missbräuchliche, sondern sämtliche Anteilsübertragungen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften betreffen. Dabei war der Grundgedanke der Ergänzungstatbestände die Vermeidung von Missbräuchen bei der Grunderwerbsteuer. Künftig wird jede grundbesitzende Kapitalgesellschaft die Entwicklung ihrer Anteilseignerstruktur langfristig dokumentieren und auswerten müssen, um eine grunderwerbsteuerbare Änderung der Anteilseignerstruktur anzeigen zu können. Vor dem Hintergrund, dass auch mittelbare Anteilsübertragungen relevant sind, werden Kapitalgesellschaften die ihnen auferlegten Pflichten kaum erfüllen können. Darüber hinaus drohen z.B. bei Umstrukturierungen Doppel- und Mehrfachbelastungen mit Grunderwerbsteuer. Denn in der bisherigen Entwurfsfassung ist § 1 Abs. 2b GrEStG nur unzureichend auf die anderen Steuertatbestände der Grunderwerbsteuer abgestimmt.

Inkrafttreten am 1. Juli 2021 und keine rückwirkende Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG

Die Bundesregierung hat sich den Formulierungshilfen des BMF zufolge darauf verständigt, die Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes zum 1. Juli 2021 einzuführen.

 

Für den neuen Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG besteht offenbar eine Einigung darüber, dass Anteilseignerwechsel in der Vergangenheit nicht in die 90%-Betrachtung miteinbezogen werden. Damit werden Anteilsübertragungen an Kapitalgesellschaften für Zwecke des § 1 Abs. 2b GrEStG planmäßig erstmals ab Juli 2021 erfasst werden müssen.

Fazit

Die Bundesregierung hat sich offenbar in den bisher zwischen den Koalitionären strittigen Punkten geeinigt. Einige besondere Problemfelder des bisherigen Entwurfs werden durch die geplante Börsenklausel und die klarstellende Anwendungsregelung abgemildert. Es bleibt jedoch dabei, dass das Grunderwerbsteuerrecht nach jetzigem Stand durch die Reform erhebliche Verschärfungen erfährt, die nicht durch Missbrauchsgesichtspunkte gerechtfertigt werden können und mit erheblichen Kollateralschäden verbunden sein werden.

 

Sobald die Gesetzesreform endgültige Konturen annimmt, wird der vorliegende Beitrag aktualisiert.