Tax Law

Gewinnerzielungsabsicht bei der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften

16.08.2023 | FGS Blog

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Privatvermögen, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre eine Beteiligung von mind. 1% gehalten hat.

Durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2019 wurde zum 31. Juli 2019 mit § 17 Abs. 2a S. 5 EStG eine Vorschrift eingeführt, nach der Einlagen, die über den Nennbetrag hinausgehen, in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft bei der Ermittlung der Anschaffungskosten „mit der Gießkanne“ auf sämtliche gehaltene Anteile zu verteilen sind. Selbst wenn Anteile wirtschaftlich zutreffend mit einem bestimmten Aufgeld (Agio) ausgegeben werden, führt die Neuregelung ggf. zu einem sachlich nicht gerechtfertigten „Überschwappen“ von Anschaffungskosten auf andere bereits zuvor gehaltene Anteile. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte hiermit die bereits zuvor bestehende Verwaltungsauffassung kodifiziert werden, um als missbräuchlich angesehene Gestaltungen zu verhindern.

In seinem Urteil vom 3. Mai 2023 beschäftigte sich der IX. Senat des Bundesfinanzhofes (BFH) nun mit der Frage, wie gezielt herbeigeführte Verluste aus Anteilsveräußerungen vor Einführung des § 17 Abs. 2a S. 5 EStG steuerlich zu würdigen sind.

Urteil

Im Urteilssachverhalt veräußerte die Klägerin 5% ihrer 100%igen GmbH-Beteiligung an ihren Ehemann. Der veräußerte Anteil umfasste einen kurz zuvor durch Kapitalerhöhung geschaffenen Geschäftsanteil. Dieser hatte einen Nennbetrag i.H.v. 1.000 EUR, darüber hinaus wurde ein Aufgeld i.H.v. 500.000 EUR geleistet. Die übrigen Anteile hatten einen Nennbetrag i.H.v. jeweils 1 EUR. Wirtschaftlich kam es durch die Leistung des Aufgelds zu einer Werterhöhung auch in den bereits zuvor gehaltenen Anteilen. Infolge der Veräußerung erklärte die Klägerin einen entsprechenden Verlust für das Streitjahr 2015. Diesen erkannte das Finanzamt nicht an und vertrat die Auffassung, dass es an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle, was durch die kurze Haltedauer von sieben Tagen und die daher offenbare Intention der gezielten Verlustgestaltung zum Ausdruck komme.

Dieser Rechtsauffassung folgten bereits das Finanzgericht (FG) Düsseldorf und schließlich auch der BFH nicht.

Zunächst stellte der IX. Senat unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung fest, dass die Haltedauer kein Indiz für die Gewinnerzielungsabsicht sei. Es komme nur auf konkrete Anhaltspunkte an, nach denen auch langfristig nicht mit positiven Einkünften zu rechnen sei oder persönliche Gründe maßgeblich für den Erwerb seien. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG normiere keine Mindesthaltedauer.

Zwar seien GmbH-Geschäftsanteile jeweils zivilrechtlich selbstständig. Bei der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht sei hingegen die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen und nicht der einzelne Geschäftsanteil zu betrachten. Der BFH wies auf die systematische Inkonsequenz hin, wenn Gewinne aus der Veräußerung einzelner Geschäftsanteile steuerpflichtig und Veräußerungsverluste nicht steuerbar wären. Einzelnen Veräußerungen komme keine Aussagekraft hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht für die gesamte Beteiligung zu.

Zuletzt habe der Gesetzgeber mit Einführung des § 17 Abs. 2a S. 5 EStG zum Ausdruck gebracht, dass auch er von einer beteiligungsbezogenen Betrachtung ausgehe. Es hätte der Vorschrift zur gleichmäßigen Verteilung von Agios auf sämtliche Anteile bereits nicht bedurft, wenn es in Fällen der gezielten Verlustgestaltung an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle.

Auch überzeugten weder das Argument, die durch die Einlage entstehenden Anschaffungskosten im Rahmen der Kapitalerhöhung seien ohnehin auf sämtliche Anteile zu verteilen gewesen, da § 17 Abs. 2a S. 5 EStG nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich deklaratorische Wirkung habe, noch das Argument, dass die Steuerpflichtige rechtsmissbräuchlich gehandelt habe.

Zwar geht der Gesetzgeber in der Gesetzbegründung von einer lediglich deklaratorischen Wirkung des § 17 Abs. 2a S. 5 EStG aus. Die Norm wirke jedoch konstitutiv, da zuvor ergangene BFH-Rechtsprechung überschrieben werde. Das Aufgeld führt daher nach Auffassung des BFH nur zu steuerlichen Anschaffungskosten für den veräußerten Geschäftsanteil.

Die Steuerpflichtige habe ferner nicht rechtsmissbräuchlich gehandelt. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abs. 2 AO liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Die gezielte Verlustgestaltung erfolgte jedoch zu fremdüblichen Bedingungen. Es liege im Rahmen der Disposition eines Steuerpflichtigen, Vorgänge möglichst steuergünstig zu gestalten.

Die Einführung des § 17 Abs. 2a S. 5 EStG könne auch nicht dahingehend interpretiert werden, dass die Zahlung eines Aufgelds vor dem Hintergrund geplanter Veräußerungen als Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO anzusehen ist. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass bei der Veräußerung der übrigen Geschäftsanteile zu einem späteren Zeitpunkt ein entsprechend höherer Veräußerungsgewinn entstehen wird.

Einordnung

Das Urteil des IX. Senat ist zu begrüßen. Die Betrachtung jeweils einzelner Anteile ließe eine Art „Cherry-Picking“ der Finanzverwaltung befürchten. Auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kommt es regelmäßig zur verlustreichen Veräußerung von Anteilen. Darüber hinaus ist erfreulich, dass der BFH betont, dass die Wahl steuerlich möglichst günstiger Gestaltungen durch den Steuerpflichtigen nicht ohne Weiteres rechtsmissbräuchlich ist.

Zwar ist Fällen der gezielten Schaffung von Veräußerungsverlusten durch die Einführung des – eben nicht nur deklaratorisch wirkenden – § 17 Abs. 2a S. 5 EStG seit dem 31. Juli 2019 teilweise ein Riegel vorgeschoben worden. Durch die Aussagen des IX. Senat hinsichtlich des Betrachtungsumfangs für die Frage nach einer Gewinnerzielungsabsicht und dem (Nicht-)Vorliegen von Gestaltungsmissbrauch beinhaltet das Urteil dennoch praktische Relevanz.