Werden Waren in die EU eingeführt, löst dies neben etwaigen Zollabgaben regelmäßig auch Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) aus.
Für Unternehmen stellt sich daher die Frage, ob und – bei mehreren Beteiligten – von wem diese EUSt als Vorsteuer in Abzug gebracht werden kann.
Eine Abziehbarkeit setzt voraus, dass die Gegenstände für das Unternehmen im Inland eingeführt worden sind und keine Verwendung für Ausschlussumsätze vorliegt.
Die Frage, wann eine Einfuhr für das Unternehmen vorliegt, war in den vergangenen Jahren mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (BFH) und des Europäischen Gerichtshofes (EuGH).
Strittig war insbesondere eine Abziehbarkeit durch Unternehmer, die an der Einfuhr beteiligt waren, jedoch nicht Eigentümer der eingeführten Gegenstände waren bzw. diese weder veräußert noch erworben hatten (z.B. Speditionen).
Darüber hinaus lässt die Finanzverwaltung bis dato auch bei Unternehmen, die an der Wareneinfuhr nicht lediglich als Dienstleister beteiligt sind, einen Abzug nur in engen Grenzen zu.
Mit Schreiben vom 22.12.2023 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Verwaltungsanweisungen (Abschn. 15.8 Abs. 4 S. 2 UStAE nF) nunmehr an entscheidender Stelle an die jüngere BFH Rechtsprechung angepasst, sodass endlich auch hier eine gewisse Entspannung zu erwarten ist und nicht stets der EuGH oder BFH bemüht werden müssen.
Einfuhr für das Unternehmen
Verfügungsmacht über den Gegenstand
Ein Abzug der EUSt als Vorsteuer setzt nach deutschem Verständnis voraus, dass der Unternehmer den Gegenstand für sein Unternehmen einführt (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG).
Nach Auffassung der Finanzverwaltung erfüllt dies derjenige, der im Einfuhrzeitpunkt die Verfügungsmacht über den Einfuhrgegenstand besitzt (bisher: Abschn. 15.8 Abs. 4 Satz 2 UStAE, neu: Satz 3).
Ausgeschlossen werden damit Unternehmen, die an der Einfuhr nur als Dienstleister beteiligt sind. Daneben wurde auf dieser Basis oft die Auffassung vertreten, dass selbst ein Unternehmer, der die Ware veräußert oder sie zum Weiterverkauf oder als unternehmerisches Anlagegut erwarb, keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug besäße, wenn er nicht – umsatzsteuerlich – die Verfügungsmacht im Einfuhrzeitpunkt besäße.
Teilweise wurde früher insbesondere in Außenprüfungen sogar auf einen vermeintlichen zivilrechtlichen Eigentumsübergang aufgrund von Incoterms abgestellt.
Dass dies im Bereich der Umsatzsteuer fehlgeht, wurde vom BMF bereits durch Schreiben vom 16.07.2020 klargestellt, indem aufgenommen wurde, dass für die Frage der Bestimmung der Verfügungsmacht auf die umsatzsteuerlichen Ortsbestimmungsregeln (in §§ 3 Abs. 6-8 UStG) abzustellen sei.
Hiermit wurde der Vorsteuerabzug für viele einführende Unternehmer auch nach den Verwaltungsanweisungen gewährleistet. Aufgrund des Merkmals der Verfügungsmacht konnte der Vorsteuerabzug nach Verwaltungsansicht in einigen Fällen abgelehnt werden, in denen er nach der höchstrichterlicher Rechtsprechung dem Unternehmer zustand.
Erweiterter Verfügungsmachtbegriff/Auslegung des Begriffs nach EuGH Rechtsprechung
Nach der Rechtsprechung des EuGH, welcher sich der BFH angeschlossen hat, ist entscheidend, dass der Unternehmer die Kosten für den eingeführten Gegenstand in den Preis für seine Ausgangsumsätze einbezieht (EuGH, Urt. v. 25.06.2015 – C-187/14-DSV Road). Der BFH passte seine Rechtsprechung daran an, löste sich jedoch nicht ganz von dem Verfügungsmachtbegriff, sondern präzisierte den Begriff so, dass dem Unternehmer auch die Verfügungsmacht an dem Gegenstand zuzuordnen ist (BFH, Urt. v. 11.11.2015 – V R 68/14, MwStR 2016, 167). Die Einfuhr für das Unternehmen liegt bei dem Unternehmer vor, bei dem die EUSt in den Preis der Ausgangsumsätze eingeht. Dieser Unternehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.
In einem neueren Beschluss hat der BFH seine Rechtsprechung dahingehend nachgeschärft, dass nicht die EUSt, sondern der Wert des eingeführten Gegenstandes zu den Kostenelementen der unternehmerischen Tätigkeit gehören muss, damit die auf diesen Wert bezogene EUSt zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Eine aus diesem Abzug resultierende Kostenbelastung für den Unternehmer soll verhindert werden (BFH, Beschl. v. 20.7.2023 - V R 13/21 - BStBl. II 2023, 1068).
Relevant ist die Entscheidung für Fälle, bei denen der einführende Unternehmer die Einfuhrwaren (z. B. bei Gesamtlieferung) weiterveräußert oder nutzt, auch wenn es sich dabei z. B. um eine (grundstücksbezogene) Werklieferung handelt und die Verfügungsmacht an dem Einfuhrgegenstand nach den umsatzsteuerlichen Grundsätzen erst nach der Grenze/im Inland auf das deutsche Unternehmen übergehen würde.
Durch das Abstellen auf den Eingang des Gegenstandswertes in die Kosten des Unternehmers ist auch in diesen Fällen der Vorsteuerabzug möglich. Dem hat sich die Verwaltung nun angeschlossen und führt mit Verweis auf den BFH-Beschluss aus, dass die Einfuhr für das Unternehmen gegeben sei, wenn der Unternehmer den Gegenstand im Inland zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertige und zur Ausführung von Umsätzen einsetze, was die Verwendung des Gegenstands selbst und damit dessen Wertes für Ausgangsumsätze voraussetze (Abschn. 15.8 Abs. 4 S. 1, 2 UStAE).
Die Finanzverwaltung erlaubt darüber hinaus weiterhin ausnahmsweise einem inländischen Unternehmer einen Abzug der EUSt als Vorsteuer für Gegenstände, die ihm von einem ausländischen Auftraggeber zur Erbringung einer Werkleistung (z. B. Lohnveredelung) oder für eine Werklieferung beigestellt wird.
In diesem Fall kann ausnahmsweise der inländische Unternehmer die EUSt als Vorsteuer abziehen, wobei der Gegenstand nach Ausführung der Leistung in das Drittlandsgebiet zurückgelangen muss (vgl. Abschn. 15.8 Abs. 8 S. 1 UStAE).