§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erlaubt die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen dem (Sonder-)Betriebsvermögen der Gesellschafter und dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft sowie zwischen den Sonderbetriebsvermögen verschiedener Gesellschafter derselben Personengesellschaft. Sofern direkte Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften nicht unter § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG fallen, verstößt dies gegen das Grundgesetz, wie das BVerfG in seinem Urteil vom 28.11.2023 – 2 BvL 8/13 entschieden hat.
Hintergrund und „Verfahrensgenese“
Dem Normenkontrollverfahren lag die Übertragung eines Grundstücks zwischen zwei beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zugrunde, bei der das Finanzamt eine Aufdeckung der stillen Reserven annahm.
Die dagegen gerichtete Klage beim Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hatte Erfolg. Das FG stützte seine Argumentation auf die Ausführungen im Beschluss des IV. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), der im Wege der verfassungskonformen Auslegung eine Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften für sachgerecht hielt. Damit wich das FG jedoch von der ursprünglichen Rechtsprechung des I. Senats (I R 72/08) ab.
Der I. Senat blieb im anschließenden Revisionsverfahren I R 80/12 seiner Linie zwar treu, übernahm jedoch die verfassungsrechtlichen Bedenken des IV. Senats und legte dem Bundesverfassungsgesetz (BVerfG) die Frage der Verfassungsmäßigkeit vor.
BVerfG: § 6 Abs. 5 EStG erfasst keine Übertragungen zwischen Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften
In seiner Urteilsbegründung greift das BVerfG die Argumentationslinien beider Senate des BFH auf und setzt sich sehr detailliert mit den jeweiligen Erwägungen auseinander. Nach Auffassung des BVerfG ist die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaft weder von § 6 Abs. 5 Satz 1, 2 EStG, noch von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erfasst. Diese Auslegung des § 6 Abs. 5 EStG ergäbe sich aus sowohl aus dem Wortlaut, als auch der Normhistorie (BVerfG Rn. 122, 123, 126, 127). In Bezug auf Satz 3 könne eine Erweiterung über den Wortlaut hinaus auch nicht mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift begründet werden (BVerfG Rn. 128).
Auch keine analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG möglich
Schließlich scheidet nach dem BVerfG auch eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG aus. Das Gesetz weise insoweit keine planwidrige Regelungslücke auf. Vielmehr habe der Gesetzgeber ganz bewusst die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften nicht zugelassen, da im Gesetzgebungsverfahren die Einbeziehung dieser Konstellation in § 6 Abs. 5 EStG diskutiert wurde, ohne dass eine entsprechende Regelung in das Gesetz mitaufgenommen worden ist (BVerfG Rn. 129-137).
Ungleichbehandlung im Vergleich mit den übrigen Konstellationen des § 6 Abs. 5 EStG
Nach Überzeugung des BVerfG verstößt der Ausschluss von steuerneutralen Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften daher gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Denn die steuerpflichtige Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen zwei Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften führt zu einer Benachteiligung zu den übrigen Konstellationen von Wirtschaftsguttransfers, die nach § 6 Abs. 5 EStG zu Buchwerten erfolgen können.
Bei der Überführung von Wirtschaftsgütern nach § 6 Abs. 5 Satz 1, 2 EStG erfolgt weder ein Rechtsträgerwechsel noch eine veränderte Zuordnung stillen Reserven. Wenn sich die personelle Zuordnung stiller Reserven ändert, zwingt das Subjektsteuerprinzip zu einer Gewinnrealisation, also zu einer Aufdeckung stiller Reserven. Von diesem Grundsatz normiert § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG Ausnahmen in Form der Buchwertfortführung.
Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften führen aber zu einer Gewinnrealisation, obwohl sich die Zuordnung stiller Reserven gerade nicht ändert (BVerfG Rn. 154-159).
Ungleichbehandlung trotz Ausweichgestaltungen
Eine Ungleichbehandlung solcher Übertragungen wäre nur dann fraglich, wenn Alternativgestaltungen ohne nennenswerte Risiken möglich wären. Solche gleichwertigen und risikolosen Alternativgestaltungen existieren nach dem BVerfG im vorliegenden Fall jedoch nicht. Exemplarisch führt das BVerfG Kettenübertragungen und Übertragungen nach § 6b EStG an. So beinhalten Kettenübertragungen ein rechtliches Risiko durch die Nichtanerkennung durch die Finanzverwaltung und Insolvenzrisiken (BVerfG Rn. 161-162). Auch Übertragungen nach § 6b EStG begründen keine gleichwertige Gestaltung, da diese Möglichkeit nur für bestimmte Wirtschaftsgüter möglich ist (BVerfG Rn. 163).
Ungleichbehandlung kann nicht durch Verlagerung von stillen Reserven gerechtfertigt werden
Eben einen solchen sachlichen Rechtfertigungsgrund erkennt das BVerfG allerdings nach einer umfassenden Prüfung nicht. Ein Rechtsträgerwechsel kann nicht als Rechtfertigung herangezogen werden. Denn aus der Systematik des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG werde deutlich, dass nicht der Rechtsträgerwechsel an sich, sondern die ggf. dadurch bewirkte Verlagerung stiller Reserven (z.B. zur Ausnutzung von Steuersatzgefällen) eine Gewinnrealisation rechtfertigen soll. Bei beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaft fehlt es aber an einer solchen (BVerfG Rn. 171).
Missbrauchsvermeidung ebenfalls kein Rechtfertigungsgrund
Eine Verhinderung von Missbräuchen kann ebenfalls nicht eine Ungleichbehandlung begründen. Nach den Erkenntnissen des BVerfG sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zur Erlangung von Steuervorteilen erfolgen (BVerfG Rn. 179).
Sofern Wirtschaftsgüter steuerneutral auf „Objekt-Personengesellschaften“ übertragen und anschließend diese Gesellschaften gewerbesteuerfrei und nach §§ 16, 34 EStG begünstigt veräußert werden können, weist das BVerfG auf die Gesamtplanrechtsprechung zur Versagung der Begünstigung hin (BVerfG Rn. 180).
Gesetzesänderung zu erwarten
Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 eine Neuregelung zu treffen (BVerfG Rn. 198). § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG steht somit unmittelbar auf der steuerpolitischen Agenda. Es ist bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber die Maßgabe des BVerfG umsetzt.
Übergangsweise: analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung erfolgen unentgeltliche Übertragungen von Wirtschaftsgütern zwischen Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaft entsprechend nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zwingend zu Buchwerten (BVerfG Rn. 199). In diesen Fällen spricht viel dafür, dass die Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG (auch ohne gebildete Ergänzungsbilanz) keine Anwendung findet. Denn diese setzt eine Verlagerung von stillen Reserven voraus (BFH v. 31.7.2013 – I R 44/12 Rn.15 ff.), die in diesen Konstellationen nicht vorliegt.
Einen ausführlichen Beitrag zum Thema lesen Sie demnächst auch in der Zeitschrift „Der Betrieb“.