Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit Schreiben vom 11. Januar 2021 (Az. III C 2 – S 7283/19/10001 :001) zum unberechtigten Steuerausweis Stellung genommen. Die Finanzverwaltung ergänzt damit ihre Verwaltungsauffassung zur Auslegung von § 14c UStG. Insbesondere wird mit Rückgriff auf die Rechtsprechung ausgeführt, welche Angaben auf einem Dokument bereits ausreichend sind, um eine Steuerschuld wegen unberechtigten/unrichtigen Steuerausweises zu begründen.
Die Grundzüge des § 14c UStG
Das deutsche Umsatzsteuerrecht unterscheidet in § 14c UStG zwischen einem unrichtigen (Abs. 1) und einem unberechtigten Steuerausweis (Abs. 2). Typische Fälle eines unrichtigen Steuerausweises sind etwa der Ausweis des Regelsteuersatzes von 19%, obwohl der Umsatz dem ermäßigten Steuersatz von 7% unterliegt, oder der Ausweis von Umsatzsteuer, obwohl der Umsatz steuerfrei oder im Inland gar nicht erst steuerbar ist. Typische Fälle eines unberechtigten Steuerausweises sind die Abrechnung mit Steuerausweis durch einen Nichtunternehmer, trotz Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) oder ohne eine Leistung ausgeführt zu haben (z.B. Scheinrechnungen).
Rechtsfolge sowohl des unrichtigen als auch des unberechtigten Steuerausweises ist die faktische (Gefährdungs-)Haftung des abrechnenden Unternehmers für den ausgewiesenen Steuer(mehr-)betrag, d.h. der „Abrechnende“ schuldet den ausgewiesenen Mehrbetrag. § 14c UStG hat damit in erster Linie präventiven Charakter und soll einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegenwirken, indem eine ordnungsgemäße Abrechnung der Leistung sichergestellt und der unrechtmäßige Abzug entsprechend zu hoher Vorsteuerbeträge verhindert wird. Zwar ist grundsätzlich nur die „gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer“ (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) als Vorsteuer abzugsfähig. Der leistungsempfangende Unternehmer wird jedoch regelmäßig den tatsächlich ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag als Vorsteuer in Abzug bringen. Denn eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ist Voraussetzung für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG).
Inhalt des BMF-Schreibens – zum Begriff der Rechnung
Das BMF-Schreiben ergänzt Abschn. 14c.1 bzw. 14c.2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) und setzt ein BFH-Urteil vom 21. September 2016 (XI R 4/15) um, welches zugleich im Bundessteuerblatt II veröffentlicht wird und somit über den Einzelfall hinaus von den Finanzbehörden anzuwenden ist.
Es wird klargestellt, dass bereits die abstrakte Gefahr einer Vorsteuerinanspruchnahme ausreicht, um die Rechtsfolgen des § 14c UStG eintreten zu lassen. Auf eine tatsächliche Gefährdung des Steueraufkommens im konkreten Fall, mithin den tatsächlichen Vorsteuerabzug durch den Leistungsempfänger, soll es somit nicht ankommen, obgleich dieser überhaupt zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre (z.B. Privatperson als Leistungsempfänger).
Von einer solchen abstrakten Gefährdung des Steueraufkommens soll auszugehen sein, wenn die Rechnung zumindest fünf wesentliche Merkmale aufweist:
- Rechnungsaussteller,
- Leistungsempfänger,
- Leistungsbeschreibung,
- Entgelt sowie
- gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.
Diese Grundsätze gelten sowohl für den unrichtigen (Abs. 1) als auch den unberechtigten Steuerausweis (Abs. 2). Die Mindestangaben entsprechen dem Grunde nach den Angaben, die eine Rechnung auch mindestens aufweisen muss, damit eine richtigerweise, aber fehlerhaft ausgestellte Rechnung (rückwirkend) berichtigungsfähig ist (vgl. BMF Schreiben vom 18. September 2020 – III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001, BStBl. I 2020, 976 zur rückwirkenden Rechnungsberichtigung). Die Anforderungen an die Merkmale für Zwecke des Rechnungsbegriffes nach § 14c UStG dürften jedoch aufgrund des Gefährdungshaftungscharakters der Norm niedriger sein als die im vorgenannten BMF-Schreiben aufgestellten Grundsätze für Zwecke des Vorsteuerabzugs. Im Ergebnis sind so Fälle denkbar, in denen ein Dokument als „Rechnung“ für Zwecke des § 14c UStG, nicht jedoch als berichtigungsfähiges Dokument im Sinne des BMF-Schreibens vom 18. September 2020 gilt.
In der Praxis birgt vor allem die Klarstellung des BMF, dass der Steuerbetrag nicht gesondert gekennzeichnet bzw. „optisch“ hervorgehoben sein muss, ein nicht zu vernachlässigendes Risiko. Die Umsatzsteuer ist demnach bereits dann gesondert ausgewiesen, wenn die Steuer als Geldbetrag genannt und als Steuerbetrag gekennzeichnet ist. So kann die Steuer etwa auch im Rahmen eines erläuternden Hinweises auf der Rechnung gesondert ausgewiesen werden. Dies hatte der BFH zwar bereits im Jahr 2016 entschieden. Angesichts der Ergänzung des UStAE und des ausdrücklichen Verweises auf das Urteil des BFH ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung diesen Aspekt künftig insbesondere bei Außenprüfungen verstärkt aufgreifen wird.
Die Änderungen betreffen derweil nicht nur die „klassische“ Rechnung, sondern grundsätzlich jedes Dokument, das im umsatzsteuerlichen Sinne als Rechnung dienen kann (z.B. Verträge; hierzu jüngst FG Münster, Urteil vom 29. September 2020 – 15 K 2680/18 U).
Konsequenzen und aktuelle Problemfelder
Die Konkretisierung des UStAE im Hinblick auf § 14c UStG und die Frage, wann eine Rechnung vorliegt, die zu einem unrichtigen bzw. unberechtigten Steuerausweis führen kann, war nach der Rechtsprechung des BFH in den vergangenen Jahren zu erwarten. Es schließt sich gewissermaßen der Kreis, weil die Mindestmerkmale zur Annahme einer Rechnung für Zwecke des Vorsteuerabzugs der Rechtsprechung des BFH zu § 14c UStG entstammen. Im Zuge der aktuellen Entwicklungen rund um die Frage der möglichen Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung hatte man sich bei der Definition einer „berichtigungsfähigen Rechnung“ an dem Rechnungsbegriff des § 14c UStG orientiert.
Zu berücksichtigen ist dabei, dass ein Steuerausweis nicht nachträglich (mit Rückwirkung) berichtigt werden kann.
Das BMF-Schreiben enthält leider keine Aussage zur Anwendung des § 14c UStG auf Abrechnungen, die im Gutschriftswege durch den Leistungsempfänger erlassen werden. Im Zuge der Änderung der Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen hatte sich der BFH dahingehend geäußert, dass der Steuerausweis in Gutschriften für die Leistung eines Nichtunternehmers (hier: des Aufsichtsratsmitglieds) nicht zu einer Steuerschuld nach § 14c UStG führen können. Obwohl Gutschriften nichts anderes sind als eine Rechnungsstellung durch den Leistungsempfänger und umsatzsteuerlich somit Rechnungen gleichstehen, hatte der BFH dies überraschenderweise verneint. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Finanzverwaltung § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG künftig auch auf diese Fälle anwendet (unberechtigter Steuerausweis durch Nichtunternehmer).