BMF ändert Umsatzbesteuerung von Aufsichtsratsmitgliedern

26.07.2021 | FGS Blog

Mit Schreiben vom 8. Juli 2021, das erst mit erheblicher Verzögerung auch auf der Seite des BMF veröffentlicht wurde, bezieht die Finanzverwaltung zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern im Lichte der jüngeren Rechtsprechung Stellung.

 

Entgegen der bisherigen Verwaltungsmeinung sollen Mitglieder von Aufsichtsräten nicht mehr in jedem Fall selbständig und damit Unternehmer sein. Die Selbständigkeit wird nun in Abhängigkeit von den Vergütungsmodalitäten gesetzt. Der UStAE wurde an entsprechender Stelle (insbesondere Abschn. 2.2 Abs. 2 S. 7 UStAE) angepasst.

Hintergrund

Mit den Änderungen passt das BMF die Verwaltungsvorgaben an die Rechtsprechung des EuGH und BFH aus dem Jahr 2019 an.

 

In der Rs. „IO“ hatte der EuGH entschieden, dass die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds einer Stiftung niederländischen Rechts nicht der Umsatzsteuer unterliegt (Urteil vom 13. Juni 2019 – C-420/18, „IO“). Der EuGH stellte in seiner Entscheidung insbesondere auf die Festvergütung des Aufsichtsratsmitglieds und daraus folgend ein fehlendes wirtschaftliches Risiko ab.

 

Der BFH folgte dem EuGH unter Einschränkung seiner bisherigen Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 27. November 2019 (V R 23/19) für den Fall an, dass das Mitglied des Aufsichtsrats kein wirtschaftliches Risiko trägt. An einem wirtschaftlichen Risiko fehlte es nach Auffassung des BFH in dem Streitfall, da das Aufsichtsratsmitglied eine jährlich Festvergütung ohne variable Vergütungsbestandteile erhielt.

Im Einzelnen

Bestimmung der Vergütung (fest oder variabel?)

Bezieht das Aufsichtsratsmitglied für ein Mandat eine Festvergütung, soll es nach der geänderten Verwaltungsauffassung nicht selbständig tätig sein.

 

Im Falle einer gemischten Vergütungsvereinbarung, die sowohl feste als auch variable Bestandteile enthält, ist von einer Fixvergütung auszugehen, falls der variable Bestandteil weniger als 10 % der Gesamtvergütung im Kalenderjahr  beträgt. Wobei in nicht näher definierten Einzelfällen Ausnahmen von dieser Vermutungsregel möglich sein sollen.

 

Bei der Beurteilung als fixe oder variable Vergütung sollen Sitzungsgelder, die nur bei tatsächlicher Sitzungsteilnahme, oder Aufwandsentschädigungen, die an einen tatsächlichen Aufwand gekoppelt sind, als variable Vergütungen gelten. Keine Vergütungsbestandteile für Zwecke der Ermittlung, welche Vergütungsart vorliegt, sind hingegen Reisekostenerstattungen.

 

Damit ergibt sich folgende vereinfachte Festlegung:

  • Reine Festvergütung = nichtselbständig und damit Nicht-Unternehmer;
  • Reine variable Vergütung = selbständig tätiger Unternehmer;
  • Fixe und variable Bestandteile:
    • Weniger als 10 % variabel = nichtselbständig und damit Nicht-Unternehmer;
    • Mindestens 10 % variabel = selbständig tätiger Unternehmer.

Besonderheit Beamte und Bedienstete von Gebietskörperschaften

Besonderheiten ergeben sich für Beamte oder andere Bedienstete von Gebietskörperschaften sowie Mitglieder der Bundes- oder einer Landesregierung, wenn diese, was der Regelfall sein dürfte, verpflichtet sind, mindestens einen Teil der erhaltenen Vergütung abzuführen. Hier wird allein aufgrund der Aufsichtsratstätigkeit eine Behandlung als nicht selbständig tätig auch bei einem Vergütungsrisiko nicht beanstandet.

Nichtbeanstandungsregelung

Die geänderten Verwaltungsgrundsätze gelten für alle offenen Fälle. Jedoch ist in dem Schreiben eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2021 aufgenommen. Werden die Leistungen des Aufsichtsratsmitglieds also vor dem 1. Januar 2022 erbracht, kann sich dieses bei Bedarf auf die bisherige Regelung berufen und als Unternehmer, das heißt mit Umsatzsteuer, abrechnen. Wichtig ist dabei, dass auf den Leistungszeitpunkt und nicht auf die (Voraus-)Abrechnung abzustellen ist.

Praxisfolgen

Ist das Aufsichtsratsmitglied nach den Wertgrenzen des BMF nicht selbständig tätig sind, muss und darf es seine Leistungen, die nach dem 1. Januar 2022 erbracht werden, nicht mehr mit Umsatzsteuerausweis abrechnen. Entsprechend fällt insoweit zwar der Deklarationsaufwand weg. Zeitgleich entfällt jedoch auch das Recht auf Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen, die in diesem Zusammenhang bezogen werden.

 

Ein wirtschaftlicher Vorteil kann sich für die Gesellschaft ergeben, bei der der Aufsichtsrat gebildet ist, wenn diese nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt. Musste das Aufsichtsratsmitglied bis dato mit Umsatzsteuer abrechnen, stellte diese mangels Abziehbarkeit als Vorsteuer eine Kostenbelastung für die Gesellschaft dar.

 

Für die Mitglieder von Aufsichtsräten gilt, sie haben die Wertgrenzen der Vergütungsbestandteile zu prüfen und künftig im Blick zu behalten. Bei Bedarf sollten die Vergütungsvereinbarungen zeitnah angepasst werden.