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BFH-Urteile zur Umsatzsteuer-Organschaft bringen keine Klärung

29.03.2023 | FGS Blog

Nach den EuGH-Urteilen vom 1. Dezember 2022 (siehe dazu unsere Blogbeiträge) hofften viele auf eine baldige Klärung noch bestehender Rechtsunsicherheiten. Diese Hoffnung hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun enttäuscht. Insbesondere bei der Behandlung von Innenleistungen sind die Fragezeichen größer denn je.

BFH zur finanziellen Eingliederung (BFH XI R 29/22)

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH musste der Organträger für eine finanzielle Eingliederung stets über die Mehrheit der Stimmrechte verfügen, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist. Wer lediglich über eine Sperrminorität von 50 % verfügt, erfüllte die Voraussetzungen für eine ausreichende Eingliederung nicht.

Entsprechend der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach der weder die Stimmenmehrheit noch die Mehrheitsbeteiligung als unbedingt erforderlich anzusehen sind, hat der BFH nun seine Rechtsauffassung geändert. Soweit die erforderliche Willensdurchsetzung des Organträgers gesichert ist, sei auch eine schwächer ausgeprägte finanzielle Eingliederung ausreichend, wenn sie beispielsweise durch eine stark ausgeprägte organisatorische Mehrheit ausgeglichen wird.

Im Fall der Entscheidung war der Organträger zwar mit 51 % mehrheitlich am Gesellschaftskapital beteiligt, verfügte aber nur über 50 % der Stimmrechte. Jedoch stellte er zusätzlich den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft.

Als Folge wird Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE anzupassen sein.

Die Steuerpflichtigen müssen nun prüfen, ob sie ggfs. im Nachhinein noch die Anerkennung einer Organschaft erreichen können bzw. ob sie Vertrauensschutz bezüglich rückwirkender Änderungen zu ihren Ungunsten geltend machen können.

Angesichts der Aussagen des EuGH-Urteils könnte überlegt werden, ob nicht auch eine 50%-Beteiligung ohne eine Personalunion ausreichen könnte.

Erneute EuGH-Vorlage des BFH zu Innenumsätzen (BFH V R 20/22)

Nach den EuGH-Urteilen bestand bei vielen Beobachtern die Vermutung, dass der BFH die Frage der Behandlung von Innenumsätzen nicht weiterverfolgen würde, da sich der EuGH hierzu nicht positionieren musste. Allerdings blieben einige Äußerungen des EuGH unklar. Daher wollte es der BFH nun genau wissen und hat den EuGH im Rahmen einer sehr ungewöhnlichen zweiten Vorlagefrage direkt dazu um Stellungnahme gebeten.

Fraglich erschien dem BFH, ob entgeltliche Leistungen zwischen Personen, die in einer Mehrwertsteuergruppe (Organschaft) zu einem Steuerpflichtigen zusammengefasst sind dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterfallen.

Zu untersuchen sei dafür insbesondere, ob das leistende Mitglied einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehe. Allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Mehrwertsteuergruppe könne keine Typisierung als „nicht selbstständig“ erfolgen. Dies spreche zwar für eine mögliche Steuerbarkeit der Leistungen, beantworte die Frage aber bisher nicht abschließend.

Angesichts des zugrundeliegenden Falles eines Uniklinikums erhebt der BFH auch die Frage, ob entgeltliche Leistungen jedenfalls dann der Umsatzsteuer unterliegen, wenn der Leistungsempfänger nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Zwar führt die Nichtbesteuerung zu einer Verwaltungsvereinfachung im Rahmen der Steuererklärungen und auch in Bezug auf das materielle Recht. Entgegenstehen könnte jedoch die Vorgabe der EU-Richtlinie, dass der Zusammenschluss zu einem Steuerpflichtigen nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen dürfe.

Letztlich wirft der BFH keine andere Frage als die nach dem Zweck der Organschaft auf. Insoweit darf man auf die Antwort des EuGH sehr gespannt sein.

Würde sich der EuGH dem BFH anschließen, könnte die künftige Besteuerung von Innenleistungen – zumindest im vorsteuerabzugsschädlichen Bereich (z.B. Finanz, Immobilien- und Sozialsektor, aber auch öffentliche Hand) – die Folge sein. Die Organschaft besäße womöglich nur noch bei arbeitsteiliger Leistungserbringung im Außenverhältnis Relevanz, bspw. für die Anwendung  von Sonderregelungen, wie der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 UStG, oder beschränkte sich sogar auf eine Zusammenfassung von Steuererklärungen.

Für tausende Steuerpflichtige, die bislang auf die Organschaft als Gestaltungsinstrument setzen, stellt sich nun die Frage, welche Risiken und Handlungsoptionen bis zu einer EuGH-Entscheidung bestehen. Dies lässt sich erfahrungsgemäß nur im Einzelfall sinnvoll beantworten.