Im Bereich von Mitunternehmerschaften können Wirtschaftsgüter zum Buchwert übertragen werden (§ 6 Abs. 5 S. 3 EStG). Dies gilt jedoch nicht, soweit dadurch stille Reserven in die Sphäre einer Körperschaft verlagert werden (§ 6 Abs. 5 S. 5, 6 EStG). Der Bundesfinanzhof hat nunmehr den Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung eingeschränkt (BFH v. 15.7.2021 – IV R 36/18, DStR 2021, 2575). Dadurch ergeben sich für Steuerpflichtige neue Möglichkeiten für steuerneutrale Umstrukturierungen, mithin die Übertragung stiller Reserven zwischen Kapitalgesellschaften.
Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert
Wirtschaftsgüter können im Bereich von Mitunternehmerschaften zum Buchwert übertragen werden (§ 6 Abs. 5 S. 3 EStG). Dabei gelten jedoch spezielle Regelungen mit Sperrfristen, die eine Übertragung zum Buchwert rückwirkend verbieten. Damit droht die rückwirkende Realisation der stillen Reserven (§ 6 Abs. 5 Satz 4 ff. EStG). Diese Regelungen verhindern zum einen, dass stille Reserven vor einer Realisation gezielt auf andere Rechtsträger verlagert werden. Zum anderen wird (über einen 7-jährigen Beobachtungszeitraum) verhindert, dass stille Reserven in der Sphäre einer Körperschaft gelangen (sog. Körperschaftsklausel des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG).
Bundesfinanzhof schränkt Sperrfrist ein
Die Finanzverwaltung hat die obige Sperrfrist bisher streng nach dem Wortlaut angewendet. Danach waren Übertragungen stiller Reserven auf Körperschaften stets ein Sperrfristverstoß. Der Bundesfinanzhof schränkt die Anwendbarkeit der Körperschaftsklausel nunmehr jedoch ein. Der Bundesfinanzhof urteilte, dass ein Verstoß gegen die Körperschaftsklausel nur vorliegt, wenn stille Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime wechseln. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Wechsel stiller Reserven zwischen Körperschaften mithin nicht gegen die Körperschaftsklausel verstößt.
Nutzen der Rechtsprechung für zukünftige Umstrukturierungen
Die Körperschaftsklauseln erschwerten in der Vergangenheit häufig Umstrukturierungen. Im Anschluss an eine Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG musste sichergestellt werden, dass in den folgenden sieben Jahren keine andere Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut beteiligt wurde. Andernfalls drohte eine rückwirkende Aufdeckung stiller Reserven. Damit verbot es sich vielfach, bei Strukturierungsüberlegungen auf den § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zurückzugreifen. Die jüngste Rechtsprechung des BFH nimmt dem § 6 Abs. 5 EStG in vielen Fällen nicht nur den Schrecken der Körperschaftsklausel. Sie macht die Norm vielmehr zu einem wertvollen Instrument für Buchwertübertragungen von Einzelwirtschaftsgütern bei Umstrukturierungsvorgängen.
Unmittelbare Handlungsempfehlung für Steuerpflichtige
Steuerpflichtige sollten vergangene Übertragungen zum Buchwert (nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG) nochmal daraufhin untersuchen, ob von der Finanzverwaltung rückwirkend die Besteuerung stiller Reserven vorgenommen wurde. Wenn die Finanzverwaltung dies mit Verweis au die Körperschaftsklausel (§ 6 Abs. 5 S. 5, 6 EStG) vorgenommen hat, sollte dies mit dem hier vorgestellten Urteil des Bundesfinanzhofs abgeglichen werden. Soweit eine fehlerhafte Würdigung durch die Verwaltung erfolgt ist, kann dies vom Steuerpflichtigen womöglich noch nachträglich korrigiert werden. Diese Handlungsempfehlung gilt im Übrigen auch für aufgedeckte stille Reserven bei einer Realteilung (§ 16 Abs. 3 S. 4 EStG). Denn auch die Körperschaftsklausel der Realteilung sollte durch das Urteil des Bundesfinanzhofs in seiner Anwendung nunmehr eingeschränkt sein.
Einen ausführlichen Beitrag zu dem Thema mit mehreren Beispielen lesen Sie in der am Samstag erscheinenden Ausgabe von Deutsches Steuerrecht (DStR), Heft 50, S. 2877.