BFH äußert sich zu den Grenzen der rückwirkenden Rechnungsberichtigung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 20. Oktober 2022 ein Urteil (vom 7. Juli 2022, Az. V R 33/20) veröffentlicht, in dem er sich erneut zum Thema der rückwirkenden Rechnungskorrekturen und deren Grenzen äußert.

 

Hintergrund

Um sein Recht auf Vorsteuerabzug geltend zu machen, benötigt der Unternehmer grundsätzlich eine ordnungsgemäße Rechnung für die von ihm für sein Unternehmen bezogene Eingangsleistung, aus der sich insbesondere die geschuldete Steuer ergibt. In Deutschland besteht dahingehend das Verständnis, dass der Abzug erst in/für den Zeitpunkt möglich ist, wenn die Rechnung dem Unternehmer auch tatsächlich vorliegt.

 

Für Fälle, in denen eine ursprünglich ausgestellte Rechnung fehlerhaft ist, hat der BFH und auch die Finanzverwaltung in Folge der entsprechenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die Möglichkeit einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung anerkannt. Eine solche rückwirkende Berichtigung einer fehlerhaften Rechnung hat – wie der Name schon sagt – zur Folge, dass der Vorsteuerabzug rückwirkend für denjenigen Besteuerungszeitraum gewährt wird, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde und dem vorsteuerabzugsbegehrenden Unternehmer zugegangen ist.

 

Eher streng sieht der BFH dabei allerdings die Voraussetzungen für die rückwirkende Rechnungsberichtigung. Er verlangt insoweit, dass es sich bei der fehlerhaften Rechnung um eine „berichtigungsfähige“ Rechnung handelt.

 

Die Berichtigungsfähigkeit einer Rechnung setzt laut BFH voraus, dass Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt sowie zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthalten sind. Ist dies hingegen nicht der Fall, wird die vermeintlich bloß korrigierte Rechnung insoweit als Erstrechnung angesehen, die erst im Zeitpunkt ihres Zugangs– und damit gerade nicht rückwirkend – zum Vorsteuerabzug berechtigt.

 

Aktuelle BFH-Entscheidung

Dieses strenge Verständnis hat der BFH nunmehr in seiner jüngsten Entscheidung bestätigt.

 

In dem Urteil geht es um eine Klägerin, deren statutarischer Unternehmenssitz sich in Luxemburg befand. Entsprechend wurden Eingangsleistungen ausländischer (deutscher) Unternehmer gemäß der B2B-Regelung in § 3a Abs. 2 UStG ohne Umsatzsteuer abgerechnet, da von einer Reverse-Charge-Steuerschuld der Klägerin in Luxemburg ausgegangen wurde. Die Rechnungen enthielten dabei entweder die Angabe „Mehrwertsteuer 0 % mit Ausweis 0 €“ oder den Hinweis „steuerfrei, Steuerschuld verlagert – reverse charge“.

 

Als sich sodann aber herausstellte, dass sich der Ort der Geschäftsleitung nicht in Luxemburg, sondern im Inland befunden hatte und die Klägerin daher im Inland ansässig war, änderten die leistenden Unternehmen nachträglich ihre Rechnungen und wiesen die deutsche Umsatzsteuer aus.

 

Der BFH erkennt eine Rückwirkung dieser Rechnungskorrekturen für Zwecke des Vorsteuerabzugs nicht an. Dies begründet er damit, dass mit den ursprünglichen Rechnungen nach den Vorstellungen der Beteiligten in Luxemburg erbrachte Leistungen abgerechnet werden sollten, sodass bereits nach ihrem Willen kein inländischer Steuerausweis und keine inländische Steuerschuldnerschaft der Klägerin vorliegen sollte. Diese Rechnungen waren daher nicht mit Rückwirkung für den Vorsteuerabzug berichtigungsfähig.

 

Auch beruft sich der BFH darauf, dass laut EuGH ein Dokument keine „Rechnung“ sei und der Steuerpflichtige daher nicht im Besitz des für den Vorsteuerabzug erforderlichen Dokuments sei, wenn es so fehlerhaft sei, dass der nationalen Steuerverwaltung die erforderlichen Angaben fehlten. Dies sei hier der Fall, weil mangels Angabe zum Steuerausweis oder zum (vorliegend inländischen) Steuerschuldner zentrale Rechnungsmerkmale fehlten. Eine rückwirkende Rechnungsberichtigung sei daher nicht möglich, wenn der inländische Steuerbetrag erstmals in einer berichtigten Rechnung ausgewiesen werde.

 

Einordnung und Ausblick

Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des BFH überrascht das Urteil nicht. Es stellt vielmehr die konsequente Anwendung der Rechtsprechung zur „Berichtigungsfähigkeit“ von fehlerhaften Rechnungen dar.

 

Interessant und beachtenswert ist indes, dass dem BFH diese strenge Sichtweise nicht etwa durch den EuGH vorgegeben wurde. Vielmehr ist der EuGH in der Rs. Senatex auf die Vorlagefrage, welche Mindestanforderungen an eine der Rückwirkung zugängliche berichtigungsfähige Rechnung zu stellen sind, nicht explizit eingegangen.

 

Darüber hinaus lässt sich diskutieren, ob nicht zumindest die Rechnungsangabe „Mehrwertsteuer 0 %“ eigentlich den Anforderungen des BFH genügen müsste. Entsprechend stellt sich auch die Frage, ob ein zu niedriger inländischer Steuerausweis mit Rückwirkung korrigierbar ist.

 

Berücksichtigt man die Äußerungen auch in der vom BFH zitierten EuGH Rechtsprechung (C-80/20) zur Rechnung, ist anzunehmen, dass diese nur formelle Ausübungsvoraussetzung des Vorsteuerabzugs sein soll. Damit bleibt fraglich, ob ein Vorsteuerabzug nur generell das Vorliegen einer Rechnung voraussetzt oder der Vorsteuerabzug tatsächlich erst für den Zeitraum ausgeübt werden kann, in welchem dem Unternehmer die ordnungsgemäße (ggf. korrigierte) Rechnung zugeht. Denn ein Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, d.h. grds. mit der Leistungserbringung (Art 167 MwStSystRL, vgl. auch EuGH C‑533/16, Rn. 44).

 

Es ist damit zu erwarten, dass die Diskussionen über die Voraussetzung der „Berichtigungsfähigkeit“ einer Rechnung nicht beendet sind und das jüngste Urteil des BFH sie eher weiter anfachen wird.