Neues zur Gewerbesteueranrechnung bei mehreren Betrieben

13.05.2019

Mit Schreiben vom 17.04.2019 hat sich das Bundesfinanzministerium zur Spezialfrage der Gewerbesteueranrechnung bei Vorliegen mehrerer Betriebe geäußert. Es hat insoweit sein bislang geltendes Schreiben zu § 35 EStG vom 03.11.2016 modifiziert. Zentrale Neuerung ist die Berechnungsebene der Anrechnungsschranke „tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer“: ausweislich des neuen BMF-Schreibens ist in Fällen mehrerer Betriebe die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer ab dem VZ 2020 durchweg betriebsbezogen zu ermitteln. „Mehrere Betriebe“ können sowohl mehrstöckige Personengesellschaften als auch Schwesterpersonengesellschaften sein. Nach bisheriger und bis einschließlich VZ 2019 maßgeblicher Verwaltungsmeinung ist die Anrechnungsschranke bei mehrstöckigen Personengesellschaften erst auf der obersten Ebene und somit saldiert zu ermitteln. Bei Schwestergesellschaften sah die Verwaltung schon bislang eine betriebsbezogene Berechnung der Begrenzung vor.

Regelungszusammenhang

Die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG ist durch mehrere Begrenzungen eingeschränkt, von denen hier die folgenden beiden wesentlich sind: erstens beschränkt § 35 Abs. 1 S. 1 EStG die Gewerbesteueranrechnung für gewerbliche Einkünfte aus Einzelunternehmen (Nr. 1) und anteilig für gewerbliche Einkünfte aus Mitunternehmerschaften (Nr. 2) auf das 3,8-fache des jeweils für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Gewerbesteuer-Messbetrags. Zweitens besteht die Begrenzung nach § 35 Abs. 1 S. 5 EStG: „Der Abzug des Steuerermäßigungsbetrags ist auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer beschränkt.“ Zusammen betrachtet bewirken die beiden Begrenzungen, dass niedrigere Hebesätze niemals überkompensiert werden, während die Kompensation höherer Hebesätze gedeckelt ist.

 

Die erstgenannte Begrenzung greift bei Betrieben in Gemeinden mit hohen Hebesätzen, die zweitgenannte bei Betrieben in Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen. Ist die steuerpflichtige natürliche Person an mehreren Betrieben beteiligt, von denen sich manche in Gemeinden mit einem Hebesatz über und manche in Gemeinden mit einem Hebesatz unter 380 % befinden, stellt sich die Frage, ob die Begrenzung des § 35 Abs. 1 S. 5 EStG unternehmerbezogen und somit lediglich saldiert greift oder ob sie individuell betriebsbezogen zu ermitteln ist. Die saldierte Berechnungsweise führt dann zu einer höheren Anrechnung, wenn die Betriebe in Gemeinden liegen, von denen einige einen Hebesatz über und einige unter 380% aufweisen. In Doppel- bzw. Mehrfachstockstrukturen kann der Wechsel von der bislang anzuwendenden saldierten Betrachtung hin zur strikt betriebsbezogenen Betrachtung somit zu einem letztlich geringeren Anrechnungsvolumen führen.

 

Mit zwei Urteilen vom 20.03.2017 hat sich der BFH für eine betriebsbezogene Ermittlung sowohl bei Schwesterpersonengesellschaften (Az. X R 62/14) als auch bei mehrstöckigen Personengesellschaften (Az. X R 12/15) ausgesprochen. Das BMF-Schreiben vom 17.04.2019 setzt den einheitlichen Ansatz nun um.

Konkreter Inhalt des BMF-Schreibens vom 17.04.2019

Das BMF-Schreiben vom 17.04.2019 behandelt ausschließlich den Aspekt der Anrechnung bei mehreren Betrieben. Es ersetzt dazu die Rn. 9, 25 und 26 seines Vorgängerschreibens vom 03.11.2016  und fügt die neue Rn. 25a ein. Rn. 9 regelt mit Bezug auf das BFH-Urteil X R 62/14 die betriebsbezogene Ermittlung der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer für Schwestergesellschaften. Die Neuerungen und Besonderheiten enthalten die übrigen drei Randziffern zu Konstellationen mit mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen: demnach ist nun auch in diesen Fällen eine betriebsbezogene Ermittlung anzustellen. Die Rn. 25 und 25a legen dafür nicht nur materiell-, sondern auch verfahrensrechtlich die nötige Grundlage. Im Zuge der einheitlichen und gesonderten Feststellung wird dazu nun je Ebene die neue Information der gewerblichen Einkünfte und des auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer begrenzten Steuerermäßigungsbetrags nach § 35 Abs. 1 S. 5 erhoben.  Diese, bislang fehlenden, betriebsbezogenen Informationen sind gemäß der neuen Rn. 25a nun stets nachrichtlich mitzuteilen. Die aktualisierte Rn. 26 illustriert die betriebsbezogene Anrechnungsbegrenzung an einem neu gewählten Beispiel mit mehrstufiger Personengesellschaftsstruktur. Ausweislich seines letzten Absatzes ist das BMF-Schreiben vom 17.04.2019 erst ab dem Veranlagungszeitraum 2020 zwingend anzuwenden. Nur auf Antrag des Steuerpflichtigen gilt es bereits für die Veranlagungen früherer Zeiträume.

Geänderte Berechnung (nur) bei mehrstöckigen Strukturen

Das neue BMF-Schreiben führt lediglich bei mehrstöckigen Strukturen zu einer veränderten Berechnung. Dies wird aus drei Punkten deutlich. Erstens aus dem Inhalt seiner Randziffern inkl. dem neu gewählten Beispiel. Nun ist klar erkennbar, dass bei Mehrstockstrukturen zusätzliche Informationen zu erheben und zu verwerten sind und wie gerechnet werden soll. Zweitens zeigt sich die Neuerung im Abgleich mit den Vorgänger-Schreiben: Rz. 10 des BMF-Schreibens vom 25.10.2010 und die ihr entsprechende Rn. 9 des aktuell gültigen BMF-Schreibens vom 03.11.2016 beinhalteten nach der Schilderung der grundsätzlich getrennten Ermittlung den einschränkenden Zusatz: „Zu den Besonderheiten bei mehrstöckigen Gesellschaften vgl. Rz. 27 und 28“ [Fassung 2010] bzw. „(…) vgl. Rn. 25 und 26“ [Fassung 2016]. Dieser Zusatz ist in Rn. 9 des neuen BMF-Schreibens vom 17.4.2019 entfallen. Dies entspricht einer Rückkehr zum streng betriebsbezogenen Ansatz des BMF-Schreibens vom 24.02.2009. Drittens und letztens macht die großzügige Übergangsregelung bis zum VZ 2020 nur mit Blick auf eine Berechnungsänderung bei Mehrstockstrukturen Sinn.

Fazit

Das neue BMF-Schreiben vom 17.4.2019 zur Gewerbesteueranrechnung bei Vorliegen mehrerer Betriebe führt nun einheitlich eine betriebsbezogene Berechnung der Anrechnungsgrenze „tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer“ ein. Dies ist bei mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen neu und für den Steuerpflichtigen potenziell nachteilig. Es ist zu begrüßen, dass das BMF für die Berechnungsänderung eine großzügige Übergangsfrist bis einschließlich VZ 2019 gewährt. Somit ist die Anrechnungsgrenze des § 35 Abs. 1 S. 5 EStG nun auch in Mehrstockstrukturen erst ab dem VZ 2020 betriebsbezogen zu ermitteln.

 

Für detaillierte Ausführungen des Autors zum Thema siehe DStR Heft 21/2019. Seine Urteilsbesprechung der beiden zugrundeliegenden BFH-Urteile findet sich in WPg 2018, S. 463