Ein erst jüngst veröffentlichter Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.02.2019 schafft Erleichterung für den Steuerpflichtigen im Bereich des internationalen Steuerrechts (Az. I B 58/18). In einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat sich der BFH erstmals zu den Mitwirkungspflichten von unbeschränkt Steuerpflichtigen bei einer nach § 50d Abs. 9 EStG drohenden Besteuerung geäußert. Nach dieser Norm können Einkünfte, die gemäß einem Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland eigentlich nicht besteuert werden dürften, entgegen dem Abkommen dennoch hierzulande besteuert werden („Treaty Override“). Nach Auffassung des BFH besteht allerdings – anders als von der Finanzverwaltung vertreten – keine generelle Verpflichtung, eine im Ausland erfolgte Besteuerung mittels entsprechender Steuerbescheide nachzuweisen.

Streit um Nachweispflichten bei Auslandssachverhalten

Streitpunkt war die Frage, wem die Nachweispflicht für das Vorliegen eines Falls des § 50d Abs. 9 EStG obliegt: dem Steuerpflichtigen oder dem Finanzamt. Die Norm soll grundsätzlich verhindern, dass Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen systemwidrig weder im In- noch im Ausland besteuert werden. Wenn die Voraussetzungen gegeben sind, kann Deutschland zum Nachteil des Steuerpflichtigen das Besteuerungsrecht entgegen einer völkerrechtlichen Freistellung geltend machen. Die Beweislast liegt insoweit beim Finanzamt.

Für die Anwendung des so genannten „Treaty Overrides“ muss eine der in der Norm genannten Fallgruppen erfüllt sein. Eine solche liegt beispielsweise vor, wenn der ausländische Staat den Sachverhalt abweichend zu der innerstaatlichen Rechtsauffassung würdigt, da das Doppelbesteuerungsabkommen unterschiedlich ausgelegt wird (Qualifikationskonflikt). Außerdem ist § 50d Abs. 9 EStG anzuwenden, wenn nach dem ausländischen Recht Einkünfte nur deswegen (teilweise) nicht besteuert werden, weil sie ein beschränkt Steuerpflichtiger erzielt hat oder weil sie einer Betriebsstätte in einem anderen Staat zugeordnet werden. Gemeinsam haben alle Anwendungsfälle des § 50d Abs. 9 EStG, dass eine Prüfung der ausländischen steuerlichen Rechtsauffassung notwendig ist.

Dass einer der Fälle des § 50d Abs. 9 EStG vorliegt, kann durch das Finanzamt in der Praxis häufig nicht nachgewiesen werden, da es sich um Auslandssachverhalte handelt und die deutsche Finanzverwaltung dort über Auskunftsersuchen nur begrenzte Ermittlungsmöglichkeiten hat. Aus diesem Grund sind Steuerpflichtige bei der Ermittlung von Tatsachen im Ausland zu erhöhter Mitwirkung verpflichtet (vgl. § 90 Abs. 2 AO). Doch führen diese erhöhten Mitwirkungspflichten dazu, dass der Steuerpflichtige gezwungen ist, ausländische Bescheide vorzulegen, die die dort erfolgte Besteuerung belegen?

Absage an von der Finanzverwaltung angenommene Nachweispflichten

Nach einem (noch immer aktuellen) Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ist dies bislang der Fall. Der inländische Steuerpflichtige hat danach nachzuweisen, dass kein Fall des § 50d Abs. 9 EStG vorliegt (BMF v. 3.5.2018 - V B 2 - S 1300/08/10027, BStBl. I 2018, 643). Obwohl also eigentlich das Finanzamt die Beweislast für die Anwendbarkeit der Norm trägt, wurde diese faktisch zu Lasten des Steuerpflichtigen umgekehrt. Darüber hinaus musste der Steuerpflichtige nicht nur nachweisen, dass kein Fall des § 50d Abs. 9 EStG gegeben ist, sondern anhand von Steuererklärung und Steuerbescheid belegen, dass tatsächlich eine Versteuerung im Ausland erfolgt ist.

Dieser pauschalen Beweislastumkehr folgte die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg Az. 3 V 3099/18) im Einklang mit der herrschenden Lehre zunächst, der BFH hat ihr nun jedoch zu Recht eine klare Absage erteilt (vgl. dazu Diffring/Schiffer, FR 2023, 75, 76 ff.). Zwar verletze der Steuerpflichtige, der keine ausländischen Steuerbescheide vorlegt, seine Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten. Dies allein reiche für die Besteuerung nach § 50d Abs. 9 EStG jedoch nicht aus. Es sei weiterhin Pflicht des Finanzamts, zusätzliche Anhaltspunkte vorzutragen, die für eine ausreichende Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen der Norm sprechen. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Einkünfte im Ausland lediglich mangels Deklaration nicht besteuert wurden, reiche dafür nicht aus. Denn es kommt nicht auf die tatsächliche Versteuerung im Ausland an, vielmehr müssen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines der Fälle des § 50d Abs. 9 EStG gegeben sein.

Der Beschluss schafft damit vor allem für diejenigen inländischen Steuerpflichtigen, die keinen Nachweis über eine im Ausland erfolgte Besteuerung erbringen können, erhebliche Erleichterung. Insbesondere im Vergleich mit den weiterhin strengeren Nachweispflichten, die den Steuerpflichtigen nach § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG treffen, ist die Entscheidung auch inhaltlich zu begrüßen (vgl. dazu Diffring/Schiffer, FR 2023, 75, 77 f.). Erbringt der Steuerpflichtige allerdings nicht die von der Finanzverwaltung geforderten Nachweise, muss er mit einem Auskunftsersuchen der deutschen Finanzverwaltung im Ausland rechnen.