Erbschaftsteuer­reform erfordert vorausschauende Anpassung von Gesellschaft­sverträgen

07.12.2016

Für begünstigtes Betriebsvermögen sieht das neue Erbschaftsteuerrecht größenabhängige Unternehmensverschonungen vor. Im Vorfeld der Prüfung der Größengrenzen kann allerdings ein 30 %iger Vorab-Abschlag angewendet werden, wenn der Gesellschaftsvertrag bereits zwei Jahre vor dem Erbfall bzw. der Anteilsschenkung entsprechend ausgestaltet ist.

Nach der jüngsten Erbschaftsteuerreform stehen im Grundsatz die bisherigen Möglichkeiten zur Vorschonung von Unternehmensvermögen weiterhin zur Verfügung.

 

Relevanz der Erwerbshöhe bei kleinen Unternehmen

Unverändert ist beispielsweise der abschmelzende Abzugsbetrag von 150.000 Euro. Entscheidet sich der Erwerber eines kleinen Unternehmens für die Regelverschonung, bleiben 85 % des begünstigten Unternehmensvermögens steuerfrei. Für den verbleibenden Teil steht der Abzugsbetrag von maximal 150.000 Euro zur Verfügung.

Übersteigt das begünstigte Unternehmensvermögen jedoch 1 Mio. Euro, sodass nach Anwendung der 85 %igen Befreiung mehr als 150.000 Euro steuerpflichtig wären, verringert sich der Abzugsbetrag um 50 % des die 150.000 Euro-Grenze übersteigenden Betrages. So beträgt der zusätzliche Abzugsbetrag bspw. bei einem Unternehmenserwerb von 2 Mio. Euro (nach 85 % Befreiung 300.000 Euro) nur noch 75.000 Euro, sodass 225.000 Euro steuerpflichtig sind. Ab einem Erwerb von 3 Mio. Euro (nach 85 % Befreiung 450.000 Euro) ist der zusätzliche Abzugsbetrag vollständig abgeschmolzen.

 

Relevanz der Erwerbshöhe bei großen Unternehmen

Neu durch die Erbschaftsteuerreform ist die größenmäßige Beschränkung der Unternehmensbegünstigungen auf Erwerbe bis 26 Mio. Euro. Wird von einer Person innerhalb von 10 Jahren Unternehmensvermögen im Wert von insgesamt über 26 Mio. Euro auf einen Erwerber übertragen, greifen die Unternehmensvergünstigungen nur noch eingeschränkt. Der Umfang der Begünstigung nimmt entweder mit steigenden Erwerben ab (Abschmelzungsmodell) oder der Erwerber muss zumindest Teile seines Privatvermögens und nicht begünstigten Unternehmensvermögens zur Erbschaftsteuerzahlung einsetzen (Verschonungsbedarfsprüfung).

 

Vorab-Abschlag von bis zu 30 % auf die Wertgrenzen möglich

 

Vor Anwendung der genannten Wertgrenzen bietet das neue Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz allerdings die Möglichkeit eines Vorab-Abschlags auf den Unternehmenswert. Damit dieser zur Anwendung kommen kann, muss der Gesellschaftsvertrag des Unternehmens, dessen Anteile verschenkt oder vererbt werden, bestimmte Anforderungen erfüllen. Im Einzelnen muss der Gesellschaftsvertrag

a) Entnahme- bzw. Ausschüttungsbegrenzungen

b) Verfügungsbeschränkungen und

c) Abfindungsbeschränkungen

vorsehen.

 

 

a) Entnahme- bzw. Ausschüttungsbegrenzungen

Die Entnahmen bzw. Ausschüttungen aus dem Unternehmen müssen gesellschaftsvertraglich auf maximal 37,5 % des Nachsteuergewinns der Gesellschaft beschränkt sein. Zur Nutzung des Vorab-Abschlags ist es also erforderlich, dass ein Teil der Unternehmensgewinne im Unternehmen verbleibt und nicht ausgeschüttet werden darf.

 

b) Verfügungsbeschränkungen

Der Gesellschaftsvertrag des Unternehmens muss die Übertragbarkeit der Unternehmensanteile beschränken. Die Übertragung der Anteile darf nur auf Mitgesellschafter, Angehörige i.S.v. § 15 AO oder eine Familienstiftung gestattet sein.

Die Übertragungsmöglichkeit auf eine gemeinnützige Stiftung ist im Gesetzeswortlaut nicht explizit genannt. Sie steht damit dem Vorab-Abschlag im Wege, wenn es sich bei der Stiftung nicht um einen (bestehenden) Mitgesellschafter handelt.

 

c) Abfindungsbeschränkungen

Die Dritte Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Vorab-Abschlags ist die Abfindungsbeschränkung für den Fall des Ausscheidens aus dem Unternehmen. Kündigt ein Gesellschafter oder wird er aus der Gesellschaft ausgeschlossen, muss die Abfindung, welche er für sein Ausscheiden aus der Gesellschaft erhält, hinter dem gemeinen Wert seines Anteils zurückbleiben. Die Höhe des Vorab-Abschlags entspricht der prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert, beträgt jedoch maximal 30 %.

Sieht der Gesellschaftsvertrag also eine Abfindungsbeschränkung auf maximal 70 % des gemeinen Wertes vor, kann – bei Einhaltung der oben unter a) und b) genannten Kriterien – der volle Vorab-Abschlag von 30 % gewährt werden.

 

Anforderungen müssen vor und nach der Übertragung unverändert erfüllt werden

Die drei vorgenannten Voraussetzungen für den Vorab-Abschlag müssen zwei Jahre vor der Entstehung der Erbschaft- und Schenkungsteuer und noch zwanzig Jahre danach eingehalten werden. Die entsprechende Überprüfung und Anpassung der Gesellschaftsverträge muss damit möglichst früh erfolgen.

Zudem ist für den Fall der Weiterübertragung des Unternehmens (unentgeltlich oder unentgeltlich) sicherzustellen, dass der Gesellschaftsvertrag nicht mehr zum eigenen Nachteil geändert und gegen die zwanzigjährige Nachfrist verstoßen wird.

Für Einzelunternehmen steht der Vorab-Abschlag mangels Gesellschaftsvertrag nicht zur Verfügung. Hier ist die (steuerneutrale) Einbringung des Einzelunternehmens in eine (Personen-)Gesellschaft zu erwägen, um in den Genuss des Vorab-Abschlags kommen zu können.