Wirtschaft in der Krise – Maßnahmen aus Verrechnungspreissicht (Teil 3): Umgang mit Verlusten bei Routinegesell-schaften

Dieser Beitrag ist Teil 3 einer dreiteiligen Blog-Reihe zum Thema: „Wirtschaft in der Krise – Maßnahmen aus Verrechnungspreissicht“. Hier lesen Sie Beitrag 1 und Beitrag 2.
Die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen stellen die Weltwirtschaft vor erhebliche Herausforderungen, die zu erheblichen Gewinnminderungen oder sogar Verlusten von Unternehmen führen können. Vor allem im Hinblick auf Routinegesellschaften stellt sich die Frage, wie mit solchen Verlustsituationen aus Verrechnungspreissicht umzugehen ist.
Ein Unternehmen, das lediglich einfache Funktionen ausübt, geringe Risiken trägt und keine wesentlichen (immateriellen) Wirtschaftsgüter einsetzt, wird aus Verrechnungspreissicht regelmäßig als Routineunternehmen qualifiziert. Typischerweise handelt es sich dabei um Auftragsfertiger oder risikoarme Vertriebsgesellschaften (beispielsweise Low-Risk-Distributoren oder Kommissionäre). Auf (inter-)nationaler Ebene besteht Einigkeit darüber, dass Routineunternehmen aufgrund ihres eingeschränkten Funktions- und Risikoprofils einen geringen, aber stabilen Gewinn erzielen sollen. Mangels Risikotragung sollen Routineunternehmen gerade nicht dazu verpflichtet sein, Verluste zu tragen. Zur Ermittlung fremdüblicher Verrechnungspreise bei Routinegesellschaften kommen regelmäßig die Kostenaufschlagsmethode (Cost Plus Method) oder die Transaktionsbezogene Nettomargenmethode (TNMM) zur Anwendung.
Zwar erkennt auch die OECD an, dass Routinegesellschaften in Ausnahmefällen – etwa im Zuge globaler Krisen wie der COVID-19-Pandemie – kurzfristig Verluste erleiden können. Hierzu hatte die OECD im Jahr 2021 Leitlinien zum Umgang mit den Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Verrechnungspreisbestimmung veröffentlicht. Eine Verlustzuweisung ist jedoch selbst in solchen Ausnahmesituationen nur dann fremdüblich, wenn dies in Einklang mit dem jeweiligen Funktions- und Risikoprofil der beteiligten Parteien steht.
Entsprechend sollte die Funktions- und Risikoanalyse weiterhin die Allokation von Gewinnen bzw. Verlusten innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe bestimmen. Nur wenn eine risikoarme Vertriebsgesellschaft beispielsweise ein gewisses Marktrisiko trägt, kann die Zuweisung von Verlusten zur Routinegesellschaft aus der Realisierung dieses Risikos überhaupt erst gerechtfertigt sein. Umgekehrt sollte eine risikoarme Vertriebsgesellschaft, die beispielsweise kein Kreditrisiko übernimmt, auch keine Verluste tragen, die durch das Eintreten eines Kreditrisikos entstanden sind.
Ob die aktuelle wirtschaftliche Lage bereits als Ausnahmesituation, ähnlich der COVID-19-Pandemie, angesehen werden kann, erscheint fraglich. Eine Verlustzuweisung an eine Routinegesellschaft auch unter den derzeitigen Rahmenbedingungen gilt es daher weitgehend zu vermeiden. Dies gilt vor allem dann, wenn die Routinegesellschaft selbst in außergewöhnlich ertragsstarken Situationen lediglich eine seiner Funktion entsprechende geringe, aber stabile Routinevergütung erzielt. In diesem Fall kann auch in Verlustsituationen keine abweichende Behandlung erfolgen.
Vor dem Hintergrund der eingeschränkten Möglichkeit für Verlustzuweisungen an Routinegesellschaften kommt der Möglichkeit von Jahresendanpassungen eine besondere Bedeutung zu. Zur Vermeidung von Verlustsituationen auf Ebene der Routinegesellschaften ist zu empfehlen, die tatsächliche Entwicklung der Ergebnisse im Blick zu haben (Soll-Ist-Vergleich), um entweder eine unterjährige Anpassung der Verrechnungspreise oder eine Anpassung zum Jahresende vornehmen zu können (Rn. 3.42 der VWG VP 2024).
Nachträgliche Verrechnungspreisanpassungen sind immer auch im Hinblick auf etwaige damit verbundene umsatzsteuerliche Auswirkungen zu betrachten. So können Preisanpassungen als Änderungen der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage i.S.d. § 17 UStG für bereits ausgeführte Transaktionen zu berücksichtigen sein, oder aber als Gegenleistung für gesonderte, konzernintern erbrachte Dienstleistungen. Denkbar ist auch, die Preisanpassungen als umsatzsteuerlich irrelevante Zahlungen einzuordnen. Mangels eindeutiger Verlautbarungen aus Finanzverwaltung und Rechtsprechung bereitet die Einordnung oftmals Schwierigkeiten. Aufgrund des grenzüberschreitenden Kontextes der betroffenen Zahlungen können sich zudem Qualifikationsunterschiede in den betroffenen Jurisdiktionen ergeben. Auch nach einer aktuellen Stellungnahme des Generalanwalt beim EuGH (Schlussanträge vom 3. April 2025, C-726/23, „SC Arcomet Towercranes SRL“) ist die umsatzsteuerliche Einordnung von Verrechnungspreisanpassungen einzelfallbezogen vorzunehmen, wobei den getroffenen Vereinbarungen eine zentrale Bedeutung zukommt. Neben den umsatzsteuerlichen Auswirkungen sind in die Betrachtung auch etwaige Auswirkungen auf den Zollwert gelieferter Waren einzubeziehen.
Eine weitere Herausforderung durch Verlustsituationen kann sich auch im Hinblick auf die Durchführung von Vergleichbarkeitsanalysen ergeben. Die veränderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können einen maßgeblichen Einfluss auf die Ergebnisse unabhängiger Vergleichsunternehmen haben und die Verlässlichkeit von Vergangenheitsdaten für Vergleichbarkeitsanalysen einschränken. Auch dies gilt es gegebenenfalls durch Mehrjahresanalysen oder Anpassungsrechnungen zu berücksichtigen.
In der aktuellen wirtschaftlichen Situation können insbesondere Marktrisiken durch einen Nachfragerückgang aufgrund gestiegener Preise, operationelle Risiken aufgrund von Unterbrechungen in der Lieferkette sowie finanzielle Risiken durch gestiegene Zinsen und Zahlungsausfälle von Kunden zu Verlusten führen. Die Zuordnung daraus resultierender Verluste zu Routineunternehmen ist nur in Ausnahmefällen möglich und vom tatsächlich realisierten Funktions- und Risikoprofil des Routineunternehmens abhängig.