Dieser Beitrag ist Teil 1 einer dreiteiligen Blog-Reihe zum Thema: „Wirtschaft in der Krise – Maßnahmen aus Verrechnungspreissicht“. Hier lesen Sie Beitrag 2 und Beitrag 3

Hintergrund

Die angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland und die Einführung bzw. Erhöhung von Zöllen in den USA, mit entsprechenden Gegenmaßnahmen weltweit, führen dazu, dass deutsche Unternehmen aktuell verstärkt die Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland prüfen. Aus steuerlicher Sicht sind dabei die Regelungen zur Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3b AStG zu beachten, die im Jahr 2022 nochmals verschärft wurden.

Gesetzliche Regelung

Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ganz oder teilweise übertragen oder überlassen wird. Das übernehmende Unternehmen muss dadurch diese Funktion (neu) ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten können.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sind in der Regel die gesamten Gewinne aus der Funktion über einen unendlichen Kapitalisierungszeitraum in Deutschland zu versteuern (Transferpaketbewertung). Die damit verbundenen komplexen Bewertungs- und Dokumentationsvorschriften und die steuerlichen Folgen sind in der Kalkulation der betriebswirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit einer Verlagerung zu berücksichtigen.

Escape-Klausel

Zur Vermeidung der steuerlichen Folgen einer Funktionsverlagerung besteht die Option, lediglich Routineaktivitäten ins Ausland zu verlagern. Die wesentliche Wertschöpfung findet dadurch weiterhin in Deutschland statt. Um beispielsweise Importzölle in den USA zu vermeiden, kann es für manche Unternehmen eine Option sein, ausschließlich (Routine-)Produktionsaktivitäten in die USA zu verlagern. Die Produktionsfunktion wird in diesem Fall als Dienstleistung für das inländische Unternehmen ausgeübt und mit der Kostenaufschlagsmethode vergütet. Nach § 1 Abs. 3b Satz 2 und 3 AStG fällt diese Strukturierung nicht unter die Transferpaketbesteuerung des § 1 Abs. 3b Satz 1 AStG. Bei dieser Option ist darauf zu achten, dass es in den Folgejahren durch eine sukzessive Ausweitung von Funktionen, Zuständigkeiten und Befugnissen nicht zu einer schleichenden Funktionsverlagerung kommt. Geschäftsvorfälle, die innerhalb von fünf Jahren verwirklicht werden, sind dabei für die Beurteilung einer Funktionsverlagerung zusammenzufassen.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ausschließlich neue Geschäftsfelder und Funktionen im Ausland aufzubauen oder Erweiterungsinvestitionen im Ausland zu tätigen, um günstigere Standortbedingungen im Ausland (z. B. Strompreise, KI-Förderung, Arbeitskräfteangebot) nutzen zu können. Weder der Aufbau einer neuen Funktion noch die Erweiterung einer bestehenden Funktion im Ausland, ohne entsprechende Einschränkung im Inland (Funktionsverdopplung), führen zu den steuerlichen Folgen einer Funktionsverlagerung. Häufig werden dabei jedoch immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen, die fremdüblich zu vergüten sind. Hierzu zählen neben Dachmarken der Unternehmensgruppe auch Patente und Produktions-Know-how, die die Grundlage für weiterführende Entwicklungen in anderen Geschäftsfeldern bilden und für diese Entwicklungen zur Nutzung überlassen werden. In diesen Fällen ist eine detaillierte Analyse des Sachverhalts erforderlich, um die betroffenen Funktionen, ggf. überlassene Wirtschaftsgüter und sonstige Vorteile steuerlich abzugrenzen.

Preisanpassungsklausel

Die aktuell unsichere wirtschaftliche Lage in Deutschland und die weiteren Entwicklungen in der Zollpolitik der USA spiegeln sich auch in der Bewertung einzelner immaterieller Wirtschaftsgüter bzw. des gesamten Transferpakets wider. Dadurch besteht das Risiko, dass bei einer Abweichung innerhalb von sieben Jahren von mehr als 20 % des Verrechnungspreises unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gewinne vom ursprünglichen Verrechnungspreis die entsprechende Differenz von der Finanzverwaltung korrigiert wird (§ 1a AStG). Um dieses Risiko zu reduzieren, ist zu empfehlen, eine eigene fremdübliche Anpassungsregelung über den Verrechnungspreis der immateriellen Wirtschaftsgüter bzw. des Transferpakets zu treffen.

Umsatzsteuerliche Implikationen

Die Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland bzw. der Aufbau neuer Funktionen im Ausland führt nicht selten zu Änderungen in den Lieferketten für die Beschaffung und/oder den Vertrieb von Produkten des Unternehmens sowie zur Begründung neuer konzerninterner Leistungsbeziehungen. Damit verbunden sind oftmals auch umsatzsteuerliche Auswirkungen, beispielsweise die Begründung umsatzsteuerlicher Registrierungspflichten im Ausland sowie Anpassungsbedarf bei der Rechnungsstellung. Daneben können sich zollrechtliche Folgen ergeben, welche es insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Unsicherheiten bzgl. der Zollpolitik verschiedener Staaten zu berücksichtigen gilt.

Fazit

Bei der Beurteilung einer möglichen Verlagerung von Aktivitäten ins Ausland sollten frühzeitig auch die steuerlichen Auswirkungen sowie potenzielle Handlungsoptionen berücksichtigt werden. Die aktuellen handelspolitischen Rahmenbedingungen und damit verbundene Unsicherheiten machen deutlich, dass im Rahmen einer Planung immer auch Ausweichmöglichkeiten zur Re-Organisation berücksichtigt werden sollten.