Was sich im neuen Jahr bei der steuerlichen Betriebsprüfung ändert

Der vorliegende Beitrag ist zunächst als Gastbeitrag auf FAZ-Einspruch am 31. Dezember 2024 veröffentlicht worden.
Ab dem 1. Januar 2025 gelten in Deutschland neue Vorschriften zur steuerlichen Betriebsprüfung. Die Neuregelungen sollen das Verfahren vor allem beschleunigen. Das müssen Steuerpflichtige jetzt beachten.
Der Gesetzgeber hat sich vorgenommen, steuerliche Betriebsprüfungen zu modernisieren und zu beschleunigen. Das zugrundeliegende Gesetz ist bereits seit dem 1. Januar 2023 in Kraft. Einzelne, wichtige Vorschriften gelten jedoch erstmalig für nach dem 31. Dezember 2024 entstehende Steuern und für vorher entstandene Steuern, sofern für diese nach dem 31. Dezember 2024 eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wird. Mit dieser Regelungstechnik gelten im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung ab dem 1. Januar 2025 erstmals zahlreiche neue Vorschriften.
Die steuerliche Betriebsprüfung ist ein Verfahren, das der Sicherung einer vollständigen und richtigen Besteuerung dient. Geprüft werden Betriebe und Freiberufler, unter Umständen aber auch (zum Beispiel vermögende) Privatpersonen. Von den 8.409.661 erfassten Betrieben wurden im Jahr 2023 insgesamt 146.516 Betriebe geprüft. Während die Prüfungsquote über alle Betriebe hinweg bei „mageren“ 1,7 Prozent lag, betrug sie bei Großunternehmen immerhin 17,8 Prozent. Dabei wurde ein Mehrergebnis von insgesamt rund 13,2 Milliarden Euro erzielt, wovon 10,2 Milliarden Euro auf die Prüfung von Großbetrieben entfielen. Den größten Anteil am Mehrergebnis insgesamt haben die Körperschaftsteuer mit 3,5 Milliarden Euro und die Gewerbesteuer mit 3,2 Milliarden.
In Deutschland dauern Betriebsprüfungen im internationalen Vergleich (zu) lange und binden sowohl bei den Finanzbehörden als auch den Betrieben zahlreiche Ressourcen. Nach einer Anfang Februar 2024 veröffentlichten Verbandsumfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie dauerte die Betriebsprüfung in nur weniger als 10 Prozent der Fälle bis zu einem Jahr. Bei über 50 Prozent der Fälle dauerte die Betriebsprüfung dagegen mehr als drei Jahre. In rund 20 Prozent der Fälle sogar mehr als fünf Jahre. In anderen europäischen Ländern ist der Prüfungszeitraum deutlich kürzer: in Frankreich sind ein bis zwei Jahre, in Ungarn und den Niederlanden ein bis anderthalb Jahre und auch in Italien erfahrungsgemäß zwei bis drei Jahre üblich.
Die Neuregelungen sollen hieran etwas ändern: Betriebsprüfungen sollen künftig früher begonnen und abgeschlossen werden. Im Vordergrund steht die Kooperation zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen. Prüfer und Steuerpflichtige sollen gleichermaßen in die Pflicht genommen werden. Eine wesentliche Beschleunigung bei der Durchführung und dem Abschluss von steuerlichen Betriebsprüfungen will der Gesetzgeber durch die Einführung einer zeitlichen Obergrenze erreichen.
Dazu folgendes Beispiel: Gibt der Steuerpflichtige seine Steuerklärung für das Jahr 2025, weil steuerlich beraten, Ende Februar 2027 ab und ergeht der Steuerbescheid, der auf der abgegebenen Steuererklärung beruht, Mitte Mai 2027, „soll“ die Prüfungsanordnung nach der Neuregelung (§ 197 Abs. 5 Satz 1 AO) bis Ende 2028 erlassen werden. Das Gesetz gibt nun faktisch eine konkrete Frist von fünf Jahren vor, innerhalb derer die Prüfung beendet sein muss, weil die Ergebnisse ansonsten aufgrund eingetretener Verjährung nicht mehr umgesetzt werden können (§ 171 Abs. 4 Satz 3 AO). Wird die Prüfungsanordnung also im Jahr 2028 erlassen, müssen die Prüfungsergebnisse grundsätzlich spätestens bis Ablauf des Jahres 2033 Eingang in die betreffenden Steuerbescheide gefunden haben. Damit liegen zwischen dem zu prüfenden Veranlagungsjahr (2025) und dem „spätesten“ Abschluss der Betriebsprüfung (2033) noch immer acht Jahre.
Im Hinblick auf die statistisch belegte Prüfungsdauer dürfte die vorgesehene zeitliche Obergrenze den status quo wohl nur geringfügig beeinflussen. Von einer wesentlichen Beschleunigung kann daher auch nur eingeschränkt die Rede sein.
Daneben bieten die Neuerungen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde aber auch einige interessante Möglichkeiten. Will der Steuerpflichtige die Durchführung der Betriebsprüfung proaktiv beschleunigen, kann er von weiteren, neu eingeführten Kooperationselementen Gebrauch machen.
So besteht künftig die Möglichkeit, einen sogenannten Teilabschlussbescheid (§ 180 Abs. 1a AO) zu erlassen. Prüfungsfeststellungen konnten bislang mit Rechtsbehelfen angegriffen werden, wenn die Betriebsprüfung vollständig abgeschlossen und die getroffenen Feststellungen in Steuerbescheiden umgesetzt waren. Durch den Teilabschlussbescheid kann die Finanzbehörde nun während der noch laufenden Prüfung einen Bescheid erlassen, in dem bereits geprüfte Sachverhalte vorab verbindlich beschieden werden. So kann der Steuerpflichtige bereits frühzeitig Rechtssicherheit erlangen; und das sogar mit der Option auf eine verbindliche Zusage, wie der Sachverhalt in Zukunft steuerlich behandelt wird (§ 204 Abs. 2 AO).
Ist der Steuerpflichtige mit den Feststellungen nicht einverstanden, kann er bereits diesen Bescheid im Rechtsbehelfsverfahren überprüfen lassen. In jedem Fall ermöglicht der Teilabschlussbescheid ein „abgeschichtetes“ Arbeiten sowohl für die Finanzbehörde als auch die Steuerpflichtigen, sodass von dieser Neuerung Gebrauch gemacht werden sollte. Es bleibt indes abzuwarten, wie das Instrument des bislang unbekannten Teilabschlussbescheids in der finanzbehördlichen Praxis dann tatsächlich gehandhabt wird.
Beschleunigend kann auch die Vereinbarung von Rahmenbedingungen für die Mitwirkung des Steuerpflichtigen (§ 199 Abs. 2 Satz 3 AO) wirken. So können der Steuerpflichtige und die Finanzbehörde zum Beispiel Fristen zur Vorlage wichtiger Unterlagen vereinbaren oder einen gemeinsamen Prüfungsplan festlegen. Der Betriebsprüfungsablauf kann besser geplant und organisiert werden. Erfüllt der Steuerpflichtige die vereinbarten Rahmenbedingungen, kann gegen ihn nicht das neu eingeführte Sanktionsinstrument, das sogenannte qualifizierte Mitwirkungsverlangen, verhängt werden.
Zwar will der Gesetzgeber die Kooperation zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen stärken; doch das Vertrauen in die Kooperation war dann doch nicht so stark ausgeprägt, die Verfahrensbeschleunigung ohne die Einführung eines neuen Sanktionsinstruments und einer Erweiterung der Anzeige- und Berichtigungspflichten zu wagen.
Mit dem neuen qualifizierten Mitwirkungsverlangen (§ 200a AO) will der Gesetzgeber sicherstellen, dass Steuerpflichtige ihren Mitwirkungspflichten auch tatsächlich nachkommen. Der Kern des Sanktionsinstruments besteht darin, dass der Steuerpflichtige nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung mittels Verwaltungsakt zur Mitwirkung aufgefordert werden kann. Kommt der Steuerpflichtige dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen innerhalb eines Monats nicht oder nicht hinreichend nach, ist ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt 75 Euro für jeden vollen Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung und darf für höchstens 150 Tage festgesetzt werden, das heißt der Höchstbetrag liegt bei 11.250 Euro.
Als weitere, gravierende Sanktion kann gegen den Steuerpflichtigen unter bestimmten Umständen ein Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt werden. Der Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt 25.000 Euro für jeden vollen Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung und darf ebenfalls für höchstens 150 Tage festgesetzt werden. Der Höchstbetrag liegt hier also bei 3,75 Millionen Euro.
Neu ist zudem die Erweiterung der Anzeige- und Berichtigungspflicht (§ 153 Abs. 4 AO). Der Steuerpflichtige muss eine abgegebene Steuererklärung berichtigen, wenn die Prüfungsfeststellungen unanfechtbar umgesetzt worden sind und der diesen Feststellungen zugrundeliegende Sachverhalt auch in einer anderen vom oder für den Steuerpflichtigen abgegebenen Steuererklärung – die allerdings nicht Gegenstand der Betriebsprüfung war – zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt. Unter diese Änderungspflicht können daher andere nicht geprüfte Steuerarten oder Feststellungen fallen. Die Erweiterung der Anzeige- und Berichtigungspflicht bringt für den Steuerpflichtigen ein erhebliches steuerstrafrechtliches Risiko mit sich. Unterlässt er bewusst die Berichtigung, stellt dies eine Steuerhinterziehung dar.
Die Änderungen zur Beschleunigung der Betriebsprüfung stellen zwar eine Verbesserung zum status quo dar; dem Standortnachteil im Hinblick auf die Betriebsprüfungsdauer im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wird entgegengewirkt, behoben wird er aber wohl (noch) nicht. Dennoch sollten Steuerpflichtige die Chancen der gesetzlichen Neuregelungen nutzen. Gerade der Teilabschlussbescheid ermöglicht eine frühzeitige Abschichtung von übereinstimmenden oder konträren Auffassungen mit der Betriebsprüfung. Auch die Vereinbarung von Rahmenbedingungen zu einer frühzeitigeren Planung und Strukturierung des Prüfungsablaufs kann zu einer Beschleunigung beitragen. Es wird mit Spannung zu beobachten sein, ob und wie die Neuregelungen die Praxis der steuerlichen Betriebsprüfung zukünftig beeinflussen werden.