Der EU-Rat hat nach fast zwei Jahren eine Einigung über das Gesetzespaket „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ erzielt. Damit ist der Weg für die europaweite Änderung des Umsatzsteuerrechts geebnet. Das Paket soll den digitalen Wandel berücksichtigen und ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der EU sein. Im Konkreten sieht das Paket fünf Artikel vor, die es aber in sich haben:

Einführung der E-Rechnung den Mitgliedstaaten gestattet

Die elektronische Rechnungsstellung soll künftig Standard sein. Hierfür wird die E-Rechnung grundsätzlich verpflichtend gemacht. Im Gegensatz zum ursprünglichen Entwurf können Mitgliedstaaten - unter von ihnen festzulegenden Bedingungen - die Pflicht für E-Rechnungen in ihrem Gebiet bereits direkt nach Inkrafttreten des ViDA-Pakets einführen. In Deutschland wird die E-Rechnung zum 1. Januar 2025 eingeführt, worauf wir bereits hier und hier hingewiesen haben.

Fingierte Lieferkette auch bei B2B-Geschäften

Die bereits in Bezug auf B2C anwendbare Lieferkettenfiktion für Verkäufe über Online-Handelsplattformen (in Deutschland § 3 Abs. 3a UStG) wird auch auf B2B-Umsätze erweitert (steuerpflichtige und nichtsteuerpflichtige juristische Personen). Diese Änderung gilt spätestens ab dem 1. Januar 2027.

Fingierte Lieferkette nun auch bei Dienstleistungen der Kurzzeitvermietung & Personenbeförderungen

Neben den Online-Handelsplattformen trifft es aber auch die Online-Plattformen für Kurzzeitvermietung (max. 30 Nächte, z.B. Airbnb) und Personenbeförderung (z.B. Uber). Auch hier wird in Zukunft eine Leistungskettenfiktion gelten, also die Plattformen so behandelt werden, als wäre die Leistung direkt an sie erbracht und von der Plattform an die Endkunden. Damit besteht eine Fiktion einer Leistungskette von bspw. dem Taxifahrer an die Plattform, die wiederum an den Endkunden (fiktiv) leistet.

Derzeit zahlen viele Online-Anbieter von Kurzzeitvermietung von Unterkünften und von Personenbeförderung keine Umsatzsteuer. Dies führt dazu, dass große Mengen an Umsatzsteuer nicht erhoben werden und dass mitunter ein unfairer Wettbewerb zwischen herkömmlichen Beherbergungs- und Beförderungsanbietern und jenen, die über Plattformen tätig sind, besteht. Durch die Fiktion der Lieferkette werden die Plattformen nun verpflichtet, die Umsatzsteuer direkt beim Kunden zu erheben und an die Steuerbehörden abzuführen.

Diese Regelung war politisch umstritten und kann frühestens ab dem 1. Juli 2028, spätestens ab dem 1. Januar 2030 angewandt werden, wobei die Mitgliedstaaten Ausnahmen (bspw. für Kleinunternehmer) definieren können. Diese Regelung gilt nicht für Reisebüros.

Einführung einer einheitlichen Mehrwertsteuerregistrierung

Zudem wird die One-Stop-Shop-Regelung (OSS) erweitert. Um die Notwendigkeit einer mehrfachen Mehrwertsteuerregistrierung weiter zu verringern, wurden zusätzliche Maßnahmen zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der sog. einzigen Anlaufstelle vorgenommen, wonach nur eine einzige Mehrwertsteuerregistrierung in der Union erforderlich sein soll. Dem Ziel einer einzigen Mehrwertsteuerregistrierung in der Union dienen auch die Vorschriften für die verbindliche Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für die Mitgliedstaaten. Hierzu besteht derzeit noch ein weitläufiges Wahlrecht der Mitgliedstaaten, das nunmehr eingegrenzt wird. Die Regelungen treten schrittweise zum 1. Januar 2027 und zum 01. Juli 2028 in Kraft.

Entfall der Konsignationslagerregelung

Da die OSS-Vereinfachungsregelung für unternehmensinterne Verbringungen von Gegenständen umfassend ist und grenzüberschreitende Beförderungen von Waren einschließt, ist es folgerichtig, die ohnehin eher unpraktikablen Konsignationslagerregelungen schrittweise abzuschaffen. Als Enddatum wurde der 30. Juni 2028 festgelegt, nach dem keine neuen Konsignationslagerregelungen mehr angewandt werden können. Da eine 12-Monats-Frist für die Übertragung des Eigentums an diesen Gegenständen auf den vorgesehenen Käufer gilt, tritt die Regelung damit faktisch zum 30. Juni 2029 außer Kraft.

Einführung der E-Rechnung und digitale Meldepflicht

Um die Steuererhebung bei grenzüberschreitenden Umsätzen zu verbessern (insb. Betrugsbekämpfung) und die bestehende Fragmentierung, die sich aus den unterschiedlichen Meldesystemen in den Mitgliedstaaten ergibt, zu beenden, wurden Unionsvorschriften für die digitalen Meldepflichten festgelegt. Derzeit werden Unternehmen alle paar Monate aufgefordert, ihren nationalen Steuerbehörden Zusammenfassende Meldungen der Gegenstände und Dienstleistungen zu übermitteln, die sie an Unternehmen in anderen EU-Mitgliedstaaten, die dort steuerpflichtig sind, verkauft haben. Dies schafft eine Lücke für Betrüger: Sie können die Schwierigkeiten ausnutzen, die die Behörden dabei haben, verdächtige oder betrügerische Transaktionen rasch aufzudecken, da die Daten unvollständig und nicht in Echtzeit verfügbar sind. Daher soll nun ein digitales Echtzeit-Meldesystem für Umsatzsteuerzwecke mittels elektronischer Rechnungen eingerichtet werden. Die E-Rechnung ist damit Ausgangspunkt für das digitale Reporting.

Grundsätzlich entfalten die Regelungen Wirkung am 1. Juli 2030, die nationalen Systeme der Meldepflicht müssen dagegen bis spätestens 2035 interoperabel ausgestaltet werden.

Zur Bewertung der Wirksamkeit der digitalen Meldepflichten wird die Kommission einen Bericht erstellen, in dem die Auswirkungen der elektronischen Rechnungsstellung sowie der EU-internen und der nationalen digitalen Meldepflichten auf die Wirksamkeit der Mehrwertsteuererhebung, die Verringerung der Mehrwertsteuerlücke und die Umsetzungs- und Befolgungskosten für Steuerpflichtige und Steuerverwaltungen bewertet werden.

Zusammenfassung

Insgesamt gibt es also sehr spannende Änderungen, die die Digitalisierung in der EU hoffentlich einen großen Schritt weiterbringen werden. In jedem Fall werden sich zahlreiche neue Rechtsfragen stellen. Neben der rechtlichen wird auch die technische Umsetzung eine große Herausforderung.

In unserem Jahresendseminar werden wir vertieft auf diese Änderungen eingehen.