Mit Urteil vom 3. Juli 2024 (I R 4/21) entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass für die Prüfung einer aktiven Tätigkeit ausländischer Betriebsstätten die eingeschränkten Merkmale des § 8 Abs. 1 AStG (Außensteuergesetz) gelten. Eine drohende Konsequenz daraus ist, dass die DBA-Steuerfreistellung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte bei schädlicher Mitwirkung des inländischen Steuerpflichtigen versagt werden.

Hintergrund

Die überwiegende Zahl der „neueren“ deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) stellt die Freistellungsmethode für Betriebsstätteneinkünfte unter den Vorbehalt, dass diese einer aktiven Tätigkeit nachgeht (sog. Aktivitätsvorbehalte). Dies erfolgt teilweise über einen Verweis auf den § 8 Abs. 1 Nr. 1-6 AStG, teilweise definieren einzelne DBA auch eigenständig die aktive Tätigkeit. Sofern die Einkünfte aus passiver Tätigkeit stammen, wird die DBA-Freistellungsmethode durch die -Anrechnungsmethode ersetzt (switch-over).

Bleibt es DBA-rechtlich bei der Freistellungsmethode (mit/ohne Aktivitätsvorbehalt), sieht § 20 Abs. 2 AStG im Wege eines sog. Treaty-Override einen entsprechenden Aktivitätsvorbehalt vor. Vereinfacht gesagt ist für eine DBA-Freistellung demnach häufig eine aktive Tätigkeit i.S.v. § 8 Abs. 1 AStG erforderlich.

In Bezug auf den Aktivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG ist jedoch zu berücksichtigen, dass insbesondere für Handels-, Dienstleistungs- sowie Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten eine aktive Tätigkeit nur dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige nicht in die nämliche Tätigkeit eingebunden ist (sog. schädliche Mitwirkung).

Nicht abschließend geklärt war bisweilen, ob der einschränkende Tatbestand der Mitwirkung nur für ausländische Gesellschaften im Rahmen der sog. Hinzurechnungsbesteuerung maßgebend ist oder auch für Betriebsstättenkonstellationen.

Sachverhalt

Im Streitfall ging es um eine im Inland ansässige GmbH, die Beratungsdienstleistungen in Russland und Rumänien anbot. Gesellschafter der GmbH waren A zu 95% und B zu 5%. Für die Beratungstätigkeit nutzte die GmbH Geschäftsräume in Russland und Rumänien, die mithin als Betriebsstätten qualifizierten. In den Geschäftsräumen war eigenes Personal und auch der beherrschende Gesellschafter A tätig.

Die GmbH erklärte für das Streitjahr 2004 Einkünfte aus diesen Betriebsstätten, die nach den jeweiligen DBA freizustellen seien. Das Finanzamt versagte hingegen die DBA-Freistellung mit der Begründung, dass die Einkünfte nicht aus aktiven Dienstleistungen im Sinne des AStG stammten, weil das Stammhaus an der Betriebsstättentätigkeit mitwirkte. Das sächsische Finanzgericht folgte der Auffassung des Finanzamts.

Entscheidungsgründe

Der BFH bestätigte die Entscheidung des sächsischen Finanzgerichts.

Insbesondere führte der BFH aus, dass vorliegend keine aktiven Dienstleistungen vorlagen, da die Beratungstätigkeiten unter der Mitwirkung von A als beherrschenden Gesellschafter erbracht wurden – demnach eine schädliche Mitwirkung nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG vorläge.

Die einschlägige DBA-Verweisung auf den Aktivkatalog des AStG sei nach Ansicht des BFH so umfassend, dass auch die diversen Einschränkungen mit zu berücksichtigen seien. Auch wenn Betriebsstätten rechtlich keine eigenständigen (Zwischen-)Gesellschaften darstellten, sei es denklogisch klar, dass diese für die Systematik der Aktivitätsvorbehalte als solche behandelt und die Mitwirkungsregelungen ebenso Geltung entfalten müssten.

Abschließend wies der BFH darauf hin, dass für den Fall einer DBA-rechtlichen Aktivitätsklausel weder eine Aufteilung der Einkünfte erfolgen noch die in § 20 Abs. 2 Satz 2 gefasste (Rück-)Ausnahme (Erhalt der DBA-Freistellung) für den sog. Bedienenstatbestand eingreifen kann.

Praxisfolgen

Mit vorliegendem Urteil schränkt der BFH den Anwendungsbereich der DBA-Freistellungsmethode weiter ein – jedenfalls vor dem Hintergrund, dass die Finanzverwaltung im Rahmen des aktuellen AStG-Anwendungserlasses vom 22.12.2023 ein sehr weitreichendes Verständnis zur schädlichen Mitwirkung vertritt; der exemplarische Ausnahmekatalog ist eng gehalten.

In der Praxis sollten bestehende Betriebsstättenstrukturen daher sorgfältig auf entsprechende Mitwirkungshandlungen überprüft und Prozesse, soweit möglich, umgestellt werden. Dies sollte dann im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse nach § 1 Abs. 2 BsGaV entsprechend dokumentiert werden.

Die Entscheidung betrifft auch keine Sonderkonstellation, sondern kann für nahezu jede DBA-Sachverhalte relevant sein. Der Grund dafür ist, dass die überwiegende Zahl der deutschen DBA entsprechende Aktivitätsvorbehalte mit Verweis auf den AStG-Aktivkatalog enthalten. Andernfalls wird häufig eine Aktivitätsprüfung über die Umschaltklausel des § 20 Abs. 2 AStG erforderlich sein, die auf den AStG-Aktivkatalog verweist. Im Unterschied zu den DBA-Aktivitätsklauseln kommt es insofern aber auch auf das Steuerniveau der ausländischen Betriebsstätte an.

Rechtsfolgenseitig ist stets eine Einzelfallprüfung erforderlich, weil im Gegensatz zur Umschaltklausel des § 20 Abs. 2 AStG nur vereinzelte DBA den Wechsel zur Anrechnungsmethode lediglich für Teile des Betriebsstättengewinns anordnen (bspw. DBA-Schweiz vgl. BFH-Urteil vom 1.4.2003 (I R 31/02)). Anderenfalls – wie im vorliegenden Fall – kann bereits eine geringfügige oder nur teilweise Mitwirkung des Steuerpflichtigen den gesamten Betriebsstättengewinn passiv infizieren (Alles-oder-Nichts-Prinzip).

Problematisch für die Praxis ist darüber hinaus eine drohende Überbesteuerung bei Eingreifen der Anrechnungsmethode: So kann eine ausländische Steuer derzeit zwar auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer, nicht aber auf die Gewerbesteuer angerechnet werden. Lediglich für EU-Fälle ist gewerbesteuerlich eine sog. Escape-Regelung vorgesehen.

Schließlich ist noch zu erwähnen, dass die vorliegende Entscheidung nicht nur klassische Betriebsstättenstrukturen, sondern auch Outboundinvestitionen betreffen, die aus deutsch-steuerlicher Sicht über transparente (Personen-)Gesellschaften strukturiert sind. Diese werden (stark vereinfacht) ertragsteuerlich grundsätzlich Betriebsstättenstrukturen gleichgestellt.

Im Ergebnis dürfte durch die vorliegende BFH-Entscheidung für eine Vielzahl von ausländischen Betriebsstättenstrukturen ein nicht unerhebliches Risiko bestehen, dass für diese eine DBA-Freistellung versagt wird. Struktur- und Funktionsanpassungen dürften zwingend vorprogrammiert sein.