Update UK: Britische Finanzverwaltung veröffentlicht Reformvorschläge betreffend Verrechnungspreise, Betriebsstätten und die Besteuerung von Gewinnverlagerungen (Teil 1)

Die britische Finanzverwaltung (HMRC) hat am 28. April 2025 einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, der eine Reform von Verrechnungspreisen, der Betriebsstättenbesteuerung bzw. -gewinnabgrenzung sowie der Besteuerung verlagerter Gewinne vorsieht. Der Gesetzesentwurf knüpft an Vorschläge aus einer Konsultation aus dem Jahr 2023 an. Zugleich hat der HMRC eine neue Konsultation veröffentlicht, die Vorschläge zur Anpassung der Ausnahme-Regelung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von den Verrechnungspreisdokumentationspflichten beinhaltet. Die Konsultation endet am 7. Juli 2025.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Transaktionen zwischen britischen Unternehmen (d. h. rein innerstaatliche Transaktionen) grundsätzlich von den Dokumentationsvorschriften ausgenommen werden. Ausnahmen sind nur in solchen Fällen vorgesehen, in denen (Steuer-)Arbitragesituationen drohen. Die geplante Abschaffung der Dokumentationspflicht für rein innerstaatliche Transaktionen sollte den Dokumentationsaufwand reduzieren. Ferner würde dies eine Angleichung an die internationale (Dokumentations-)Praxis bewirken. Schließlich ist es auch nach Maßgabe der OECD lediglich erforderlich, „[…] Informationen für die Verrechnungspreisanalyse im Zusammenhang mit Geschäftsvorfällen zwischen einem inländischen Konzernunternehmen und verbundenen Unternehmen in anderen Staaten […]“ zu dokumentieren (OECD Verrechnungspreisleitlinien 2022, Tz. 5.22). Nach deutscher Rechtslage gelten gem. § 90 Abs. 3 AO i.V.m. § 1 Abs. 4 AStG i.V.m. § 4 GAufzV ebenfalls nur für grenzüberschreitende Sachverhalte die (erweiterten) Mitwirkungs- bzw. Dokumentationspflichten.
Überdies sieht der Gesetzesentwurf Änderungen bei der Verrechnung von Finanzgarantien vor. Während nach derzeitiger Rechtslage „Finanzgarantien“ wenig trennscharf definiert werden – so dass auch eine implizite Unterstützung einer Konzerngesellschaft (bspw. der Konzernrückhalt) hierunter zu subsumieren und entsprechend zu verrechnen wäre – sollen die Anforderungen an eine Verrechenbarkeit nun konkretisiert werden. Demnach soll ein Entgelt für eine Finanzgarantie nur in den Fällen zu entrichten sein, in denen diese einen Nutzen für den Empfänger bewirkt, der über eine rein implizite Unterstützung (d. h. über den bloßen Konzernrückhalt) hinaus geht. Diese „Klarstellung“ steht im Einklang mit den Ausführungen der OECD und ist folglich sachgerecht (vgl. OECD Verrechnungspreisleitlinien 2022, Tz. 10.160). Dies deckt sich auch mit dem Verständnis der deutschen Finanzverwaltung, wonach ein Verrechnungspreis für Finanzgarantien nur dann anzusetzen ist, wenn der Garantiegeber eine tatsächliche Risikoposition eingeht (vgl. Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2024, Tz. 3.150).
Die Befreiung von Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) von den allgemeinen Dokumentationspflichten gilt bislang für Unternehmen, die bestimmte Schwellenwerte hinsichtlich der Mitarbeiterzahl, dem Jahresumsatz und der Bilanzsumme erfüllen. Kleine Unternehmen haben demzufolge:
Grundsätzlich soll an diesem Konzept festgehalten werden. Änderungen sind zum einen dahingehend geplant, dass künftig am britischen Pfund als Währung angeknüpft wird. Erleichterungen sollen überdies im Hinblick auf die (erstmalige) Überschreitung der Größenkriterien eintreten. Während bislang Unternehmen nach einmaligem Überschreiten der Größenkriterien bereits im Folgejahr von den allgemeinen Dokumentationspflichten erfasst sind, soll dies zukünftig erst beim Überschreiten in zwei aufeinanderfolgenden Zeiträumen (d.h. ab dem dritten Jahr) gelten.
Im Vergleich zu den in Deutschland geltenden Erleichterungen für kleine Unternehmen fallen die britischen Regelungen bereits großzügig aus. Schließlich sind gem. § 90 Abs. 3 AO i.V.m. § 6 GAufzV inländische Unternehmen von der Dokumentationspflicht nur dann befreit, wenn deren (i) Umsätze mit nahestehenden Personen nicht sechs Millionen Euro und die Summe der Vergütungen für andere Leistungen mit nahestehenden Personen nicht 600.000 Euro übersteigen. Zudem gelten in Deutschland bereits die allgemeinen Dokumentationspflichten ab dem erstmaligen Überschreiten der (Größen-)Kriterien.
Die Grundidee, Verrechnungspreisvorschriften zu vereinfachen und an dem internationalen Standard anzupassen, ist nachvollziehbar und sollte Rechtssicherheit für Steuerpflichtige schaffen. Schließlich sind Verrechnungspreise regelmäßig (Haupt-)Streitpunkt in Betriebsprüfungen. Dabei kommt der Verrechnungspreisdokumentation eine besondere Bedeutung zu. Im Rahmen der Angemessenheitsdokumentation ist nämlich das ernsthafte „Bemühen“, Verrechnungspreise im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz bestimmt zu haben, zu dokumentieren. Insoweit ist es naheliegend, dass nach dem britischen Gesetzesentwurf rein innerstaatliche Transaktionen nicht mehr zu dokumentieren sind. I.d.R. sollte es hier bereits an der Möglichkeit mangeln, über fremdunübliche (Verrechnungs-)Preise, Gewinne in das (niedrig besteuerte) Ausland zu verlagern. Ferner sollte dies dazu beitragen, die (regelmäßig sehr umfangreiche) Dokumentation etwas übersichtlicher zu halten und den Fokus auf „relevante“ Transaktionen zu setzen.
Die Vorschläge der HMRC, die Ausnahmeregelung für Dokumentationsbefreiungen für KMU anzupassen, sollte dem Grunde nach zwar eine Erleichterung darstellen; diese sollte aber wohl nur wenigen Unternehmen zugutekommen, die ohnehin um die relevanten Schwellenwerte schwanken.
Dieser Beitrag ist Teil 1 einer zweiteiligen Blog-Reihe zum Thema „Update UK: Britische Finanzverwaltung veröffentlicht Reformvorschläge betreffend Verrechnungspreise, Betriebsstätten und die Besteuerung von Gewinnverlagerungen“. Teil 2 lesen Sie hier.