Der deutsche Gesetzgeber hätte die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht umsetzen müssen. Voraussichtlich wird das CSRD-Umsetzungsgesetz allerdings frühestens 2025 nach der Neuwahl des Bundestags verabschiedet werden. Dieser Blogbeitrag analysiert, wie es zu dieser Verzögerung kam und welche Folgen sich daraus ergeben könnten.
Welche Änderungen bewirkt die CSRD?
Die CSRD erweitert die bestehenden Verpflichtungen von Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich. Sie vergrößert den Kreis der verpflichteten Unternehmen, statuiert ein einheitliches Berichtsformat, vertieft die Prüfungspflichten bezüglich der Berichterstattung und weitet die Berichtspflichten inhaltlich aus. Die Einzelheiten der Berichterstattung werden dabei durch die umfangreichen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) geregelt, welche die Europäische Kommission am 31. Juli 2023 erlassen hat.
Warum wurde die CSRD noch nicht umgesetzt?
Das Bundesministerium für Justiz hat den Referentenentwurf zum CSRD-Umsetzungsgesetz am 22. März 2024 vorgelegt. Der Regierungsentwurf folgte am 24. Juli 2024. Das Bundesministerium für Justiz rechtfertigte die Verspätung unter anderem damit, dass es sich bei der CSRD um eine sehr umfangreiche und technisch komplexe Richtlinie handele. Dies ist nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl müssen bei der geplanten 1:1 Umsetzung keine inhaltlichen Entscheidungen getroffen werden. Darüber hinaus haben auch andere EU-Mitgliedsstaaten wie Frankreich gezeigt, dass eine fristgerechte Umsetzung möglich war.
Im parlamentarischen Verfahren wurde deutlich, wie kritisch viele Fraktionen die CSRD beurteilen. Ein Abgeordneter der CDU/CSU bezeichnete das Gesetz als „Bürokratiemonster“, das zu einer „Strangulierung der deutschen Wirtschaft“ führen würde. Ein Abgeordneter der FDP meinte, man müsse der „Regulierungswut der Kommission von Frau von der Leyen“ endlich Einhalt gebieten.
Laut dem Regierungsentwurf schaffen die neuen Berichtspflichten jährliche Bürokratiekosten in Höhe von 1,58 Milliarden Euro. Schätzungen zufolge würde in Deutschland die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen von rund 500 auf ca. 15.000 Unternehmen steigen.
Es scheint mittlerweile überwiegend Einigkeit in Wirtschaft und Politik darüber zu bestehen, dass der mit der CSRD verbundene Bürokratieaufwand deutlich verringert werden sollte. Die Situation wirkt frustrierend: Einerseits möchte der deutsche Gesetzgeber die Wirtschaft, die sich in einer historisch schwierigen Situation befindet, entlasten. Hierzu hat der Bundestag beispielsweise im Oktober 2024 das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz erlassen. Es soll für jährliche Entlastungen in Höhe von knapp einer Milliarde Euro sorgen. Gleichzeitig ist Deutschland nach EU-Recht verpflichtet, die CSRD umzusetzen, wodurch neue Bürokratiekosten entstehen.
Wie reagiert die EU?
Die EU-Kommission hat am 26. September 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Da die Umsetzung der CSRD immer noch aussteht, könnte die Kommission die nächste Stufe des Verfahrens eröffnen, indem sie eine begründete Stellungnahme abgibt und eine erneute Frist zur Umsetzung setzt. Danach wäre ein Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof möglich, das zu finanziellen Sanktionen führen könnte.
Momentan ist allerdings nur kaum vorstellbar, dass das Verfahren so weit voranschreiten würde. Ursula von der Leyen hat eingeräumt, dass der bürokratische Aufwand, den die CSRD verursacht, zu hoch sei und reduziert werden müsse. Dabei stellte sie die CSRD jedoch nicht grundlegend in Frage. Solange die Kommission den Umfang der Berichtspflichten selbst auf den Prüfstand stellt, dürften Sanktionen gegen Mitgliedsstaaten, welche die CSRD noch nicht umgesetzt haben, kaum sachgerecht sein.
Welche Folgen ergeben sich für Unternehmen?
Die CSRD sieht eine stufenweise Einführung der neuen Berichtspflichten vor. Bei fristgemäßer Umsetzung der CSRD wären 2025 zunächst diejenigen Unternehmen zur Berichterstattung über das Geschäftsjahr 2024 nach den neuen Maßstäben verpflichtet gewesen, die bereits nach der Vorgängerrichtlinie (der sogenannten „CSR-Richtlinie“) berichtspflichtig sind. Hierzu zählen börsennotierte Unternehmen, Finanzdienstleister und Versicherungen, die bestimmte Größenmerkmale erfüllen.
Sofern die CSRD erst 2025 umgesetzt wird, dürften für diese Unternehmen die bisherigen (in deutsches Recht umgesetzten) Regelungen der CSR-Richtlinie für die Berichterstattung über das Geschäftsjahr 2024 fortgelten. Eine rückwirkende Geltung der CSRD für das Geschäftsjahr 2024 ist aufgrund des im Verfassungsrecht verankerten Rückwirkungsverbots wohl nicht zu erwarten.
Sämtliche Unternehmen, die nach der CSRD verpflichtet sind, 2026 über das Geschäftsjahr 2025 zu berichten, sollten dagegen damit rechnen, dass sie diese Pflichten erfüllen müssen. Das Umsetzungsgesetz kann eine Berichtspflicht für das Geschäftsjahr 2025 statuieren, solange es 2025 in Kraft tritt. Dann würde es an einen Sachverhalt anknüpfen, der teilweise in der Vergangenheit liegt, aber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch nicht abgeschlossen ist. Eine solche „unechte“ Rückwirkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich zulässig.
Fazit
Die von der CSRD betroffenen Unternehmen sollten ihre Vorbereitungen für die Erfüllung der neuen Berichtspflichten weiter vorantreiben. Die Europäische Kommission dürfte die CSRD vorerst nicht grundsätzlich in Frage stellen. Gleichwohl kann und sollte sie durch eine Änderung der ESRS darauf hinwirken, dass sich der Umfang der Berichterstattung wesentlich reduziert. Mittelfristig wäre eine grundlegende Überarbeitung der CSRD wünschenswert.