Steuerliches Hinweisgebersystem in Niedersachsen gestartet
Am 22. April 2025 hat das Land Niedersachsen ein anonymes Hinweisgebersystem für Steuerdelikte eingeführt. Bürgerinnen und Bürger können darüber vertraulich steuerlich relevante Sachverhalte melden – ein Schritt, der die Finanzverwaltung moderner, effizienter und transparenter machen soll. Inspiration fand Niedersachsen offenbar beim bundesweit ersten Portal dieser Art, das bereits 2021 in Baden-Württemberg als Teil des Projekts „Finanzamt der Zukunft“ eingerichtet wurde. Ziel ist es, durch die digitale Weiterentwicklung der Steuerverwaltung Steuerbetrug besser verfolgen zu können und damit für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.
Zugleich ist zu beobachten, dass der Staat in zunehmendem Maße auf die Einbindung der Zivilgesellschaft zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten setzt – insbesondere durch die systematische Nutzung anonymer Hinweise. Diese Entwicklung lässt sich nicht nur im Bereich der Steuerverfolgung feststellen, sondern spiegelt sich auch in anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Rechts wider, in denen Hinweisgebersysteme eine wachsende Bedeutung erlangen. So sind Beschäftigungsgeber – insbesondere Unternehmen ab einer Größe von 50 Beschäftigten – mit dem Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG), das die europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1937 in nationales Recht umsetzt, nunmehr verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten, über die Beschäftigte etwaige Gesetzesverstöße melden können.
Das webbasierte Hinweisgebersystem der niedersächsischen Steuerverwaltung ermöglicht es, Hinweise auf Steuerverfehlungen niedrigschwellig durch digitale und anonyme Anzeige an die zuständigen Finanzämter zu übermitteln. Folgende Hinweise erbittet die Steuerverwaltung:
Über ein persönliches digitales Postfach kann ein anonymer Austausch mit der Steuerfahndung erfolgen – Rückfragen werden möglich, ohne dass die Identität des Hinweisgebers preisgegeben wird. Gerade hierdurch besteht auch die Gefahr des Missbrauchs: Die niedrige Schwelle kann dazu führen, dass das Portal nicht nur zur Aufklärung tatsächlicher Steuervergehen genutzt wird, sondern auch für missbräuchliche Denunziationen. Der potenzielle Missbrauch liegt dabei insbesondere in der Möglichkeit, mit geringem Aufwand, aber weitreichender Wirkung Verdachtsmomente zu streuen – ohne Rückbindung an die persönliche Verantwortlichkeit des Hinweisgebers. Dies wiegt umso schwerer, als die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aufgrund der niedrigen Schwelle des bloßen Anfangsverdachts regelmäßig sehr schnell erfolgt. Diese Gefahr scheint auch das Niedersächsische Finanzministerium erkannt zu haben. In den begleitenden Hinweisen zum Portal wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bewusst falsche Verdächtigungen strafbar sind und unter anderem den Straftatbeständen der §§ 145d, 164, 185 ff. StGB unterfallen können. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese strafrechtlichen Grenzen in der Praxis als hinreichendes Korrektiv fungieren können, um das System vor missbräuchlicher Inanspruchnahme zu schützen. Insbesondere vor dem Hintergrund der zugesicherten Anonymität der Hinweisgeber scheint dies jedenfalls fraglich.
Insgesamt dürfte die Einführung des Hinweisgebersystems in Niedersachsen Signalwirkung für weitere Bundesländer entfalten. Aus praktischer Sicht ist zu erwarten, dass das neue Portal die Zahl eingehender Hinweise – auch auf anonymem Wege – deutlich erhöht. Dies birgt zugleich das Risiko der Aufdeckung bislang unbekannter steuerlicher Sachverhalte wie es das in Baden-Württemberg etablierte Hinweisgebersystem bereits praxiswirksam veranschaulicht.
Angesichts der zunehmenden Transparenz in steuerlichen Sachverhalten rückt die Aufarbeitung zurückliegender Sachverhalte einschließlich deren Deklaration in den Vordergrund. Die freiwillige Offenlegung gegenüber der Finanzverwaltung in Form der Selbstanzeige bietet dem Steuerpflichtigen dabei sogar die Möglichkeit straffrei zur steuerlichen Legalität zurückzukehren. Der Steuerpflichtige muss gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart unrichtige oder unvollständige Angaben berichtigen, ergänzen bzw. unterlassene Angaben nachholen. Die sodann mit einer Steuernachzahlung verbundene Rückkehr zur Steuerehrlichkeit schützt den Steuerpflichtigen nachträglich vor der Bestrafung wegen Steuerhinterziehung.