In drei verbundenen Rechtssachen zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes im Bereich der kurzfristigen Beherbergung, die der Bundesfinanzhof (BFH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt hat, liegen nunmehr die Schlussanträge der Generalanwältin Ćapeta vor.
EuGH-Vorlagen zum Aufteilungsgebot bei Beherbergungsleistungen
Konkret geht es um die Frage, ob neben der reinen Beherbergungsleistung erbrachte Nebenleistungen, z.B. Parkplatzbereitstellung, Frühstück, WLAN, Wellnessnutzung, zwingend gesondert zu besteuern sind – unabhängig davon, ob sie grundsätzlich als Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung teilen. Der EuGH hat demnach zu prüfen, ob die nationalen Vorschriften, die eine Aufteilung zwischen Haupt- und Nebenleistung (wie z. B. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG) vorsehen, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.
Die Vorlagefälle im Einzelnen:
- C-409/24 – J GmbH: betrifft die unentgeltliche Bereitstellung eines Parkplatzes für Hotelgäste
- C-410/24 – Blapp: betrifft das Frühstück, das vom Gast zusätzlich zur Übernachtung beansprucht wird und das nicht abgewählt werden kann – gegen Entgelt
- C-411/24 – D GmbH: betrifft kostenlose Nebenleistungen wie WLAN, Wellness oder Parkplatznutzung
Der BFH hatte in seiner Vorlage unter anderem bereits die Auffassung vertreten, dass die nationale Vorschrift in § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG unionsrechtskonform sei und eine selektive Anwendung des ermäßigten Steuersatzes zulässig bleibe – zumindest dort, wo keine Wettbewerbsverzerrung drohe.
Position der Generalanwältin
Die Generalanwältin geht in ihren Schlussanträgen zunächst davon aus, dass die Frage des Steuersatzes gar nicht aufgeworfen werden kann, wenn Nebenleistungen unentgeltlich erbracht werden. Denn solche Leistungen seien bereits nicht steuerbar. Beispiele hierfür seien WLAN, Nutzung von Wellnessbereichen oder Parkplatznutzung, soweit sie dem Gast kostenfrei angeboten wurden.
Folglich fokussiert die Generalanwältin im Weiteren auf die Rs. C-410/24, da dort das Frühstück entgeltlich geleistet wurde und nicht abgewählt werden konnte. Für die Fälle, in denen ein Entgelt gezahlt wurde (z. B. Frühstück), kommt die Generalanwältin zu dem Ergebnis, dass ein nationales Aufteilungserfordernis nicht der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) widerspricht.
So seien die Mitgliedstaaten berechtigt, zur Einführung ermäßigter Steuersätze konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Dienstleistungen herauszulösen. Der deutsche Gesetzgeber habe sich zur Förderung des Tourismus für eine ermäßigte Besteuerung von kurzfristigen Beherbergungsleistungen, nicht aber von in diesem Zusammenhang erbrachten Frühstücksleistungen entschieden. Damit sei das Frühstück als Nebenleistung nicht untrennbar mit der Hauptleistung der Beherbergung verbunden. Im Gegensatz zu der vom EuGH verneinten Frage, ob bei Steuerbefreiungen ein Aufteilungsgebot geregelt werden könne, stehe es bei der Steuersatzermäßigung im Ermessen der Mitgliedstaaten, den ermäßigten Steuersatz auf eine identifizierbare und abtrennbare Leistung zu beschränken.
Schließlich weist die Generalanwältin darauf hin, dass das Aufteilungsgebot einen Wettbewerbsvorteil der Beherbergungsunternehmer gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern verhindere, die Frühstücks-, Wellness- und Parkleistungen ohne eine zugehörige Beherbergung erbrachten.
Folgen für die Praxis
Da es sich um Schlussanträge handelt, ist das endgültige EuGH-Urteil abzuwarten. Praktisch besteht daher derzeit noch Unsicherheit, wie weit das Aufteilungsgebot in einzelnen Fällen reichen wird und ob der EuGH ggf. Einschränkungen formuliert (etwa für mittelbar verbundene Leistungen, enge Leistungsbündel etc.). Sollte der EuGH der Generalanwältin jedoch folgen, wird es in Bezug auf die Steuersatzermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG beim Aufteilungsgebot bleiben, auch wenn Nebenleistungen grundsätzlich das Schicksal der Hauptleistung teilen und wie diese zu behandeln sind. Dies gilt dann zumindest für entgeltliche Leistungen.
Die Generalanwältin verneint eine Steuerbarkeit solcher Zusatzleistungen, die nicht gegen ein gesondertes Entgelt angeboten werden. Dabei untersucht sie nicht die Möglichkeit der Aufteilung des Pauschalpreises. Denkbar wäre insofern auch, dass ein Teil des Pauschalpreises als Entgelt für die Beherbergungsleistung dem ermäßigten, ein anderer Teil aber dem Regelsteuersatz unterliegen könnte.
Hotels, Pensionen oder Beherbergungsbetriebe, die bislang Komplettpauschalen (Übernachtung inkl. Frühstück) ohne separate Ausweisung betrieben haben, sollten prüfen, ob eine Anpassung der Vertrags-, Rechnungs- und Kalkulationspraxis erforderlich wird. Denkbar ist, dass künftig separate Leistungsbestandteile transparent ausgewiesen werden müssen, um dem Aufteilungsgebot gerecht zu werden.
Fazit
Die Schlussanträge der Generalanwältin in den Verfahren C-409/24, C-410/24 und C-411/24 sind ein Signal dafür, dass der EuGH in näherer Zukunft ein Aufteilungsgebot zwischen Haupt- und Nebenleistung im Bereich der kurzfristigen Beherbergung bestätigen könnte. Insbesondere für entgeltliche Nebenleistungen wie Frühstück sieht die Generalanwältin keine europarechtlichen Hindernisse für eine nationale Pflicht zur Aufteilung.
Für Beherbergungsunternehmen heißt dies: bereits jetzt Strategien prüfen und Vorbereitungen treffen – insbesondere in Bezug auf Leistungs- und Vertragsgestaltung, die Abrechnungsmodalitäten sowie Rechnungslegung. Sobald das EuGH-Urteil vorliegt, wird sich zeigen, wie der Gerichtshof die Balance zwischen steuerlicher Förderung des Tourismus und Wettbewerbsneutralität zieht.
Hinsichtlich des Frühstücks dürfte sich die Situation jedoch ab 2026 weiter entspannen, da der Umsatzsteuersatz für Restaurationsleistungen auf 7 % gesenkt wird, zumindest, soweit es sich nicht um Getränke handelt. Ausnahmen können davon wieder Getränke mit einem hohen Milchanteil bilden. Für Hotels würde dies also bedeuten, dass auch insofern eine Differenzierung oder eine kostenlose Abgabe von Getränken angedacht werden könnte.
Insgesamt bleibt zunächst festzustellen, dass eine Leistung, die als Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, auf Ebene der Steuersatzbestimmung jedoch wiederum eine Aufteilung erfolgt, was eine Abweichung von der allgemeinen umsatzsteuerlichen Systematik darstellt. Folglich bleibt zu hoffen, dass dieses Aufteilungsgebot auch nach Auffassung des EuGH weiterhin nur sehr eingeschränkt Anwendung findet.