Das durch die Corona-Krise, den Ukraine-Krieg, die hohe Inflation und (erwartete) Zinssteigerungen geprägte wirtschaftliche und geopolitische Umfeld birgt auch für den M&A-Markt große Unsicherheiten. Doch auch wenn sich Investoren angesichts des Verkäufermarkts gleichzeitig mit hohen Preisen konfrontiert sehen, erreicht das Investitionsvolumen derzeit Spitzenwerte. Um Informationsasymmetrien, Unsicherheiten und einer zunehmende Risikoaversion zu begegnen, wird dabei für Steuerrisiken zunehmend auf die Vendor Due Diligence und maßgeschneiderte Versicherungslösungen gesetzt.

Gesteigerte Attraktivität von Vendor Due Diligence Reports

Um im aktuellen Marktumfeld Transparenz und Vertrauen gegenüber potenziellen Investoren zu schaffen, entscheiden sich Verkäufer regelmäßig für eine systematische Aufbereitung von Informationen und Präsentation der Zielgesellschaft durch externe Spezialberater in einem Vendor Due Diligence-Bericht oder rein deskriptiven Fact Book. Kaufinteressenten können sich so frühzeitig ein erstes Bild des – z.B. steuerlichen – Risikoprofils verschaffen. Zudem profitieren sie von einem verkürzten Due-Diligence-Prozess, indem der eigene Due-Diligence-Berater auf den Verkäuferberichten aufsetzen kann (Top-up Due Diligence).

Für den Verkäufer bringt dies – neben dem potenziellen Interesse zusätzlicher Bieter – verschiedene Vorteile. So kann er durch die eigene Analyse den Rahmen für die Risikobewertung vorgeben und hat die Möglichkeit, etwaige Versäumnisse in der steuerlichen Compliance durch korrigierte Erklärungen, Rechtsbehelfe oder nachträglich beantragte Bescheinigungen nachzuholen.

W&I-Versicherungen für unbekannte Steuerrisiken innerhalb der Transaktion

Im Rahmen von Transaktionen können Steuergarantien und Steuerfreistellungsklauseln im Unternehmenskaufvertrag umfassenden Käuferschutz gegen historische Steuerrisiken der Zielgesellschaft bieten.

Fehlt die Bereitschaft der Verkäufer für eine Haftungsübernahme, sind Versicherungen eine häufig genutzte Alternative. Warranty & Indemnity („W&I“) Versicherungen decken unbekannte Risiken aus dem Garantie- und Freistellungskatalog ab. Die Diskussion zwischen Verkäufer und Käufer reduziert sich somit auf bekannte, d.h. im Rahmen der Due Diligence identifizierte Steuerrisken sowie auf bestimmte standardmäßige Deckungsausschlüsse (für Tatsachenfragen-bezogene Risiken wie Verrechnungspreise), die gegebenenfalls über Kaufpreisabzüge oder spezielle Steuerfreistellungen abgedeckt werden können.

Gerade Private-Equity-Verkäufer haben grundsätzlich ein großes Interesse, die Haftung unter dem Kaufvertrag im klassischen Exit Szenario eines Anteilsverkaufs auf ein Minimum zu beschränken (nicht selten auf einen symbolischen Betrag von EUR 1), um den Verkaufserlös zeitnah nach Vollzug der Transaktion an die Investoren auszuzahlen.

 

Teilweise sehen verkäuferseitig initiierte Kaufverträge gar keine Steuerfreistellung oder Haftung für Steuergarantien gegen historische Steuerrisiken mehr vor. In diesen Fällen können sogenannte synthetische Steuerfreistellungen oder auch „Synthetic Warranties“ eine Lösung darstellen. Hierbei erklärt sich die Versicherung bereit, Gewährleistungen zu versichern, die selbst nicht im Kaufvertrag enthalten sind. Die Steuerklauseln werden also nur zwischen dem Käufer und der Versicherung in einem Anhang zur Versicherungspolice vereinbart. Für den Verkäufer hat dies den Vorteil, dass er bereits dem Grunde nach nicht haftet. Der Käufer kann die ohnehin komplexe Vertragsverhandlung mit dem Verkäufer entlasten, was insbesondere in Auktionsprozessen zu einem attraktiven Angebot beitragen kann.

Affirmative Coverage für bekannte Steuerrisiken innerhalb der Transaktion

Die im Tax Due Diligence-Bericht identifizierten Risiken gelten als bekannte Risiken. Sie sind grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz abgedeckt, wenn sie nach dem Maßstab der W&I-Police als offengelegt gelten.

Sofern das bekannte Steuerrisiko auf einer Rechtsfrage basiert, kann dieses im Einzelfall affirmativ in den W&I-Versicherungsschutz aufgenommen werden (sog. Affirmative Tax Coverage), gegebenenfalls gegen eine zusätzliche Prämie. Inwieweit dies möglich ist, hängt auch vom Verhandlungsgeschick und der Erfahrung des Brokers und der beteiligten Berater ab.

Steuerversicherung für bekannte Risiken in- und außerhalb der Transaktion

Neben der affirmativen W&I-Versicherung besteht die Möglichkeit, bekannte Risiken durch eine spezielle Steuerversicherung abzusichern. Diese deckt im Grundsatz ebenfalls nur Rechtsfragen ab, d.h. keine Sachverhalts-, Umsetzungs- oder Verhaltensrisiken.

Die Steuerversicherung kommt sowohl für transaktionsbezogene Risiken (z.B. Grunderwerbsteuerrisiken, Haftungsrisiken bei Asset Deals nach § 75 AO, Verrechnungspreisrisiken oder Managementbeteiligungen) als auch für nicht-transaktionsbezogene Risiken (z.B. Umstrukturierungen oder Betriebsprüfungen) in Betracht. Zudem ist der Umfang der Risikoabdeckung bei der Steuerversicherung verhandelbar und kann auch Strafen, Prozesskosten oder den Tax Gross-up umfassen.

Voraussetzung für die Steuerversicherung ist eine Should-Opinion der steuerlichen Berater des Versicherungsnehmers und Versicherers, dass die Steuerposition verteidigt werden kann. Die Versicherungsprämien liegen aktuell zwischen ca. 2% und 5% der Versicherungssumme, abhängig von der Art des Sachverhalts und des Risikos und der Höhe des Selbstbehalts. Die Steuerversicherung richtet sich in erster Linie an Risiken mit niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit aber hoher finanzieller Auswirkung (regelmäßig zwischen EUR 10 und 50 Millionen). Bei kleineren Versicherungssummen setzen die Versicherer typischerweise Mindestprämien von EUR 100.000 – EUR 150.000 an. Hinzu kommt eine Underwriting Fee für die Risikoprüfung.

Das Verfahren kann seitens des Versicherers grundsätzlich in fünf bis 10 Tagen abgeschlossen werden. Deshalb kommt die Steuerversicherung grundsätzlich auch als Alternative zu einem Antrag auf verbindliche Auskunft infrage. Etwaige Verzögerungen können sich beispielsweise durch die Erstellung des Steuergutachtens oder Tax Due Diligence-Berichts ergeben, den der Versicherer benötigt.

Da sich nur bestimmte Steuerrisiken tatsächlich für eine Steuerversicherung eignen, stellt dieses Produkt bisher noch die Ausnahme dar. Auch aufgrund der Besonderheiten der Steuerversicherungen, die beispielsweise in Kaufverträgen entsprechend reflektiert werden müssen, ist es empfehlenswert, dass der Broker bzw. die Versicherung frühzeitig eingebunden wird und ein steuerlicher Berater den gesamten Prozess begleitet.

Fazit

Sowohl die (affirmative) W&I-Versicherung als auch die Steuerversicherung können geeignete Maßnahmen darstellen, den gestiegenen Unsicherheiten im derzeitigen Marktumfeld zu begegnen. Dabei ist es wichtig, die Versicherungsprodukte und deren Einsatzbereiche zu kennen, um für den Einzelfall die adäquate Lösung zu finden. Dazu gehört auch, sachverhaltsabhängige Erfordernisse (z.B. in der W&I-Versicherung eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf 10 Jahre oder eine Affirmative Coverage) frühzeitig – idealerweise noch vor Auswahl des Versicherers – zu adressieren.