Die Koordination im Konzern erfordert effektive Werkzeuge, um den Einfluss der Konzernleitung auf allen Ebenen sicherzustellen. Die Stellung der Muttergesellschaft als alleinige Anteilseignerin einer abhängigen Aktiengesellschaft reicht hierzu oftmals nicht aus, da das Gesetz keine besonderen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft vorsieht und der Vorstand nicht ohne Weiteres den Weisungen durch die Anteilseigner unterworfen werden kann.

Um dennoch einen ausreichenden Einfluss durch die Muttergesellschaft sicherzustellen, bietet das Aktiengesetz die Möglichkeit, Beherrschungsverträge nach § 291 AktG abzuschließen. Beherrschungsverträge gestatten es der Muttergesellschaft, bindende und auch nachteilige Weisungen an die Tochtergesellschaft zu erteilen. Allerdings führt der Abschluss eines Beherrschungsvertrags zu der oftmals unerwünschten, aber unumgänglichen Folge der Verlustübernahmepflicht nach § 302 AktG durch die Muttergesellschaft. Dass die Verlustübernahme auch weitere, unvorhergesehene negative Folgen haben kann, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die EU-Kommission Ermittlungen aufgenommen und Bedenken hinsichtlich der beihilferechtlichen Zulässigkeit von Verlustübernahmen für Tochterunternehmen durch staatlich kontrollierte Gesellschaften in den Fällen der DB Cargo AG und SAS Fret SNCF geäußert hat.

Die Gestaltungspraxis sucht daher vielfach nach einer praktikablen Alternative, die eine einheitliche Konzernleitung absichert, andererseits aber keine Verlustübernahmepflicht auslöst – und findet diese zunehmend in der Gestalt von „Relationship Agreements“ (auch Konzernkoordinationsverträge).

Zusammenarbeit sticht Beherrschung

Im Rahmen solcher - gesetzlich nicht kodifizierten - Relationship Agreements einigen sich die Konzernmutter und ihre Tochtergesellschaft auf eine einheitliche Unternehmenspolitik und vereinbaren gemeinschaftliche Organisations-, Koordinierungs- und Kontrollmechanismen. Dadurch wird eine Basis der Zusammenarbeit auf Augenhöhe geschaffen und ein abgestimmtes Verhalten im Konzern sichergestellt. Gemeinsames Verständnis der Vertragsparteien ist, dass beide Seiten durch die Regelungen des Vertrags profitieren.

Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu einem Beherrschungsvertrag ist, dass die Tochtergesellschaft weiterhin unabhängig agiert, die Muttergesellschaft also nicht dazu befähigt ist, Weisungen zu erteilen. Dies stellt allerdings nur auf den ersten Blick einen Nachteil dar. Denn Ziel eines Relationship Agreements ist es, die Beziehung zwischen den Konzerngesellschaften so auszugestalten, dass erst gar kein Bedarf für ein Weisungsrecht der Muttergesellschaft besteht.

Der Abschluss eines Relationship Agreements, der bewusst nicht als Unternehmensvertrag ausgestaltet wird, bringt im Vergleich zum Beherrschungsvertrag neben der Vermeidung der Verlustübernahmepflicht auch weitere Vorteile: Es bedarf zu seiner Wirksamkeit nicht zwingend der Zustimmung der Anteilseigner. Außerdem muss der Vertrag nicht im Handelsregister eingetragen und diesem gegenüber auch nicht offengelegt werden. Das Relationship Agreement kann damit nicht beim Handelsregister eingesehen und sein Inhalt somit geheim gehalten werden. Auch kann der Vertrag jederzeit und ohne Eintragung im Handelsregister aufgehoben und beendet werden.

Typische Inhalte von Relationship Agreements

Um Abläufe zu vereinfachen, verpflichtet sich die Tochtergesellschaft, konzernweite Richtlinien zur Ausgestaltung interner Prozesse zu übernehmen. Darüber hinaus erhält die Muttergesellschaft Informationsrechte zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten, beispielsweise die Pflicht zur ordnungsgemäßen Konzernrechnungslegung.

Die Muttergesellschaft wird zudem in den Entscheidungsfindungsprozess der Tochtergesellschaft eingebunden. Anstelle eines Weisungsrechts tritt ein „Comply-or-Explain“-Mechanismus: Die Tochtergesellschaft verpflichtet sich, bei ihrer Geschäftsleitung die Interessen des Konzerns zu berücksichtigen. Vor wesentlichen Entscheidungen ist sie verpflichtet, eine Stellungnahme der Muttergesellschaft einzuholen. Diese kann einen Handlungsvorschlag unterbreiten, der von der Tochtergesellschaft nicht befolgt werden muss, aber nach pflichtgemäßem Ermessen in die Abwägung der Handlungsoptionen einbezogen werden soll. Entscheidet sich die Tochtergesellschaft, entgegen der Empfehlung zu handeln, wird sie daran nicht gehindert. Denn letztlich richtet sich ihre Entscheidung nach ihren Eigeninteressen. Sie ist dann jedoch dazu verpflichtet, ihre Entscheidung gegenüber der Muttergesellschaft darzulegen und sachlich zu begründen.

Die beschriebene Kooperation führt dabei zu Synergieeffekten auf beiden Seiten: Die Standardisierung und der kontinuierliche Informationsaustausch erleichtern die konzerninterne Zusammenarbeit und gewährleisten zudem Rechtssicherheit für die Konzernleitung, der die Konzernverantwortung obliegt. Gleichzeitig profitiert die Tochtergesellschaft von den optimierten Prozessen der Muttergesellschaft.

Fallstricke bei der Ausgestaltung von Relationship Agreements

Die Natur eines Vertrages wird letztlich durch seinen Inhalt bestimmt. Daher ist bei dem Entwurf von Relationship Agreements darauf zu achten, dass die Unabhängigkeit der Tochtergesellschaft nicht berührt wird. Es dürfen keine Weisungsrechte der Muttergesellschaft enthalten sein, um das Relationship Agreement nicht doch als Beherrschungsvertrag zu qualifizieren. Weiter sollte davon abgesehen werden, Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Maßnahmen zu vereinbaren. Stellt sich nachträglich heraus, dass die Tochtergesellschaft durch den Vertrag der Herrschaft der Muttergesellschaft unterworfen wurde, führt dies in der Regel zur Nichtigkeit des Vertrages und zur Verlustausgleichspflicht der Muttergesellschaft.