Nicht ohne mein Handy – Verbot technischer Hilfsmittel in der Hauptversammlung

27.11.2024 | FGS Blog

Die Frage, ob einem Teilnehmer die Verwendung technischer Hilfsmittel während einer Hauptversammlung untersagt werden kann, wurde bisher nur selten von der Rechtsprechung thematisiert, was die rechtliche Bewertung dieser Problematik erschwert. In einer aktuellen Entscheidung des Kammergerichts Berlin (Urteil vom 26. Januar 2024 – 14 U 122/22) wurden nun erstmals Leitlinien entwickelt, die der Beratungspraxis als Orientierung dienen können.

In vorliegenden Fall ging es um Aktionäre einer Hauptversammlung, die sich weigerten, bei der Einlasskontrolle ihre Mobiltelefone und Laptops abzugeben. Der Vorstand hatte im Vorfeld der Hauptversammlung mehrfach auf ein Verbot von Ton- und Bildaufnahmen hingewiesen. So war das Verbot bereits der Einladung zur Hauptversammlung zu entnehmen. Zudem machte der Leiter der Hauptversammlung darauf aufmerksam, zur Aufnahme geeignete Handys seien während der Hauptversammlung nicht gestattet. Gleichzeitig war für eine Erreichbarkeit der Aktionäre während der Versammlung in Notfällen gesorgt: Den Aktionären wurden außerhalb des Sitzungsaals PCs zur Verfügung gestellt und für die Aufbewahrung der Handys standen Schließfächer bereit.

Die Versammlungsleitung verwehrte einigen Aktionären Zugang zur Hauptversammlung, weil diese sich der Anweisung widersetzten. Gegen die gefassten Beschlüsse erhoben sie daraufhin Anfechtungsklage. Das KG stellte zustimmend fest, dass es unrechtmäßig war, die Aktionäre aufgrund der Mitführung aufnahmefähiger Geräte nicht zur Hauptversammlung zuzulassen.

Teilnahmerecht

Zu beachten ist, dass das Recht auf Teilnahem an der Hauptversammlung grundsätzlich als unbeschränkbares Recht der Aktionäre gilt. Eine Beschränkung ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn dies der Wahrung von Rechten der anderen Teilnehmer, der allgemeinen Sicherheit und dem ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung dient. Die Anforderungen an eine Beschränkung sind dabei hoch und müssen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Die Verletzung des Teilnahmerechts ist ein Anfechtungsgrund.

Ordnungsbefugnis des Versammlungsleiters

Der Versammlungsleiter ist grundsätzlich befugt, Teilnahmerechte einzuschränken, sofern ein ordnungsgemäßer Ablauf der Hauptversammlung nicht anderweitig gewährleistet werden kann. Denn der Versammlungsleiter hat für die Erledigung der Tagesordnung und den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung zu sorgen. Damit werden ihm Leitungs- und Ordnungsbefugnisse zuteil, die jedoch stets nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Gebots der Sachlichkeit, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit ausgeübt werden müssen.

Abwägung Teilnahmerecht und Persönlichkeitsrecht

Im vorliegenden Fall hielt das Verbot einer Verhältnismäßigkeitsprüfung jedoch nicht stand. Das KG entschied, dass das Verbot der Mitführung technischer Geräte nicht von der Ordnungsbefugnis des Versammlungsleiters umfasst sei. Das Verbot der Mitnahme technischer Geräte müsste das mildeste und zugleich effektivste Mittel sein, um heimliche oder offene Aufzeichnungen bei der Hauptversammlung zu verhindern. Weniger einschneidende Alternativen seien aber Bild- oder Mikrofon-Blocker sowie die Erlaubnis, Laptops ohne Kamera oder mit abgeklebter Kamera mitzuführen.

Eine effektive Teilnahme an einer Hauptversammlung sei heutzutage nicht ohne Nutzung von Notebooks, Mobiltelefonen oder Tablets sinnvoll möglich. Denn diese ermöglichen einen schnellen Zugriff auf Unterlagen sowie eine Volltextsuche und lassen die parallele Befassung mit sonstigen Anforderungen zu.

Rechtssichere Umsetzung eines Verbots möglich?

Die Entscheidung des Kammergerichts dürfte es künftig erheblich erschweren, Aktionären den Zugang zu ihren Kommunikationsmitteln während der Hauptversammlung zu verwehren. Dass die Kommunikation mit einem Prinzipal elementar für die Stimmabgabe sein dürfte, liegt auf der Hand.

Das KG ließ allerdings offen, ob die von der Versammlungsleitung ergriffenen Maßnahmen zulässig gewesen wären, wenn sie in der Satzung geregelt gewesen wären. Will sich eine Versammlungsleitung auf eine entsprechende Satzungsregelung stützen, ist daher dringend zu empfehlen, diese Satzungsregelungen vor dem Hintergrund der Entscheidung „abzuklopfen“.

Fazit

Das KG misst technischen Geräten, die Aktionäre bei der Wahrnehmung ihrer Rechte in der Hauptversammlung unterstützen, eine hohe Bedeutung zu. Im digitalen Zeitalter, in dem Papierunterlagen immer mehr zur Ausnahme werden, ist dies auch konsequent.

Ein Verbot technischer Hilfsmittel dürfte daher nur in bestimmten Ausnahmefällen vor den Gerichten standhalten.

Ob die vom KG beschriebenen milderen Mittel wie Aufkleber tatsächlich pragmatisch und effektiv umgesetzt werden können, ist höchst fraglich.

Bevor man sich als Versammlungsleitung für solch ein Vorgehen entscheidet, ist dringend anzuraten, das Für und Wider gemeinsam mit den Rechtsberatern abzuwägen, um eine rechtssichere Grundlage für die Hauptversammlung zu schaffen.

Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, ob sich der BGH zukünftig der Sache annimmt und die Anforderungen für die Praxis noch weiter präzisiert.