Neuregelung der Videoverhandlung im Steuerstreit – Ein Überblick

06.05.2025 | FGS Blog

Die mündliche Verhandlung per Videokonferenz ist in der Finanzgerichtsbarkeit inzwischen gelebte Praxis. Die gesetzlichen Grundlagen hierfür sind durch das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten (Bundesgesetzblatt Teil I - Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten - Bundesgesetzblatt) mit Wirkung zum 19. Juli 2024 durch § 128a ZPO neu geschaffen worden. In diesem Zusammenhang wurde die bisherige Regelung des § 91a FGO a.F. ersatzlos gestrichen. § 128a ZPO, der durch die Verweisung von § 155 Satz 1 FGO im Steuerstreit unmittelbar Anwendung findet, betrifft sowohl Erörterungstermine als auch Verhandlungen vor den Finanzgerichten und dem Bundesfinanzhof.

Ausgestaltung der Videoverhandlung in der mündlichen Verhandlung

Nach § 128a Abs. 1 Satz 1 ZPO kann eine mündliche Verhandlung als Videoverhandlung durchgeführt werden, sofern der Fall geeignet ist und technische Kapazitäten zur Verfügung stehen. Die Eignungs- und Kapazitätsvorbehalte stellen regelmäßig leicht zu erfüllende Voraussetzungen für eine Videoverhandlung dar.

Eine Videoverhandlung liegt nach dem gesetzlichen Verständnis dann vor, wenn mindestens ein Verfahrensbeteiligter oder ein Mitglied des Gerichts per Bild- und Tonübertragung teilnimmt. Die Verhandlung kann hybrid stattfinden (§ 128a Abs. 1 Satz 2 ZPO). Ein Teil der Verfahrensbeteiligten kann sich also im Sitzungszimmer aufhalten, während sich die anderen zuschalten. Eine voll virtuelle mündliche Verhandlung gestatten § 128a ZPO wie auch die Vorgängerregelung nicht. Weder der Vorsitzende Richter noch die Öffentlichkeit dürfen zugeschaltet werden. Wie auch schon in der Vergangenheit ist die Teilnahme an der Videoverhandlung auch von mehreren Abwesenheitsorten aus möglich (§ 128a ZPO, sog. Multipoint-Videokonferenz).

Die Öffentlichkeit hat sich nach wie vor im Sitzungssaal aufzuhalten. Streaming durch die Öffentlichkeit ist nach wie vor ausgeschlossen.

Neu ist, dass der Vorsitzende Richter eine Videoverhandlung nicht nur auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten gestatten, sondern auch von Amts wegen anordnen kann. Die Gestattung entspricht der bisherigen Rechtslage mit der dem konkreten Antragsteller die Möglichkeit, nicht aber die Verpflichtung zur Zuschaltung eingeräumt wird. Die Anordnung hingegen verpflichtet zur Teilnahme per Videoverhandlung und schließt die Teilnahme vor Ort im Gerichtssaal aus. Gegen eine Anordnung kann jedoch innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt werden (§ 128a Abs. 2 Satz 2 ZPO). Bei fristgerechtem Einspruch wird die Anordnung für alle Beteiligten aufgehoben; allerdings kann dann eine Gestattung für einzelne Beteiligte erfolgen.

Antragstellung eine Frage des Einzelfalls 

Aus Beratersicht ist im Vorfeld einer mündlichen Verhandlung von zentraler Bedeutung, ob und wenn ja für welche Verfahrensbeteiligten ein Antrag auf Durchführung einer Videokonferenz gestellt werden sollte. Gesundheitliche bzw. zeitliche Einschränkungen werden in vielen Fällen für eine Antragstellung sprechen. Die „reine Bequemlichkeit“ sollte keinesfalls das Argument sein. Es gilt immer zu beachten, dass der fehlende persönliche Auftritt in einer Videoverhandlung das Risiko einer geringeren Überzeugungskraft im Rechtsgespräch oder beim Plädoyer in sich birgt. Gerade in Fällen mit einer gewissen Komplexität – sei es auf sachverhaltlicher oder auf rechtlicher Ebene – sollte es gut überlegt werden, einen entsprechenden Antrag zu stellen.   

Praxistipps für die Antragstellung

Entscheidet sich ein Verfahrensbeteiligter, eine Videoverhandlung anzustreben, sollte möglichst frühzeitig ein entsprechender Antrag schriftlich gestellt werden. Dieser sollte hinreichend konkret abgefasst sein, so dass das Gericht prüfen kann, ob die Voraussetzungen des § 128a Abs. 1 Satz 1 ZPO erfüllt sind. Der Antrag sollte neben der Mitteilung, dass der Antragsteller die vom Gesetz geforderten technischen Möglichkeiten zur Durchführung einer Videoverhandlung erfüllt, möglichst folgende Angaben enthalten: (1) Person des Antragstellers, (2) Konkreter Gegenstand der Videoverhandlung (mündliche Verhandlung inkl. Urteilsverkündung, Erörterungstermin, Beweisaufnahme), (3) Grund für die Antragstellung (optional z.B. langfristig geplante Geschäftsreise des Klägers), (4) Aufenthaltsort (optional), (5) E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Antragsstellers.

Ausführlich zur Neuregelung der Videoverhandlung im Steuerstreit: Hildebrand/Kern, DStR 2025, 807 ff.