Neues zur Zurechnungsbesteuerung – BFH-Urteil führt zu Entlastungen für Errichter und Begünstigte ausländischer Trusts und Stiftungen

Errichter und Begünstigte ausländischer Trusts und Stiftungen sind vielfältigen steuerlichen Risiken ausgesetzt. So sind beispielsweise die im Ausland erzielten Einkünfte der Stiftung bzw. des Trusts von den Errichtern und Begünstigten unter gewissen Voraussetzungen auch dann in Deutschland anteilig zu versteuern, wenn sie gar nicht an diese ausgeschüttet worden sind (sog. „dry income“).
Eine kürzlich veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Dezember 2024 (Az.: IX R 32/22 u.a.) führt nun zu einer deutlichen Einschränkung dieser sog. „Zurechnungsbesteuerung“, insbesondere für Stiftungen und Trusts außerhalb der EU und des EWR. In Zeiten zunehmender Internationalisierung und gestiegener Mobilität von Steuerpflichtigen ist die Entscheidung sehr zu begrüßen. Sie könnte auch dazu beitragen, dass Deutschland wieder verstärkt als mögliches Zielland kreativer Köpfe und Führungskräfte aus den USA wahrgenommen wird (vgl. FAZ vom 2. Mai 2025 „Warum Führungskräfte aus den USA nach Deutschland ziehen“).
Die Zurechnungsbesteuerung ist in § 15 des Außensteuergesetzes (AStG) geregelt. Sie bewirkt, dass die von ausländischen Stiftungen und Trusts erzielten Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen den in Deutschland ansässigen Errichtern bzw. Begünstigten zugerechnet werden, und zwar auch dann, wenn die Begünstigten gar keine Ausschüttungen von der Stiftung oder dem Trust erhalten haben. Auch ist es keine Voraussetzung, dass die ausländische Vermögensmasse niedrige oder passiv besteuerte Einkünfte erzielt. Erfasst sind nicht nur etwa schweizerische oder liechtensteinische Familienstiftungen, sondern auch die insbesondere im angloamerikanischen Raum (v. a. USA, UK, Kanalinseln, Isle of Man, Australien, Südafrika) weit verbreiteten ausländischen common law trusts (vgl. § 15 Abs. 4 AStG).
Eine Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung gilt nach § 15 Abs. 6 AStG aber dann, wenn den hinter der Stiftung bzw. dem Trust stehenden Personen das Vermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist und zwischen dem Ansässigkeitsstaat und Deutschland ein hinreichender Informationsaustausch sichergestellt ist. Diese mit dem Jahressteuergesetz 2009 eingeführte Regelung geht auf ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der Europäischen Kommission zurück, die seinerzeit Bedenken an der Europarechtskonformität der deutschen Zurechnungsbesteuerung geäußert hatte. Weitere Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift ist allerdings nach dem Wortlaut, dass die Stiftung bzw. der Trust Sitz oder Geschäftsleitung in der EU bzw. dem EWR hat.
Das Finanzamt hatte das Stiftungseinkommen bzw. die Stiftungseinkünfte einer schweizerischen Familienstiftung den in Deutschland lebenden Begünstigten nach § 15 Abs. 1 AStG zugerechnet, obwohl die Stiftung keine Ausschüttungen an die Begünstigten vorgenommen hatte. Das Finanzamt versagte die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift nach § 15 Abs. 6 AStG, da sich Sitz und Geschäftsleitung der Stiftung in der Schweiz und damit in einem Nicht-EU-/EWR-Staat befanden. Nach dem Wortlaut seien Stiftungen in Drittländern nicht von der Ausnahmevorschrift umfasst.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH nun entschieden, dass die wortlautgetreue Auslegung der Regelung des § 15 Abs. 6 AStG gegen die europäische Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Zwar könne eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, beispielsweise um Steuerumgehungen durch künstliche Verlagerung von Einkünften ins Ausland zu vermeiden. Jedoch müsse dem Steuerpflichtigen stets die Möglichkeit eingeräumt werden nachzuweisen, dass die Errichtung der Stiftung bzw. des Trusts im Einzelfall nicht „rein künstlich“ erfolgt ist. Zwar stelle die Ausnahme nach § 15 Abs. 6 AStG eine taugliche Nachweismöglichkeit in diesem Sinne dar, allerdings müsse diese auch Stiftungen und Trusts außerhalb der EU und des EWR erfassen. Denn die Kapitalverkehrsfreiheit gilt auch im Verhältnis zu Drittstaaten.
Nach Ansicht des BFH ist die Ausnahme des § 15 Abs. 6 AStG daher europarechtskonform im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion dahingehend auszulegen, dass die Regelung über den Wortlaut hinaus auch Stiftungen und Trusts in Drittstaaten erfasst. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass der BFH von einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgrund der insoweit eindeutigen Rechtslage („acte clair“) bzw. der vorhandenen Rechtsprechung des EuGH („acte éclairé“) abgesehen hat.
Zu beachten ist jedoch, dass die Finanzverwaltung die Ausnahmevorschrift nach § 15 Abs. 6 AStG entgegen dem Wortlaut nicht anwenden will, sofern der ausländischen Stiftung bzw. dem Trust Einkünfte nachgeordneter Kapitalgesellschaften oder Stiftungen zugerechnet werden (§ 15 Abs. 9 und 10 AStG). Ob die Bereichsausnahme genutzt werden kann, hängt damit stets auch von der konkreten Zusammensetzung des Vermögens ab.
Errichter und Begünstigte von ausländischen Stiftungen und Trusts können sich nur dann auf die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 6 AStG berufen, wenn das Vermögen der Verfügungsmacht der dahinterstehenden Personen rechtlich und tatsächlich entzogen ist (§ 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG).
Der BFH stellt dabei in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich klar, dass es für diese Frage allein auf das Zivilrecht ankomme. Entscheidend sei somit, ob Errichter und Begünstigte bei Anwendung zivilrechtlicher Maßstäbe die Herausgabe des Stiftungs- bzw. Trustvermögens bewirken können. Das Gericht stellt sich damit ausdrücklich gegen die Ansicht der Finanzverwaltung, die bislang bei der Bestimmung der Entziehung der Verfügungsmacht auch auf wirtschaftliche Maßstäbe abstellt. Die Entscheidung hat dahingehend auch praktische Auswirkungen nicht nur für Stiftungen und Trusts mit Sitz in einem Drittstaat, sondern auch für solche mit Sitz in einem EU-/EWR-Staat.
Die Regelung des § 15 Abs. 6 AStG stand schon lange in Verdacht, gegen Europarecht zu verstoßen. Umso erfreulicher ist nunmehr die Entscheidung des BFH. So können sich in Zukunft nicht nur Errichter und Begünstigte schweizerischer Familienstiftungen, sondern auch ausländischer Common Law Trusts auf die Ausnahmevorschrift berufen. Dies betont der Bundesfinanzhof bemerkenswerterweise selbst in einer mit der Entscheidung veröffentlichten Pressemitteilung: „Für die Praxis bedeutet die Entscheidung insbesondere, dass sich die Begünstigten der im Common-Law-Raum weit verbreiteten Trusts auch auf die Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung berufen können. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Erweiterung auf den Umfang der Zurechnungsbesteuerung nach dem AStG auswirken wird.“
Für mögliche Zuzügler aus dem angloamerikanischen Raum sollte bei entsprechendem „pre-emigration planning“ die Entscheidungsfindung nunmehr deutlich erleichtert sein. Trusts stellen in diesen Jurisdiktionen gängige Instrumente der Nachfolgeregelung dar. Die BFH-Rechtsprechung führt daher gerade für diese Zuzugsländer aufgrund des möglichen Ausschlusses einer pönalisierenden Besteuerung zu einer Entlastung.
Die Entscheidung steht damit in einer Linie mit weiteren begrüßenswerten Korrekturen der jüngeren Rechtsprechung. Schenkungsteuerlich hatte der BFH bereits entschieden (Urteil vom 25.6.2021, Az. II R 31/19), dass nur bei Vorliegen eines sog. „Zwischenberechtigten“ von einer Schenkungsteuerbarkeit von laufenden satzungskonformen Trustauskehrungen auszugehen ist. Einkommensteuerpflichtig sind Trust- und Stiftungsauskehrungen zudem nur insoweit, als es sich hierbei um eine Verteilung des erwirtschafteten Überschusses handelt (vgl. BFH-Urteil Urt. v. 1.10.2024, VIII R 25/21).
Für die Vergangenheit werden sich auf die Entscheidung allerdings nur solche Steuerpflichtige berufen können, deren Bescheide noch nicht bestandskräftig sind. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass eine Reaktion der Finanzverwaltung abzuwarten bleibt. Ebenfalls ist unklar, ob und in welchem Umfang der Gesetzgeber auf die Entscheidung des BFH reagieren wird.