Neues Sanktionsinstrument bei Betriebsprüfungen jetzt anwendbar

Seit dem 1. Januar 2025 gelten in Deutschland neue Vorschriften zur steuerlichen Betriebsprüfung (siehe dazu bereits im FGS Blog vom 27. Januar 2025). Für die Praxis von besonderer Bedeutung ist der (mögliche) Einsatz eines neuen Sanktionsinstruments: dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen nach § 200a AO. Nach Ablauf der im Gesetz vorgesehenen Schonfrist könnten die ersten qualifizierten Mitwirkungsverlangen nun bald erlassen werden. Wir geben einen Überblick.
Die mit dem sog. DAC 7-Umsetzungsgesetz (Bundesgesetzblatt BGBl. Online-Archiv 1949 - 2022 | Bundesanzeiger Verlag) initiierte Reform der Außenprüfung dient maßgeblich dazu, die Prüfungsdauer zu verkürzen und die Zeitnähe der Betriebsprüfung zu verbessern. Dazu sieht das Gesetz u.a. einen früheren Prüfungsbeginn vor (§ 197 Abs. 5 AO) und begrenzt die Ablaufhemmung auf nunmehr fünf Jahre (§ 171 Abs. 4 Satz 3 AO).
Von den Vorteilen einer beschleunigten Betriebsprüfung sollen aber nur Steuerpflichtige profitieren, die ihre steuerlichen Mitwirkungspflichten in vollem Umfang erfüllen. Steuerpflichtige, die versuchen, durch eine defensiv-destruktive Verfahrenstaktik den früheren Eintritt der Festsetzungsverjährung auszunutzen, sollen hingegen nicht profitieren. Um die Mitwirkung des Steuerpflichtigen während der Außenprüfung auch bei einer Begrenzung der Ablaufhemmung sicherzustellen, hat der Gesetzgeber das qualifizierte Mitwirkungsverlangen eingeführt.
Der Kern des Sanktionsinstruments besteht darin, dass der Steuerpflichtige nach Ablauf von sechs Monaten seit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung (innerhalb derer bereits „einfache Mitwirkungsverlangen“ ergangen sein können) mittels Verwaltungsakts zur Mitwirkung aufgefordert werden kann (§ 200a Abs. 1 Satz 1 AO). Gegenstand des qualifizierten Mitwirkungsverlangens sind die allgemeinen Mitwirkungspflichten während der Außenprüfung nach § 200 AO.
Kommt der Steuerpflichtige dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen innerhalb eines Monats nicht oder nicht hinreichend nach, ist (kein Ermessen!) ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen (§ 200a Abs. 2 Satz 1 AO). Das Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt 75 Euro für jeden vollen Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung und darf für höchstens 150 Tage festgesetzt werden, d. h. der Höchstbetrag liegt bei 11.250 Euro.
Liegt der Fall einer wiederholten Mitwirkungsverzögerung vor oder ist zu befürchten, dass der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht nach § 200a Abs. 1 AO aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ohne einen Zuschlag nicht nachkommt, kann die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen als weitere Sanktion einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festsetzen (§ 200a Abs. 3 Satz 1 AO, Ermessensentscheidung). Der Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld beträgt höchstens 25.000 Euro für jeden vollen Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung und darf für höchstens 150 Tage festgesetzt werden. Der Höchstbetrag liegt hier also bei 3,75 Millionen Euro.
Die Regelung des § 200a AO ist grundsätzlich erstmals bei der Prüfung von Steuern bzw. Steuervergütungen anwendbar, die nach dem 31. Dezember 2024 entstehen (Art. 97 § 37 Abs. 2 Satz 1 EGAO). Darüber hinaus ist § 200a AO auch auf Steuern bzw. Steuervergütungen anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2025 entstanden sind, wenn für diese Steuern und Steuervergütungen nach dem 31. Dezember 2024 eine Prüfungsanordnung (§ 196 AO) bekanntgegeben wurde (Art. 97 § 37 Abs. 3 Satz 1 EGAO).
Wurde dem Steuerpflichtigen also am 2. Januar 2025 eine Prüfungsanordnung für die Veranlagungszeiträume von 2020 bis 2023 bekannt gegeben, kann erstmals ab dem 3. Juli 2025 ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen gegenüber dem Steuerpflichtigen festgesetzt werden.
Setzt sich der Steuerpflichtige mit Einspruch bzw. Klage gegen die Maßnahmen nach § 200a AO zur Wehr, ordnet § 200a Abs. 5 AO an, dass die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht vor Ablauf eines Jahres nach der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf abläuft. Das gilt auch dann, wenn sich im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens herausstellt, dass die ergriffenen Maßnahmen nach § 200a AO rechtswidrig sind. Um diese (als verfassungswidrig kritisierte) Rechtsfolge nicht eintreten zu lassen, kann der Steuerpflichtige in Erwägung ziehen, anstatt eines Einspruchs bzw. einer Klage einen Antrag auf Rücknahme nach § 130 Abs. 1 AO zu stellen.
Dazu muss es aber auch gar nicht erst kommen. Vereinbaren der Steuerpflichtige und die Finanzbehörde Rahmenbedingungen für die Mitwirkung während der Außenprüfung nach § 200 AO und erfüllt der Steuerpflichtige diese, kann gegen den Steuerpflichtigen kein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen nach § 200a AO festgesetzt werden (§ 199 Abs. 2 Satz 3 AO). Gab es in geeigneten Einzelfällen schon in der Vergangenheit derartige Verabredungen, können sie nun auf Grund einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage rechtssicher erfolgen, um dem Einsatz des neuen Sanktionsinstruments vorzubeugen.
Um die Mitwirkung des Steuerpflichtigen während der Außenprüfung auch bei einer Begrenzung der Ablaufhemmung sicherzustellen, hat der Gesetzgeber ein neues Sanktionsinstrument eingeführt: das qualifizierte Mitwirkungsverlangen nach § 200a AO. Es wird mit Spannung zu beobachten sein, ob und in welchem Umfang die Betriebsprüfung hiervon nun tatsächlich Gebrauch macht. Angedroht wurde der Einsatz in den zurückliegenden Wochen und Monaten durchaus bereits in einigen Fällen. Ob dem jetzt auch Taten folgen werden, wird sich nun zeigen. Steuerpflichtige und deren Berater müssen sich ab jetzt jedenfalls darauf einstellen.