Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wurde zum 1. Januar 2025 die Steuerbefreiung für Bildungs- und Ausbildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG grundlegend reformiert, um die Befreiung an die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) anzupassen. Diese führte in der Praxis zu erheblicher Unsicherheit, etwa bei der Frage, welche Bildungsleistungen umsatzsteuerfrei sind, wie das Bescheinigungsverfahren anzuwenden und wie Online- bzw. Fernunterricht einzuordnen sind.

Bereits im Februar dieses Jahres hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) einen Entwurf für ein neues BMF-Schreiben zu § 4 Nr. 21 UStG veröffentlicht. Erst am 17. Oktober 2025 wurde schließlich ein neues BMF-Schreiben veröffentlicht, aber noch am selben Tag wieder zurückgezogen. Mit dem BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2025 existiert nun ein neues BMF-Schreiben zu Bildungsleistungen, das erhebliche Änderungen des Umsatzsteueranwendungserlasses mit sich bringt.

Das Schreiben enthält eine Vielzahl an Klarstellungen und bezieht EuGH- und BFH-Rechtsprechung aus den letzten Jahren (u.a. zu Fahrschulunterricht, Schwimmunterricht von Schwimmschulen etc.) ein. Darüber hinaus findet sich eine verhältnismäßig lange Übergangsregelung, die es den Anbietern ermöglicht, ihre Leistungen einer genauen Überprüfung zu unterziehen, um sie so nach den neuen Vorgaben einordnen zu können.

Zudem hat das BMF am 24. Oktober 2025 auch ein Informationsblatt zur Anwendung von § 4 Nr. 22 Buchst. a) UStG erlassen, in dem Kriterien für das Vorliegen von begünstigten Leistungen im Rahmen von Schul- oder Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder beruflicher Umschulung konkretisiert werden.

Bescheinigungsverfahren und materiell-rechtliche Voraussetzungen

Nachdem zunächst vorgesehen war, das Bescheinigungsverfahren zu streichen, ist es in der Neufassung von § 4 Nr. 21 UStG weiterhin vorgesehen. Allerdings hat sich der Gegenstand der Prüfung durch die zuständige Landesbehörde geändert. Sie muss nun bestätigen, dass die Leistung „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung“ darstellt.

Mit dem neuen BMF-Schreiben wurde der Hinweis gestrichen, dass das Finanzamt die zuständige Landesbehörde auch von Amts wegen einschalten kann (Abschnitt 4.21.5 Abs. 2 Satz 1 a.F.). Ob daraus eine faktische Optionsmöglichkeit des Steuerpflichtigen folgt, wenn er die Bescheinigung schlicht nicht beantragt, bleibt nach dem aktuellen BMF-Schreiben aber zweifelhaft. So hat das BMF die Anwendungsregel gegenüber der Entwurfsfassung um folgende, etwas kryptische Formulierung ergänzt: „Sofern der Unternehmer keine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorlegt, obliegt es der Finanzbehörde, bei begründeter Annahme des Vorliegens einer begünstigten Bildungsleistung eine Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Seite 16 von 17 Nummer 21 Satz 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG bei der zuständigen Landesbehörde anzuregen und um Erteilung einer solchen zu bitten.“

Es bleibt abzuwarten, wie streng die Finanzbehörden dies in der Praxis handhaben werden. Steuerpflichtige dürften aber weiterhin damit rechnen müssen, dass eine Bescheinigung auch von Amts wegen beantragt werden kann.

Zudem bestätigt die Finanzverwaltung, dass vor dem 1. Januar 2025 ausgestellte Bescheinigungen bis zum Ablauf des Gültigkeitszeitraums oder eines etwaigen Widerrufs fortgelten. Zu beachten ist aber, dass bei wesentlichen inhaltlichen Änderungen des jeweiligen Kurses die Beantragung einer neuen Bescheinigung grds. erforderlich ist.

Leistungsumfang, Online- und Fernunterricht

Die Neuregelung und das Schreiben betreffen auch die Frage, inwieweit digitale Bildungsangebote, Fernunterricht oder hybride Leistungsformen (Präsenz + Online) von der Befreiung erfasst sind. Zu Online-Veranstaltungen hat sich die Finanzverwaltung zudem auch kürzlich mit einem neuen BMF-Schreiben vom 8. August 2025 geäußert (s. auch hier). Mit dem neuen BMF-Schreiben wurde zum einen ergänzt, dass „die Bereitstellung einer Aufzeichnung des Unterrichts im Nachgang zu einer ‚Vor-Ort‘-Veranstaltung oder zu einem Live-Stream ohne gesondertes Entgelt eine Nebenleistung zur Bildungsleistung [darstellt]“. Allerdings sollen vorgefertigte Lehrgänge – wie es sich bereits aus dem BMF-Schreiben vom 8. August 2025 ergibt – (weiterhin) nicht von der Befreiung umfasst sein. Eine Ausnahme besteht allerdings explizit für Umsätze, die nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (s. dazu hier) zugelassen sind. Diese sind als Bildungsleistungen steuerfrei.

Übergangsregelung

Von besonderer Relevanz ist zudem die Übergangsregelung: Für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2028 ausgeführt wurden bzw. werden, wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer weiterhin so handelt wie bisher, also nach den bisherigen Abschnitten 4.21.1 bis 4.21.5 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) in der am 31. Dezember 2024 geltenden Fassung.

Damit wird praktisch eine Schonfrist gewährt. Leistungserbringer können die bisherige Praxis weiterführen, statt sofort alle Änderungen vollständig umzusetzen.

Bedeutung und Auswirkungen

Die Übergangsregelung ist als wichtige Entlastung zu werten, weil sofortiges Handeln unter hoher Unsicherheit vermieden wird. Dennoch bleibt Rechtsunsicherheit bestehen, insbesondere bei neuen Bildungsformaten und digitalen/Online-Leistungen, die von zunehmender Bedeutung für Bildungsanbieter, Steuerberater und Finanzverwaltung sind. In diesem Zusammenhang bleibt weiterhin abzuwarten, inwieweit sich die zuständigen Landesbehörden bei der Erteilung von Bescheinigungen für die digitalen Bildungsangebote an den Maßgaben der Finanzverwaltung orientieren werden und wie Finanzämter mit Bescheinigungen umgehen, die über diese Maßgaben hinausgehen.  

Für Bildungseinrichtungen und Anbieter ist es nun wichtig, die neuen Voraussetzungen zu analysieren und das Bescheinigungsverfahren zu prüfen, um zu klären, ob eine Weiterführung der alten Praxis bis 2028 sinnvoll ist. Eine spätere Überprüfung durch Finanzbehörden ist hierbei allerdings nicht ausgeschlossen. Auch sollten Bildungsanbieter prüfen, ob bisher nicht bescheinigte digitale Kurse oder Angebote inzwischen für eine Bescheinigung in Betracht kommen.