Nachhaltigkeit bei Versicherungen: Aktuelle Entwicklungen und Aufsichtsfokus 2025

Das Thema Nachhaltigkeit steht seit Jahren im Fokus des deutschen und europäischen Gesetzgebers. Auf den Versicherungssektor wirkt dies in zweierlei Hinsicht ein: Zum einen sind Versicherungen verpflichtet, die branchenunabhängigen Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen; im Fokus steht dabei aktuell insbesondere die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD, RL (EU) 2022/2464). Zum anderen ist das Thema Nachhaltigkeit Gegenstand einer dynamischen Regulierung im Finanz- und Versicherungsaufsichtsrecht und steht nach Ankündigung der BaFin auch für das Jahr 2025 im Fokus der Aufsicht.
Durch die CSRD wird die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gegenüber dem bisherigen Regime der nichtfinanziellen Berichterstattung (§§ 289b ff., 315b ff. HGB) erheblich ausgeweitet. Zu den berichtspflichtigen Unternehmen gehören gemäß den komplexen Anwendungsregeln der CSRD im Grundsatz auch Versicherungen. Da eine Umsetzung der CSRD in Deutschland allerdings bislang nicht erfolgt ist, gilt aktuell das bisherige Rechtsregime nach HGB fort. Mit Blick auf diejenigen Unternehmen, die nach der CSRD bereits für das Geschäftsjahr 2024 der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD unterliegen (würden), werden daher derzeit zahlreiche Fragen diskutiert. Dabei ist davon auszugehen, dass die nichtfinanzielle (Konzern-)Berichterstattung grundsätzlich auch durch eine Berichterstattung nach Maßgabe der die CSRD konkretisierenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS, DVO (EU) 2023/2772) erfolgen kann, sofern hierbei (auch) die Anforderungen der §§ 289b ff., 315b ff. HGB berücksichtigt werden.
Eine neue Dynamik erhält das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung durch den Entwurf der EU-Kommission vom 26.02.2025 für ein „Omnibus-Paket“, mit dem der Verwaltungsaufwand für die Unternehmen um mindestens 25% reduziert werden soll. Durch die Gesetzesinitiative soll u. a. die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD nur noch für große Unternehmen bzw. Mutterunternehmen großer Gruppen mit mehr als 1.000 Beschäftigten gelten und hierdurch rund 80 % der Unternehmen aus dem Anwendungsbereich der CSRD herausgenommen werden. Dabei soll der Anwendungsbeginn für die ab 2026 und 2027 berichtspflichtigen Unternehmen übergangsweise um zwei Jahre verschoben werden. Ferner sollen die ESRS vereinfacht bzw. reduziert werden. Auch die Berichtspflichten im Rahmen der EU-Taxonomie sollen verringert werden und nur für die größten Unternehmen verpflichtend sein. Das Europäische Parlament und der Rat müssen noch über das Vorhaben entscheiden.
Bereits in ihrer Sustainable-Finance-Strategie von Juli 2023 erklärte die BaFin, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Aufsicht einer ihrer zehn Schwerpunkte für die nächsten Jahre sei. Dabei versteht die BaFin Nachhaltigkeit grundsätzlich im Sinne von Environment, Social und Governance (ESG)-Aspekten, wobei der Schwerpunkt der Aufsicht derzeit auf der Dimension „Environmental“ und hier insbesondere auf dem Klimawandel liegt. Die BaFin behandelt ESG-Risiken, insbesondere Klima- und Umweltrisiken, nicht als neue Risikoart, sondern entlang der etablierten Risikokategorien (Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, operationelle, versicherungstechnische und strategische Risiken).
Auch in ihrem jüngst veröffentlichten Bericht „Risiken im Fokus der BaFin 2025“ bewertet die BaFin die Nachhaltigkeit als „bedeutenden Trend“ für die beaufsichtigten Unternehmen. Zu den Risiken im Bereich Nachhaltigkeit zählt die BaFin neben transitorischen Risiken und Greenwashing insbesondere auch steigende umweltbezogene finanzielle Risiken, insbesondere durch physische Auswirkungen (wie Extremwetterereignisse), welche sich z. B. auf Schadenssummen oder auf die grundsätzliche Versicherbarkeit bestimmter Risiken auswirken können. Mit Blick auf das Management von Nachhaltigkeitsrisiken sieht die BaFin im Versicherungssektor – trotz grundsätzlicher Fortschritte – „noch Verbesserungspotential“ und kündigt an, im Jahr 2025 physischen Risiken in der Aufsicht mehr Gewicht zu geben und einen besonderen Fokus darauf zu legen, wie beaufsichtigte Unternehmen mit physischen Risiken umgehen. Insbesondere werde sie analysieren, wie ausgewählte beaufsichtigte Unternehmen in der Risikoinventur mit physischen und transitorischen Risiken umgehen und welche Rolle die Anpassung an den Klimawandel und Umweltrisiken für die Unternehmen spielen.
Auch der am 29.01.2025 veröffentlichte Konsultationsentwurf des überarbeiteten BaFin-Rundschreibens „Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen unter Solvabilität II (MaGo für SII-VU)“ greift erstmals das Thema Nachhaltigkeit auf. An verschiedenen Stellen wird klargestellt, dass zu den im Rahmen der Geschäftsorganisation zu berücksichtigenden Risiken auch Nachhaltigkeitsrisiken gehören. Ferner wird die Beachtung von Nachhaltigkeitsanforderungen als zusätzliche Herausforderung im Bereich Compliance identifiziert. Bestehen wesentliche Nachhaltigkeitsrisiken, sind deren Auswirkungen nach dem Entwurf sowohl kurz- als auch langfristig mit geeigneten unternehmensindividuellen Stresstests zu bewerten, wobei die Beurteilung, soweit sinnvoll und möglich, auch quantitativ erfolgt. Ferner hat die BaFin am 06.03.2025 ein neues Rundschreiben 05/2025 zum Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht (Prudent Person Principle – PPP) veröffentlicht, das erstmals eine Verwaltungspraxis zur Nachhaltigkeit im Rahmen des PPP schafft und Hinweise zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken gibt.
Das Ziel der Omnibus-Initiative einer Entbürokratisierung im Bereich der EU-Nachhaltigkeitsvorschriften ist aus Sicht der Praxis klar zu begrüßen. Im Bereich der Versicherungsaufsicht steht das Thema Nachhaltigkeit auch für das Jahr 2025 im Fokus der BaFin, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeitsrisiken bzw. physischen Risiken für die beaufsichtigten Unternehmen.