Milderung der Mehrfachbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer gem. § 35b EStG

08.05.2025 | FGS Blog

Gehören zur Erbschaft Vermögensgegenstände, die bei späterer Veräußerung einkommensteuerpflichtig sind (sog. steuerverstricktes Vermögen), kann es bei Erben zu einer Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer kommen. Diese kann vermieden werden, indem die auf das Vermögen entfallende Erbschaftsteuer nach Maßgabe des § 35b EStG auf die Einkommensteuer angerechnet wird. Das Gesetz geht im Regelfall davon aus, dass die im Erbfall nur latente Belastung der Erbschaft mit Einkommensteuer beim Verkauf nicht in Abzug gebracht wird. Dies kann für die Erben eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. Der Gesetzgeber hat vor diesem Hintergrund mit Wirkung zum 1. Januar 2009 die Steuerermäßigungsmöglichkeit des § 35b EStG eingeführt, die eine einkommens- sowie erbschaftsteuerliche Doppelbelastung zwar nicht vollständig vermeidet, diese aber abmildern kann. § 35b EStG ermöglicht es, auf Antrag die Erbschaftsteuer bei Festsetzung der Einkommensteuer anzurechnen, soweit der betreffende Gegenstand aus der Erbschaft erworben wurde. Dies zielt vor allem auf die Steuerbelastung des Erben ab, die sich aus einer Weiterveräußerung des im Rahmen der Erbschaft erworbenen Gegenstandes ergibt. Fällt beim Verkauf Einkommensteuer an, unterliegt der zuvor bereits mit Erbschaftsteuer belegte Gegenstand anschließend in Höhe der zu versteuernden stillen Reserven somit einer Doppelbelastung.

Der Zeitraum für diese Begünstigung ist auf fünf Veranlagungszeiträume begrenzt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich nun mit der Frage beschäftigt, welches Ereignis den Anlass für den Beginn der Fünfjahresfrist darstellt (BFH, Urt. v. 28. November 2023 – X R 20/21). Dabei gelangt er zu dem Ergebnis, dass der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer – somit der Tod des Erblassers – maßgeblich ist. Dies gilt auch dann, wenn es aufgrund erschwerter Sachverhaltsaufklärung und Verhinderungen von behördlicher Seite erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist zu einer Festsetzung und/oder tatsächlichen Zahlung der Erbschaftsteuer kommt.

Sachverhalt

Der Kläger hatte in dem streitgegenständlichen Fall im Jahr 2010 unter anderem eine Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft geerbt. Die Erbenermittlung im Rahmen des Erbscheinverfahrens gestaltete sich schwierig, sodass dem Kläger erst im Jahr 2016 ein Erbschein ausgestellt werden konnte, der ihn als Alleinerben auswies. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kläger aufgrund einer Nachlass- und Verfahrenspflegschaft gehindert, über den Nachlass zu verfügen. Der Kläger veräußerte mit Wirkung zum 1. Januar 2017 die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft. Hinsichtlich der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Einkommensteuer beantragte er die Steuerermäßigung des § 35b EStG. Der Kläger vertrat hierzu die Auffassung, dass für den Beginn der Fünfjahresfrist der Zeitpunkt der Belastung mit der Erbschaftsteuer maßgeblich sei. Dies erfolge erst durch die Festsetzung und der darauffolgenden Zahlung der Erbschaftsteuer. Die Finanzbehörde sowie das Finanzgericht (FG) Hamburg lehnten in den Vorinstanzen den Antrag ab, da die Fünfjahresfrist bereits abgelaufen sei.

Entscheidung des Gerichts

Der BFH bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen, wonach es für den Beginn der Fünfjahresfrist auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer im Sinne des Erbschaftsrechts und somit auf den Tod des Erblassers ankomme. Der klägerische Antrag sei daher richtigerweise abzulehnen gewesen.

Das Gericht betonte bei seiner Begründung zunächst den Unterschied zwischen der Festsetzung und der Entstehung des Steueranspruchs. Letztere erfolge automatisch mit dem Tod des Erblassers. Das Gericht räumt dabei ein, dass der Gesetzeswortlaut insoweit unklar sei. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Steuerentstehung entspreche jedoch eindeutig dem gesetzgeberischen Willen: Dies folge insbesondere aus dem Bedürfnis, den Beginn des Ermäßigungszeitraums zweifelsfrei feststellen zu können. Sinn und Zweck der Vorschrift werde durch die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Steuerentstehung gewahrt: Der Gesetzgeber habe lediglich besondere Härtefälle, nicht aber jede steuerliche Doppelbelastung vermeiden wollen. Dies werde bereits aus der zeitlichen Begrenzung der Entlastungsmöglichkeit deutlich.

Der BFH betonte weiter, dass dem unter Anwendung dieser Grundsätze gefundenen Ergebnis auch im konkreten Fall nichts entgegenstehe. Dem Umstand, dass die Erbschaftsteuer zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Ermäßigung noch nicht festgesetzt worden sei, könne durch verfahrensrechtliche Mittel begegnet werden. Der Tatbestand des § 35b EStG sei zudem verschuldensunabhängig ausgestaltet, sodass Verzögerungen im Erbscheinverfahren für den Fristenlauf unbeachtlich seien. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund bedeutsam, dass kein verfassungsrechtliches Gebot bestehe, eine Doppelbelastung zu vermeiden.

Rechtliche Würdigung / Praktische Hinweise

Die Entscheidung des BFH schafft Klarheit hinsichtlich der Anrechnungsmöglichkeit nach § 35b EStG. Sofern ­– auch während eines laufenden Erbschaftsteuerverfahrens – sich die Veräußerung von Vermögen aus der Erbschaft abzeichnet, muss die Fünfjahresfrist im Blick behalten und ein entsprechender Antrag gestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn es im erbschaftsteuerlichen Verfahren noch nicht zur Festsetzung der Steuer gekommen oder eine Veräußerung praktisch (noch) nicht möglich ist, etwa weil ein Erbschein noch nicht vorliegt. Falls mittelfristig ein Verkauf des Gegenstandes angedacht ist, kann eine frühere Veräußerung durch den Erblasser selbst auch als Gestaltungsinstrument dienen. In diesem Fall realisiert dieser selbst die stillen Reserven, und die Steuerschuld wäre vom Erwerb für die Festsetzung der Erbschaftsteuer abzuziehen. Dies ist insbesondere dann attraktiv, wenn der Erblasser bei Betriebsvermögen die Entlastung gem. §§ 16, 34 EStG in Anspruch nehmen kann.