Leitlinien der OECD zu den Implikationen der Corona-Krise auf Verrechnungspreise

05.01.2021

Die OECD hat am 18. Dezember 2020 Leitlinien zum Umgang mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Verrechnungspreisbestimmung veröffentlicht. Hintergrund dieser Leitlinien ist, dass die durch die Corona-Krise bedingten Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich auf die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auswirken. Die OECD will daher Steuerpflichtigen ebenso wie den Finanzverwaltungen Hinweise an die Hand geben, wie sie mit diesen außerordentlichen Umständen umgehen können.

Schwerpunkte der OECD-Ausführungen

Die Leitlinien der OECD geben Hinweise zu den vier nachfolgenden Themen:

  • Vergleichbarkeitsanalyse,
  • Umgang mit Verlusten und durch die Corona-Krise induzierten Kosten,
  • Behandlung staatlicher Unterstützungsprogramme und
  • Auswirkungen auf Vorabverständigungsverfahren („APAs“).

Die OECD stellt klar, dass es sich hierbei nicht um eine Erweiterung oder Überarbeitung der OECD Transfer Pricing Guidelines von 2017 handelt, sondern lediglich um eine Erklärung, wie mit diesen im Hinblick auf die Corona-Krise zu verfahren ist.

Vergleichbarkeitsanalyse

Die wirtschaftliche Veränderung aufgrund der Corona-Krise wirkt sich auf die Vergleichbarkeit von Daten aus. So können Finanzzahlen aus 2020 nicht mit historischen Daten verglichen werden:

  • Es ist im Einzelfall zu beurteilen, ob die Corona-Krise sich auf die betrachtete Transaktion auswirkt.
  • Für Verrechnungspreise solcher Transaktionen, deren Vergütung im Vorhinein vereinbart worden ist und deren wirtschaftliche Umstände sich nicht verändert haben, ergeben sich keine Änderungen. Sofern sich die wirtschaftlichen Umstände verändert haben, sind die wirtschaftlichen relevanten Charakteristika zu untersuchen und ebenfalls zu eruieren, ob fremde Dritte versucht hätten, die Vereinbarungen zu ändern.
  • Bei Verrechnungspreisen für Transaktionen, deren Vergütung jährlich bestimmt wird, ist eine Vergleichbarkeitsanalyse durchzuführen.

Für Vergleichbarkeitsanalysen für die Zeit während der Corona-Krise gilt:

  • Die OECD bietet eine Aufzählung von möglichen Quellen, die die Plausibilisierung einer Vergleichsbarkeitsanalyse (z.B. mit geringeren Margen) unterstützt, z.B. die Veränderung der Umsatzerlöse.
  • Auch der Vergleich mit Budgetgrößen soll zur Plausibilisierung herangezogen werden können.
  • Es kann die Möglichkeit eingeräumt werden, Verrechnungspreise anhand des outcome testing approach zu kalkulieren (anstelle des price setting approach), Verrechnungspreise im Nachhinein anzupassen oder mehrere Verrechnungspreismethoden anzuwenden.
  • Die Daten aus anderen Krisen (bspw. Finanzkrise 2008/2009) sollten nicht ohne Weiteres benutzt werden. Es bedarf stets einer Analyse der individuellen Transaktion.
  • Verlustbringende Vergleichswerte sollen grundsätzlich akzeptiert werden.

Verluste und durch die Corona-Krise induzierte Kosten

Durch die Corona-Krise induzierte Kosten sind nicht der einzige Grund für Verluste einer Unternehmensgruppe. Auch aufgrund zurückgehender Nachfrage oder Produktionsstillstand können Verluste entstehen. Auf Basis der OECD Leitlinien lassen sich der Umgang mit Verlusten und der Umgang mit den durch die Corona-Krise induzierten Kosten voneinander getrennt betrachten:

 

Umgang mit Verlusten:

  • Die Funktions- und Risikoanalyse bestimmt die Allokation von Gewinnen bzw. Verlusten innerhalb einer Unternehmensgruppe.
  • Die Corona-Krise hat Auswirkungen auf Risiken, unter anderem auf Gefährdungsrisiko, Marktrisiko, Betriebsrisiko und Finanzrisiken.
  • Steuerpflichtige sollten die Risiken während der Corona-Krise im Einklang mit der Analyse der Risiken vor der Corona-Krise erörtern.
  • Routine-Unternehmen können grundsätzlich kurzfristig auch Verluste erwirtschaften.
  • Änderungen der Vereinbarungen/Verträge und damit einhergehend der Verrechnungspreise sind konzernintern denkbar, wenn nachgewiesen werden kann, dass auch fremde Dritte solche Änderungen vornehmen.
  • Bei dem Widerruf von Verträgen aufgrund höherer Gewalt ist zu prüfen, ob auch fremde Dritte aufgrund solcher Klauseln Verträge widerrufen hätten.

Umgang mit durch die Corona-Krise induzierte Kosten:

  • Es ist im Einzelfall zu beurteilen, welche Kosten außerordentlicher oder ordentlicher bzw. operativer oder nicht-operativer Natur sind.
  • Außerordentliche Kosten sollte das Unternehmen einer Gruppe tragen, das das Risiko trägt, oder das üblicherweise, abhängig von der Branche und dem Unternehmen, auch zwischen fremden Dritten solche Kosten trägt.
  • Welche Kosten als durch die Corona-Krise induziert zu qualifizieren sind, hat eine Auswirkung auf Vergleichbarkeitsanalyse und kann in unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards und Steuerregimen unterschiedlich ausfallen.

Staatliche Unterstützungsprogramme

Staatliche Unterstützungsprogramme sind in unterschiedlichen Formen in der Corona-Krise zu finden: Monetärer oder nicht-monetärer Art oder indirekter oder direkter Art. Dazu zählen z.B. Kurzarbeitsprogramme, Gewährung von Krediten, Steuererleichterungen, usw. Die OECD führt in den Leitlinien aus:

  • Es ist notwendig, im Einzelfall zu prüfen, ob die staatliche Unterstützung einen Effekt auf die untersuchte Transaktion hat. Ohne die Durchführung einer gründlichen Analyse kann dazu keine Aussage getroffen werden.
  • Lediglich aufgrund staatlicher Unterstützung kann Unternehmen einer Gruppe nicht das Risiko wie z.B. das Kreditrisiko, abgesprochen werden. Dieses bleibt bestehen, sofern nicht andere Faktoren für eine Veränderung des Risikos sprechen.

Für Vergleichsbarkeitsanalysen haben staatliche Unterstützungsprogramme folgende Auswirkungen:

  • Staatliche Unterstützungsprogramme fallen je nach Land unterschiedlich aus. Ob dies bei Vergleichbarkeitsanalysen Auswirkungen auf die Bestimmung eines geografischen Marktes hat, ist im Einzelnen zu prüfen.
  • Zu beachten ist zudem, dass staatliche Unterstützungsprogramme in unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards differenziert behandelt werden.

Vorabverständigungsverfahren (APAs)

Durch die OECD Leitlinien werden einerseits bereits bestehende Verständigungen behandelt, die das Jahr 2020 betreffen, andererseits solche, die aktuell vereinbart werden und das Jahr 2020 betreffen.

  • Grundsätzlich haben Verständigungen auch in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten weiterhin Bestand.
  • Die vereinbarten Bedingungen und Konditionen von Verständigungen (sogenannte Critical Assumptions) könnten jedoch aufgrund der veränderten Marktkonditionen verletzt werden. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.
    • Steuerpflichtige sollten mit den betroffenen Finanzverwaltungen möglichst frühzeitig den Dialog suchen, wenn absehbar ist, dass die Annahmen verletzt werden.
    • Sofern vorhanden, sollte dann den Regeln gefolgt werden, die bei Verletzung der Bedingungen vorgesehen sind,
    • Den Finanzverwaltungen kann jedoch auch ein Ermessensspielraum zustehen, in Abstimmung mit den Steuerpflichtigen weiterhin bestehende Verständigungen anzuwenden.
    • Sofern nicht explizit vorgesehen, ist bei Verletzung der Annahmen eine Überarbeitung oder ein Widerruf der Verständigung denkbar, wobei Letzteres selten in der Praxis aufzufinden sein sollte.

  • Für aktuell laufende, noch nicht abgeschlossene, Vorabverständigungsverfahren, die unter anderem die Zeit der Corona-Krise (vor allem das Jahr 2020) betreffen, sollte bedacht werden, dass entweder eine diesbezüglich flexible Vereinbarung getroffen oder für die Zeit der Corona-Krise eine separate Verständigung getroffen wird.

Einschätzung

Die Veröffentlichung der Leitlinien ist zu begrüßen. Finanzverwaltungen und Steuerpflichtigen wird dadurch aufgezeigt, welche Möglichkeiten bestehen, den Besonderheiten der Corona-Krise im Rahmen der Verrechnungspreisbestimmung Rechnung zu tragen. Steuerpflichtige sind jedoch angehalten, für die Verrechnungspreisbestimmung in den Jahren der Corona-Krise stets zu dokumentieren, welche Auswirkungen die Corona-Krise im Einzelfall hatte.

 

 

 

Der Beitrag ist unter Mitarbeit von Tom Rueß, Praktikant im Bereich „Internationale Unternehmensbesteuerung" entstanden.