Kurzarbeit in der Corona-Krise

19.03.2020
Dr. Andreas Wirtz

Die Corona-Krise erschüttert die deutsche Wirtschaft. Behördliche Einschränkungen, vorübergehende Betriebsschließungen, Engpässe bei Lieferketten, ausbleibende Kunden und viele Gründe mehr führen dazu, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter infolge der Ausbreitung des Coronavirus nicht mehr voll einsetzen können. Das Risiko eines solchen Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs trägt jedoch gem. § 615 Satz 3 BGB der Arbeitgeber, d.h. Arbeitnehmer haben weiterhin Anspruch auf Zahlung der Vergütung, wenn der Arbeitgeber sie nicht einsetzen kann. Dies hat wiederum eine erhebliche wirtschaftliche Belastung der Unternehmen zur Folge, da Personalkosten weiterhin anfallen. Ein Mittel zur Kostensenkung kann die Einführung von Kurzarbeit sein, deren Voraussetzungen aktuell aufgrund der Corona-Krise von der Regierung gelockert wurden und auf die Unternehmen bereits in erheblichen Umfang zurückgreifen.

 

Der folgende Beitrag soll einen Überblick über dieses Thema aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht geben.

Kurzarbeit: Was ist das?

Unter Kurzarbeit versteht man eine vorübergehende Reduzierung der regulären Arbeitszeit aufgrund von Arbeitsausfall. Dabei kann es sich entweder um eine anteilige (z.B. 50% Arbeitszeit und 50% Gehalt) oder eine vollständige Reduzierung („Kurzarbeit Null“, d.h. 0 Arbeitsstunden und 0 Gehalt) handeln. Kurzarbeit geht regelmäßig einher mit einem von der Agentur für Arbeit gezahlten Kurzarbeitergeld.

Welche rechtlichen Anforderungen sind zu beachten, um Kurzarbeit wirksam einzuführen?

Kurzarbeit muss arbeitsrechtlich wirksam ausgeführt werden. Eine einseitige Anordnung von Kurzarbeit im Rahmen des allgemeinen Weisungsrechts des Arbeitgebers ist nicht möglich. Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen (sofern im Unternehmen ein Betriebsrat besteht) oder individualvertragliche Vereinbarungen mit den einzelnen Arbeitnehmern (d.h. Änderungsvereinbarungen zum Arbeitsvertrag) sind in dieser Hinsicht mögliche Lösungen. Zwar kommt grundsätzlich auch eine Änderungskündigung in Betracht, aber diese unterliegt zum einen den Beschränkungen des KSchG, zum anderen ist die individuelle Kündigungsfrist einzuhalten, sodass eine kurzfristige Einführung von Kurzarbeit durch Änderungskündigung in der Praxis problematisch ist.

 

Unbedingt zu beachten gilt: Wird Kurzarbeit durch den Arbeitgeber zwar durchgeführt, aber sofern sie nicht auf einer wirksamen Grundlage eingeführt wurde, ist der Arbeitgeber regelmäßig in Verzug und die Arbeitnehmer haben Anspruch auf ihre volle Vergütung.

Kurzarbeitergeld: Was ist das?

Die Agentur für Arbeit gewährt unter bestimmten Voraussetzungen Kurzarbeitergeld. Dieses unterliegt jedoch bestimmten Anforderungen, insbesondere:

  • Kurzarbeit muss arbeitsrechtlich wirksam eingeführt worden sein (s.o.)
  • 1/3 der Arbeitnehmer eines Betriebs müssen von einem Verdienstausfall von mind. 10% betroffen sein (seit dem 15.3.2020 darf die Bundesregierung die Schwelle von 1/3 auf 10% der Arbeitnehmer senken – der Bundesarbeitsminister hat den entsprechenden Erlass bereits rückwirkend zum 1.3.2020 angekündigt, aber er steht derzeit noch aus (Stand: 19.3.2020))
  • Arbeitsausfall muss vorübergehend (d.h. Wahrscheinlichkeit der Rückkehr zur Vollzeit in absehbarer Zeit) und unvermeidbar sein (insb. wenn nicht branchen- oder saisonüblich oder ausschließlich auf betriebsübliche Ursachen zurückzuführen).
  • Mitarbeiter, denen gegenüber bereits eine Kündigung ausgesprochen wurde oder die einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben, haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld
  • Arbeitgeber muss notwendige Maßnahmen zur Vermeidung von Kurzarbeit ergreifen, z.B. offene Urlaubsansprüche gewähren und Arbeitszeitkonten abbauen

Welches Verfahren ist für die Unterrichtung der Agentur für Arbeit und das Einreichen von Anträgen einzuhalten?

Der Arbeitgeber muss der Agentur für Arbeit den Arbeitsausfall schriftlich oder elektronisch anzeigen (§ 99 Abs. 1 SGB III), dabei glaubhaft machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sind. Kurzarbeitergeld wird von der Agentur für Arbeit frühestens ab dem Kalendermonat gezahlt, in dem die Anzeige bei der Agentur für Arbeit eingereicht wurde.

 

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber Anträge auf Erstattung des Kurzarbeitergelds stellen. Diese müssen innerhalb von 3 Monaten nach dem jeweiligen Monat, für den das Kurzarbeitergeld beantragt wird, gestellt werden.

Gibt es eine Maximaldauer, während der Kurzarbeitergeld gezahlt wird?

Grundsätzlich wird Kurzarbeitergeld für eine max. Dauer von 12 Monaten gezahlt. Derzeit diskutiert die Regierung zwar, die Dauer auf 24 Monate zu erhöhen, doch ist diese Verlängerung nicht Teil des ad-hoc Pakets, das im Hinblick auf die derzeitige Ausbreitung des Coronavirus geschnürt wurde.

Wie berechnet sich das Kurzarbeitergeld?

Die Höhe des Kurzarbeitergeldes beträgt 67% (Arbeitnehmer mit mind. 1 kindergeldberechtigten Kind) bzw. 60% (andere Arbeitnehmer) der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum, d.h. der Differenz zwischen dem Nettoentgelt aus dem Soll-Entgelt (Bruttoentgelt ohne Kurzarbeit) und dem Nettoentgelt aus dem Ist-Entgelt (tatsächliches Bruttoentgelt mit Kurzarbeit). Um die Lücke zwischen regulärem und tatsächlichem Gehalt plus Kurzarbeitergeld zu reduzieren, zahlen Arbeitgeber in der Praxis teilweise Aufstockungsbeträge, um den Arbeitnehmer an dieser Stelle zu unterstützen.

 

Beispiel: Wird die Arbeitszeit auf 50% reduziert, erhält ein Arbeitnehmer ohne Kinder ein Bruttogehalt von 50% vom Arbeitgeber und ein Kurzarbeitergeld i.H.v. 60% der verbleibenden Netto-Differenz.

 

Aber Achtung! Kurzarbeitergeld wird nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze berechnet, die sich derzeit auf 82.800 EUR pro Jahr / 6.900 EUR pro Monat (West) bzw. 77.400 EUR / 6.450 EUR pro Monat (Ost) beläuft. Dies bedeutet konkret: Ein Arbeitnehmer (West) ohne kindergeldberechtigtes Kind, der 100.000 EUR verdient, und dessen Arbeitszeit auf 75% reduziert wird (reduziertes Gehalt = 75.000 EUR) erhält nur ein Kurzarbeitergeld i.H.v. 60% der Netto-Differenz des Betrags zwischen 75.000 EUR und 82.800 EUR.

Was gilt es bei der Auszahlung von Kurzarbeitergeld zu beachten?

Sozialversicherungsbeiträge für das Kurzarbeitergeld zahlt grundsätzlich der Arbeitgeber, jedoch darf die Bundesregierung seit dem 15.3.2020 festlegen, dass die Sozialversicherungsbeiträge bis Ende 2021 vollständig oder teilweise von der Agentur für Arbeit übernommen werden – die entsprechende Verordnung steht aber noch aus (Stand: 19.3.2020). Die Sozialversicherungsbeiträge werden auf der Grundlage von 80% der Differenz zwischen dem regulären und dem tatsächlichen Gehalt berechnet.

 

Das Kurzarbeitergeld selbst muss der Arbeitgeber zusammen mit der reduzierten Vergütung an den Arbeitnehmer auszahlen, wobei dem Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld entweder im Nachgang oder im Voraus von der Agentur für Arbeit erstattet wird.

 

Wird von der Agentur für Arbeit kein Kurzarbeitergeld gewährt, haftet der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer in Höhe des Kurzarbeitergelds, d.h. Arbeitnehmer haben gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Gehalt und Kurzarbeitergeld.

Was ist mit Leiharbeitnehmern?

Seit dem 15.3.2020 ist die Regierung befugt, die Möglichkeit von Kurzarbeitergeld auf Leiharbeiter auszudehnen – die entsprechende Verordnung steht aber noch aus (Stand: 19.3.2020).

 

Wir bitten zu beachten, dass die vorgenannten Punkte keine vollständige Übersicht darstellen und insofern nicht abschließend sind, sondern nur als erste Informationsquelle dienen sollen. Grundsätzlich muss jeder Fall einzeln geprüft und bewertet werden.