Koalitionsvertrag bekennt sich zur Einführung einer neuen Rechtsform: Gesellschaft mit gebundenem Vermögen

Seit langem findet in Politik und Rechtswissenschaft eine Diskussion zur Einführung einer neuen Rechtsform für Unternehmen statt: die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen. Der jüngst verabschiedete Koalitionsvertrag enthält ein klares Bekenntnis zu dieser Rechtsform und konkrete Aussagen, mit welchen Merkmalen diese Gesellschaftsform ausgestaltet werden soll.
Am 30. April 2025 hat die SPD dem Abschluss des Koalitionsvertrags für die 21. Legislaturperiode mit der CDU/CSU zugestimmt. In diesem Koalitionsvertrag ist auf Seite 88 (Zeile 2815 ff.) ein eindeutiges Bekenntnis zu einer neuen Rechtsform enthalten, die voraussichtlich als „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“(„GmgV“) bezeichnet werden wird. Der Koalitionsvertrag enthält dazu folgende Aussage: „Wir […] wollen eine neue, eigenständige Rechtsform ‚Gesellschaft mit gebundenem Vermögen‘ einführen. Merkmale dieser Rechtsform sind die unabänderliche Vermögensbindung und die Teilhabe nach mitgliedschaftlicher Logik ohne steuerliche Privilegierungen oder Diskriminierungen.“
Die neue Rechtsform basiert auf der Idee, dass Unternehmen nicht nur dem finanziellen Interesse ihrer Eigentümer an der Ausschüttung erzielter Gewinne dienen sollen, sondern langfristig um ihrer selbst willen erhalten bleiben. Die Gesellschafter sollen ihr Unternehmen nur treuhänderisch verwalten, ohne auf das Vermögen Zugriff zu nehmen. Kernelement ist daher die Bindung des Vermögens in der Gesellschaft. Gewinne müssen thesauriert werden, die Ausschüttung an die Gesellschafter ist nicht möglich. Gleichzeitig soll die GmgV Flexibilität und Selbstständigkeit bieten. Im Unterschied zur Stiftung muss daher ein Gesellschaftszweck und die Governance des Unternehmens nicht dauerhaft festgesetzt werden. Anders als die Genossenschaft bezweckt die GmgV auch nicht die Förderung ihrer Mitglieder. Vereine verfolgen aufgrund des fehlenden Haftkapitals im Grundsatz keine wirtschaftliche Zweckorientierung. Eine Gemeinnützigkeit geht mit dieser Gesellschaftsform – ebenso wie bei der Stiftung - nicht zwangsläufig einher.
Sinn und Zweck der GmgV, ihre Notwendigkeit und ihre konkrete Ausgestaltung sind schon länger Gegenstand von Diskussionen in Politik und Rechtswissenschaft. Gegner einer solchen Rechtsform verweisen vor allem darauf, dass es für die aktive und langfristig nachhaltige Steuerung und Kontrolle stets ein finanzielles Interesse eines Anteilseigners an dem Erfolg des Unternehmens geben müsse. Schon die Bundesregierung der Ampel-Koalition hatte sich an der Einführung der neuen Gesellschaftsform versucht, zu einer Umsetzung oder wenigstens einem Referentenentwurf kam es aber nicht mehr.
Dem neuen Koalitionsvertrag lassen sich nunmehr konkrete Bekenntnisse zur neuen Gesellschaftsform als solcher und insbesondere einige ihrer Merkmale entnehmen.
Ende 2024 wurde von Rechtswissenschaftlern bereits ein konkret ausgearbeiteter akademischer Gesetzesentwurf zur GmgV vorgelegt. Dieser Entwurf spiegelt die durch den Koalitionsvertrag geforderten Merkmale der GmgV wider. Es scheint daher wahrscheinlich, dass die neue Bundesregierung sich an diesem Gesetzesentwurf bei der Ausarbeitung konkreter Regelungen orientieren wird.
Sofern es zur Umsetzung dieser neuen Rechtsform kommt, kann diese unter Umständen eine beachtenswerte Alternative zu vergleichbaren derzeit gewählten rechtlichen Gestaltungen, wie etwa Stiftungen oder Treuhandkonstruktionen, darstellen. Üblicherweise werden als potenzielle Adressaten der neuen Gesellschaftsform Unternehmen mit ungeklärter Nachfolgesituation, werteorientierte Start-Ups, Unternehmen, deren Gesellschaftszweck in der Lösung von gesellschaftlichen Problemen liegt, oder Datentreuhänder genannt. Die Rechtsform der GmgV könnte dann durch Umwandlung einer bestehenden Gesellschaft oder durch Neugründung einer GmgV und Einbringung von Vermögenswerten erreicht werden.