Kammergericht: Österreichische Online-Beglaubigungen nicht gleichwertig

Online-Beglaubigungen versprechen eine schnellere und ortsunabhängige Abwicklung. Auf grenzüberschreitend tätige Unternehmen üben sie einen besonderen Reiz aus, zumal in Nachbarländern wie Österreich dafür geringere Kosten als in Deutschland anfallen. Wer diesen Vorzügen nicht widerstehen kann, muss allerdings damit rechnen, dass die im Ausland vorgenommene (Online‑)Beglaubigung in Deutschland nicht anerkannt wird.
Das Kammergericht (KG) Berlin hat sich in einem Beschluss vom 17. Juli 2024 (22 W 25/24) mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine in Österreich durchgeführte notarielle Online-Beglaubigung mittels Video-Identifikationsverfahren den Anforderungen des deutschen Rechts entspricht. Das Ergebnis: Eine Gleichwertigkeit ist nicht gegeben. Das KG stellt sich damit gegen einen Beschluss des OLG Celle vom 1. August 2022 (9 W 62/22). Aufgrund der daraus resultierenden Unsicherheit ist es für die Praxis ratsam, für Online-Beglaubigungen vorerst (weiterhin) deutsche Notariate zu nutzen.
Über das Gleichwertigkeitserfordernis in Bezug auf ausländische Fernbeglaubigungen hat einer der Autoren dieses Beitrages bereits im FGS-Blog berichtet.
Aufgrund der räumlichen Nähe und mangels Sprachbarriere ist in der Praxis vor allem Österreich das Land der Wahl, um eine erleichterte und günstigere Online-Beglaubigung vornehmen zu lassen. Dort genügt zur Identitätsfeststellung das sog. Video-Identifikationsverfahren, bei dem der amtliche Lichtbildausweis zur Identifizierung lediglich in die Kamera gehalten und optisch durch den Notar überprüft wird. Demgegenüber unterliegen deutsche Online-Beglaubigung strengeren Voraussetzungen: Bei genauer Betrachtung handelt es sich dabei um die Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur, vgl. § 40a Abs. 1 S. 1 Fall 2 BeurkG. Hierfür ist eine persönlich durch den Notar vorzunehmende Zwei-Faktor-Authentifizierung innerhalb des eigens von der Bundesnotarkammer betriebenen Videokommunikationssystems notwendig. Der Notar muss zum einen die personenbezogenen Daten des Unterzeichnenden aus einem der spezifischen elektronischen Identifizierungsmittel (sog. „eID“, über die neuere Personalausweise bereits verfügen) an seinem Arbeitsplatz auslesen und mit den im Termin videotelefonisch abgefragten Daten abgleichen. Das Auslesen und die Videotelefonie erfolgen auf Seiten des Mandanten im Regelfall durch ein Smartphone mit NFC-Schnittstelle und die App bzw. Browserapplikation der Bundesnotarkammer. Zum anderen muss der Notar auch das Lichtbild des Mandanten aus der eID auslesen und mit dem bewegten Bild aus der Videokommunikation auf seinem Bildschirm abgleichen.
Dem KG-Beschluss lag zugrunde, dass die Beschwerdeführerin, eine GmbH, die Änderung ihrer inländischen Geschäftsanschrift zur Eintragung in das (deutsche) Handelsregister angemeldet hatte. Die GmbH hatte die dafür erforderliche (Online-)Beglaubigung allerdings per Videoidentifikationsverfahren durch einen österreichischen Notar vornehmen lassen. Sie wurde vom Registergericht nicht akzeptiert. Dem KG zufolge musste das Registergericht dies auch nicht: 1) Das Registergericht treffe keine Pflicht zur Anerkennung der österreichischen Beglaubigung aus der GesR-RL i.d.F. der Digitalisierungs-RL. 2) Ebenso wenig verstoße es gegen höherrangiges Recht, insbes. nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV), die Beglaubigung des österreichischen Notars nicht anzuerkennen. 3) Schließlich folge eine Anerkennungspflicht auch nicht aus kollisionsrechtlichen Grundsätzen, da keine „Gleichwertigkeit“ bestehe. Hierzu beruft sich das KG wiederum auf drei Aspekte:
Das deutsche Online-Beglaubigungsverfahren sei, wie bereits erwähnt, zweistufig ausgestaltet – im Gegensatz zum nur einstufigen österreichischen Online-Identifikationsverfahren. In Österreich wird auch das Lichtbild nicht digital ausgelesen, sondern nur in die Kamera gehalten.
Anders als in Deutschland dürften nach österreichischem Recht auch Mitarbeiter des Notars zur Identifizierung eingesetzt werden.
Zudem sei es in Österreich möglich, externe Dienstleister als Betreiber des Videokommunikationssystems heranzuziehen – in Deutschland stehe hingegen allein das hoheitlich betriebene Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer zur Verfügung.
Das OLG Celle betrachtete in seinem bereits erwähnten Beschluss eine österreichische Online-Beglaubigung hingegen als gleichwertig. Dass mit § 40a BeurkG eine Online-Beglaubigung auch in Deutschland ebenfalls auf Grundlage der Digitalisierungs-RL eingeführt wurde, sprach dem OLG Celle zufolge für eine Gleichwertigkeit. Allerdings verbleibt diese Argumentation schlagwortartig. Einen auch nur oberflächlichen Vergleich zwischen dem österreichischen und dem deutschen Online-Beglaubigungsverfahren ließ das OLG Celle noch vermissen.
Gegen die Entscheidung des KG hat die Beschwerdeführerin Rechtsmittel beim BGH eingelegt (Az. II ZB 13/24), sodass spannend bleibt, ob der Gang nach Österreich für eine kostengünstige Beglaubigung in Zukunft empfehlenswert wird. Das KG kann jedenfalls die besseren Argumente für sich beanspruchen. Zwar trifft es zu, dass im Ausland tätige Unternehmen daran interessiert sind, dort auch verwertbare Beglaubigungen vornehmen lassen zu können, jedoch erfordert die digitale Beglaubigung weder nach deutschem noch nach österreichischem Recht eine Reise nach Deutschland und dürfte somit mit identischem Aufwand verbunden sein. Vor allem mit Blick auf Österreich besteht die ungleich größere Gefahr eines „digitalen Beglaubigungstourismus“ in eine weniger regulierte Rechtsordnung. Neben den vom KG aufgeführten Argumenten spricht auch die vom deutschen Notar nach deutschem Recht durchgeführte Geldwäscheprüfung für eine mangelnde Gleichwertigkeit des Verfahrens. Im Übrigen lässt sich argumentieren, dass das deutsche Amtsbereichsprinzip, welches einen gewissen örtlichen Bezug für die Zuständigkeit des Notars ausdrückt, verletzt würde, wenn Beglaubigungen aus ganz Österreich – und somit ohne engeren örtlichen Bezug – in Deutschland akzeptiert werden müssten.
So groß der Reiz einer Online-Beglaubigung durch einen österreichischen Notar auch sein mag – sie birgt im Hinblick auf den KG-Beschluss ein Risiko, das in keinem angemessenen Verhältnis zur Kostenersparnis steht. Sofern die österreichische Beglaubigung beim zuständigen Handelsregister nicht anerkannt wird, müssen die Betroffenen zur zeitnahen Umsetzung ihres Anliegens stattdessen auch die Kosten des deutschen Notars tragen, die sie ursprünglich vermeiden wollten. Nur wenn der BGH der Argumentation des KG nicht folgen sollte, kommt eine Beglaubigung in Österreich in Betracht.
Unsere Kollegen und Notare in Berlin und Frankfurt, Dr. Martin Oltmanns LL.M. (University of Chicago) und Dr. Finn Lubberich LL.M., führen regelmäßig die auf www.online.notar.de aufgeführten notariellen Verfahren per Videokommunikation durch (bspw. Gesellschafterbeschlüsse, Registeranmeldungen und Gründungen). Wer regelmäßig die vorgenannten notariellen Dienstleistungen in Anspruch nimmt, sollte sich zur Zeitersparnis mit diesen digitalen Angeboten beschäftigen.