Der Bundesrat hat gerade am 22. November 2024 dem Jahressteuergesetz 2024 in der Fassung des Finanzausschusses zugestimmt (BT Drs. 20/13419). Ein guter Zeitpunkt, um die Implikationen des Jahressteuergesetzes 2024 für die Unternehmens- und Vermögensnachfolgeplanung näher zu betrachten (vgl. auch die Konsequenzen des Jahressteuergesetzes für das Umsatzsteuerrecht und für Kapitalanleger).
Änderungen im Erbschaftsteuergesetz
Der Pauschbetrag für sonstige Nachlassverbindlichkeiten in wird durch das Jahressteuergesetz von EUR 10.300 auf EUR 15.000 angehoben. Damit soll er den steigenden Kosten gerecht werden, die der zuletzt 1996 angepasste Pauschbetrag nicht mehr zuverlässig abdeckte. Unter die sonstigen Nachlassverbindlichkeiten fallen insbesondere die Kosten der Bestattung des Erblassers, aber u. a. auch Kosten der Abwicklung und Verteilung des Nachlasses. Sollten diese den Pauschbetrag übersteigen, können die tatsächlichen, höheren Verbindlichkeiten abgezogen werden, soweit der Steuerpflichtige diese nachweist.
Im Rahmen der wichtigen Regelungen zur erbschaftsteuerlichen Verschonung begünstigten Vermögens in den §§ 13a ff. ErbStG wird der § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 ErbStG durch das Jahressteuergesetz angepasst: Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft führt danach für sich genommen noch nicht zu einem Behaltensfristverstoß. Ein solcher Verstoß kann zu einem (ggf. „nur“ zeit- und wertanteiligen) Wegfall der Verschonung führen. Nach dem Jahressteuergesetz soll er erst dann vorliegen, wenn der Betrieb aufgegeben oder wesentliche Betriebsgrundlage veräußert werden. Hintergrund der Änderung ist eine Entscheidung des BFH vom 1.7.2020 (II R 20/18, BFH/NV 2021, 23). Hier stellte der BFH fest, dass die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft auch schon nach bisher geltendem Recht kein Behaltensfristverstoß i.S.d. § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 ErbStG sei. Dies normiert das Jahressteuergesetz nun auch für Kapitalgesellschaften durch Anpassung des § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 ErbStG. Letztlich bleiben Steuerfolgen einer möglichen Insolvenz innerhalb der fünf- bzw. siebenjährigen Behaltenspflichtvorgaben ein in der Gestaltungsberatung zu beachtendes Thema.
Einige Normen des Erbschaftsteuergesetzes wurden zudem an das Unionsrechts bzw. EuGH-Rechtsprechung angepasst. Insoweit ist das Jahressteuergesetz insbesondere für grenzüberschreitende Nachfolgefälle interessant: So ist für beschränkt Steuerpflichtige gemäß § 10 Abs. 6 S. 3-6 ErbStG nun ein anteiliger Abzug allgemeiner Nachlassverbindlichkeiten möglich. Das ist vor allem für Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse relevant. Zudem wird die Steuerbefreiung für vermietete Grundstücke gemäß § 13d ErbStG auf in Drittstaaten belegenen Grundbesitz ausgeweitet. Gleiches gilt für die Stundungsmöglichkeit für „Grundbesitz, der zu Wohnzwecken genutzt wird“ gemäß § 28 Abs. 3 ErbStG. Beides aber nur, sofern mit dem Staat Amtshilfe auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer besteht. Hierzu wird das Bundesministerium der Finanzen eine Liste der Drittstaaten veröffentlichen, die die Voraussetzungen erfüllen.
Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht: Wohngemeinnützigkeit und Möglichkeit projektgebundener Rücklagen
Durch das Jahressteuergesetz wird in § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 27 AO ein neuer Tatbestand der Gemeinnützigkeit eingeführt: die Wohngemeinnützigkeit. Die vergünstigte Vermietung an hilfsbedürftige Personen i.S.d. § 53 AO stellt einen gemeinnützigen Zweck einer Körperschaft dar. Als hilfsbedürftige Person gilt für Zwecke der Wohngemeinnützigkeit insbesondere jede Person, deren Einkommen höchstens das Fünffache des in § 53 Nr. 2 AO genannten Regelsatzes der Sozialhilfe beträgt. Durch diese Grenze geht der Gesetzgeber davon aus, dass 60% der Haushalte als hilfsbedürftige Person gelten. Die Hilfsbedürftigkeit muss nur zu Beginn des Mietverhältnisses bestehen und nachgewiesen werden. Die Gesetzesbegründung stellt außerdem klar, dass die Vermietung an nicht hilfsbedürftige Personen der Gemeinnützigkeit nicht entgegensteht, sondern der Vermögensverwaltung unterfällt. Dabei ist allerdings die allgemeine Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel, insbesondere die Drei-Objekte-Regel, zu beachten. Außerdem besteht die gemeinnützigkeitsrechtliche Beschränkung, dass die Vermögensverwaltung nicht zum Selbstzweck werden darf. Inwieweit diese Anforderungen in der Praxis gewahrt werden können und der erhoffte Effekt für bezahlbaren Wohnraum eintritt, wird sich zeigen müssen.
Eine weitere Änderung durch das Jahressteuergesetz betrifft die Bildung von projektgebundenen Rücklagen in § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO. Hierfür wird klargestellt, dass es auf die Planung zum Zeitpunkt der Rücklagenbildung ankommt. Dadurch soll bei umfangreichen und langfristigen Investitionsvorhaben eine Anpassung der Pläne möglich werden, ohne dadurch die Gemeinnützigkeit zu gefährden. Nur als Hinweis sei an dieser auf den Regierungsentwurf für das Steuerfortentwicklungsgesetz, ehemals Jahressteuergesetz II 2024, hingewiesen (BT-Drs. 20/12778). Dieses sieht eine vollständige Aufhebung des Grundsatzes der zeitnahen Mittelverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO vor. Dieser Vorschlag wurde aber erstens schon vom Bundesrat kritisiert (BT-Drs. 20/13159); zweitens ist angesichts des Bruchs der Ampelkoalition fraglich, ob das Steuerfortentwicklungsgesetz in der Form des Regierungsentwurfs noch umgesetzt wird; nicht unwahrscheinlich ist es, dass die Ausnahme vom Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung für Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als EUR 45.000 weiter gefasst, d.h. die EUR 45.000 auf z.B. EUR 80.000 erhöht wird. Dies bleibt aber noch abzuwarten.
Änderungen im Bewertungsrecht
Im Bewertungsrecht gab es durch das Jahressteuergesetz nur kleinere Anpassung. Diese betreffen insbesondere die Anlage 23 des BewG, durch die die pauschalierten Bewirtschaftungskosten im Rahmen des Ertragswertverfahrens ermittelt werden. Unter anderem ist nach dem Jahressteuergesetz nunmehr auch die Festsetzung von Verwaltungskosten für Wohnungen, die dem Wohnungsbegriff in § 181 Abs. 9 BewG nicht genügen, anzusetzen. Außerdem wird der Begriff der „gewerblichen Nutzung“ in „Nichtwohnnutzung“ geändert und auch im Bereich der Nichtwohnnutzung können Instandhaltungskosten für die Garage angesetzt werden.