Jahressteuergesetz 2022 – erhöhte Bewertungen für Immobilien im Erbschaft- und Schenkungsfall? Teil I

22.02.2023 | FGS Blog
Dr. Frederik SchumacherDr. Caroline Krezer      Valentin Volhard

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wurden die steuerlichen Vorschriften zur Immobilienbewertung erheblich verändert. Die Änderungen haben eine große Breitenwirkung, da für das Schenken und Vererben von Immobilien die gesetzliche Immobilienbewertung maßgeblich ist. Eine Erhöhung der Immobilienwerte führt deshalb zu einer höheren Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die zum 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Änderungen des Ertragswertverfahrens im Bewertungsgesetz.

Rechtslage für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022

Der Grundstückswert ist je nach Art der Bebauung im Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren oder Sachwertverfahren zu ermitteln: Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser sind grundsätzlich nach dem Vergleichswertverfahren zu bewerten. Liegt kein Vergleichswert vor, ist die Immobilie im Sachwertverfahren zu bewerten. Mit dem Ertragswertverfahren werden unter anderem Mietwohn- und Geschäftsgrundstücke bewertet.

Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022

Nach dem Jahressteuergesetz 2022 haben sich die Vorschriften der Grundbesitzbewertung für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2022 geändert. Insbesondere das Ertrags- und Sachwertverfahren wird an die geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung angepasst. Doch was bedeutet das im Einzelfall? 

Beispiel Ertragswertverfahren

Bei der Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren ergibt sich der Immobilienwert aus der Summe von Bodenwert und Gebäudeertragswert. Das Gebäude wird also anhand seines Ertrages bewertet. Dafür werden von der Jahresmiete pauschalierte Bewirtschaftungskosten abgezogen (sog. Rohertrag). Um den Reinertrag des Gebäudes zu ermitteln, wird von dem Rohertrag des Gebäudes der Ertrag des Grundstücks in Form der Bodenwertverzinsung (Bodenwert multipliziert mit Liegenschaftszins) abgezogen. Dieser sog. Gebäudereinertrag wird über die verbleibende Restnutzungsdauer des Gebäudes kapitalisiert.

Die Änderungen im Ertragswertverfahren, die sich im Vergleich zur Rechtslage bis zum 31.12.2022 ergeben, macht das folgende Beispiel deutlich. Ein 750 m² großes Grundstück mit einem Bodenrichtwert von EUR 500 pro m² ist mit einem 40 Jahre alten Mehrfamilienhaus mit drei Wohneinheiten bebaut. Die Wohnfläche der Wohneinheiten beträgt jeweils 125 m². Die monatliche Miete beträgt pro m² EUR 15, EUR 10 bzw. EUR 5.

Nach dem bis zum 31.12.2022 anwendbaren Recht ergibt sich ein Immobilienwert von EUR 591.717. Nach dem ab dem 01.01.2023 anwendbaren Recht ergibt sich für das gleiche Objekt ein Wert von EUR 910.633. Dies bedeutet eine relative Wertsteigerung von 53,90%, was erhebliche Auswirkungen auf die zu zahlende Schenkung- und Erbschaftsteuer hat.

Wie kommt der Bewertungsunterschied im Detail zustande?

1. Rohertrag

Unterschiede ergeben sich bei der Ermittlung des Rohertrags. Die Bewirtschaftungskosten werden für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2022 allein anhand eines bestimmten Prozentsatzes der Jahresmiete ermittelt (relativer Betrag), ab dem 01.01.2023 jedoch durch eine Kombination von relativen und absoluten Beträgen. Aufgrund der absoluten Verwaltungskosten pro Wohneinheit und der pauschalen Instandhaltungskosten pro Quadratmeter Wohnfläche verringern sich die Bewirtschaftungskosten bei höheren Mieten und kleinen Wohnungen stark – je kleiner die Wohnung und je höher der Mietzins, desto stärker verringern sich die Bewirtschaftungskosten im Vergleich zum bisherigen Bewertungsrecht. In der Folge steigen die Roherträge der Wohnungen, die zu hohen Mietzinsen vermietet werden, vergleichsweise stark an, während sich der Rohertrag bei günstig vermieteten Wohnungen tendenziell verringert. Im Beispiel ändert sich der Rohertrag der für 15, 10 bzw. 5 € pro Quadratmeter vermieteten Wohnungen um +21,82, +16,29% bzw. ‑0,29%.

Der Rohertrag des Grundstückserhöht sich in dem Beispiel daher um +16,29%.

   

2. Gebäudereinertrag

Der Großteil der Wertsteigerung beruht auf einer Verringerung der gesetzlichen Liegenschaftszinsen von 5,0% auf 3,5%. Der Liegenschaftszins ist sowohl für die Bodenwertverzinsung als auch für den Kapitalisierungsfaktor relevant und hat dadurch eine erhebliche Auswirkung auf den Immobilienwert. Durch die geringere Bodenwertverzinsung ergibt sich im neuen Recht ein höherer Gebäudereinertrag. In unserem Beispiel ist der Gebäudereinertrag 77,86% höher als zuvor.

3. Kapitalisierung über Restnutzungsdauer

Durch die verringerten Liegenschaftszinsen und die Erhöhung der Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes von 70 auf 80 Jahre erhöht sich der Kapitalisierungsfaktor erheblich (21,36 statt 15,37). Bei jungen (< 20 Jahre) und alten (> 50 Jahre) Gebäuden erhöht sich der Faktor relativ gesehen weniger stark.

4. Ergebnis und Schenkungsteuer

Durch die Änderungen im Ertragswertverfahren, die sich im Vergleich zur bestehenden Rechtslage ergeben, erhöht sich im vorliegenden Beispiel der Immobilienwert ab dem 01.01.2023 von EUR 591.717 auf EUR 910.633 und damit um +53,90%. Diese Wertsteigerung wirkt sich auch auf die Schenkungssteuer aus: Bei einer Schenkung zwischen Ehegatten (unter Berücksichtigung des Freibetrages und des 10%-Abschlages für vermietete Wohnungen) erhöht sich die Steuer von rd. EUR 2.000 auf rd. EUR 42.000. Bei Schenkungen zwischen Lebensgefährten erhöht sich die Steuer sogar von rd. EUR 150.000 auf rd. EUR 239.000.

5. Zusammenfassung

Die größte Auswirkung auf den Grundstückswert haben im Ertragswertverfahren die verringerten gesetzlichen Liegenschaftszinsen, schließlich wirken diese sich sowohl über die Bodenwertverzinsung als auch über die Kapitalisierung aus. Dies zeigt sich auch im obigen Beispiel, wo von den 57,19% Wertsteigerung mehr als 34%-Punkte auf die verringerten Liegenschaftszinsen entfallen. Eigentümerinnen und Eigentümer können daher aufatmen, wenn es für das Grundstück Liegenschaftszinsen des Gutachterausschusses gibt. In dem Fall haben die gesetzlichen Liegenschaftszinsen keine Auswirkung, wodurch ein Großteil der Wertsteigerung entfällt.

Bei Grundstücken, die mit neuen (<20 Jahre) oder alten (>50 Jahre) Gebäuden bebaut sind, können Eigentümerinnen und Eigentümer mit geringeren Wertsteigerungen rechnen als bei mittelalten Gebäuden. Schließlich steigt der Wert von Mietwohngrundstücken bei hohem Mietzins stärker an als bei niedrigem.

Gerne können Sie hier Teil 2 des Blog-Reihe lesen.