Jahressteuergesetz 2022 – erhöhte Bewertungen für Immobilien im Erbschaft- und Schenkungsfall? Teil II

22.02.2023 | FGS Blog
Dr. Frederik SchumacherDr. Caroline Krezer      Valentin Volhard

Im vorherigen Beitrag haben wir die zum 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Änderungen im Bewertungsgesetz für das Ertragswertverfahren dargestellt. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Änderungen bei der Immobilienbewertung im Sachwertverfahren.

Beispiel Sachwertverfahren

Unter anderem in Fällen, in denen für ein Ein-/Zweifamilienhaus oder eine Eigentumswohnung kein Vergleichswert vorliegt, ist das Sachwertverfahren einschlägig. Hierbei wird der Gebäudewert anhand von pauschalierten Herstellungskosten pro Quadratmeter ermittelt. Die Regelherstellungskosten sind dabei von der Gebäudeart und dem Gebäudestandard abhängig. Der Gebäuderegelherstellungswert ist an das Gebäudealter anzupassen. Nach dem ab dem 01.01.2023 anwendbaren Bewertungsrecht fließt in den Gebäudesachwert noch ein Regionalfaktor ein. Abschließend sind der Bodenwert und der Gebäudesachwert zu addieren und mit einer Wertzahl, die sich aus einer Anlage zum Bewertungsgesetz ergibt, zu multiplizieren.

Die Änderungen im Vergleich zur Rechtslage bis zum 31.12.2022 werden anhand des folgenden Beispiels deutlich. Ein 1.200 m² großes Grundstück mit einem Bodenrichtwert von EUR 500 pro m² ist mit einem 40 Jahre alten Einfamilienhaus bebaut. Die Wohnfläche beträgt 300 m², die Regelherstellungskosten betragen EUR 1.400 pro m².

Nach altem Recht lag der Grundstückssachwert bei EUR 768.420. Nach neuem Recht ergibt sich hingegen ein Wert von EUR 1.164.930, womit die relative Wertsteigerung 51,60% beträgt.

Wie kommt der Bewertungsunterschied im Detail zustande?

1. Regionalfaktor

Erhebliche Unterschiede in der Bewertung können durch den neuen Regionalfaktor entstehen, der die regional unterschiedlichen Baukosten abbilden soll. Ein Regionalfaktor von z.B. 1,2 führt zu einem 20% höheren Gebäudesachwert als der Standard-Regionalfaktor von 1.

2. Alterswertminderung

Im vorliegenden Beispiel erhöht sich der Grundstückssachwert durch die Erhöhung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes von 70 auf 80 Jahre um ungefähr 5%-Punkte. Wie auch beim Ertragswertverfahren erhöht sich bei jungen (< 20 Jahre) und alten (> 50 Jahre) Gebäuden der Wert weniger stark.

3.  Erhöhung der Wertzahlen

Der Großteil der Wertsteigerung ergibt sich jedoch aus der der Erhöhung der gesetzlichen Wertzahlen. Nach altem Recht ergäbe sich im vorliegenden Beispiel eine Wertzahl von 0,9, nach neuem Recht eine Wertzahl von 1,3. Diese Änderung der Wertzahl hat eine Erhöhung des Grundstückssachwerts von mehr als 45%-Punkten zur Folge.

4. Ergebnis und Schenkungsteuer

Durch die Änderungen im Sachwertverfahren, die sich im Vergleich zur bestehenden Rechtslage ergeben, erhöht sich im vorliegenden Beispiel der Immobilienwert ab dem 01.01.2023 von EUR 768.420 auf EUR 1.164.930 und damit um 51,60%. Diese Wertsteigerung wirkt sich auch auf die Schenkungsteuer aus: Bei einer Schenkung zwischen Ehegatten (unter Berücksichtigung des Freibetrages und wenn es sich nicht um ein Familienheim handelt) erhöht sich die Steuer von rd. EUR 30.000 auf rd. EUR 120.000. Bei Schenkungen zwischen Lebensgefährten erhöht sich die Steuer sogar von rd. EUR 220.000 auf EUR 340.000.

Fazit

Die Beispielrechnungen aus Teil 1 und Teil 2 zeigen, dass die Veränderung in der Bewertung von bebauten Grundstücken – etwa bei Mietwohngrundstücken sowie Einfamilienhäusern – zu einer signifikanten Werterhöhung führt. Daraus können sich Steuererhöhungen ergeben. Einen niedrigeren gemeinen Wert durch ein Immobilienwertgutachten nachzuweisen ist weiterhin möglich.

Zu beachten bleibt, dass in Fällen, in denen das Vergleichswertverfahren anwendbar ist und für die zu bewertende Immobilie ein Vergleichswert vorliegt, die vorstehenden Änderungen nicht relevant sind. In diesen Fällen wird die Immobilie allein anhand der Verkaufspreise vergleichbarer Immobilien bewertet. Es ergeben sich insoweit keine Änderungen zum 01.01.2023.