IV. Bürokratieentlastungsgesetz – Abschaffung des Schriftformgebots bei Nicht-Wohnraummietverträgen

19.11.2024 | FGS Blog

Am 18.10.2024 hat der Bundesrat dem IV. Bürokratieentlastungsgesetz zugestimmt. Zuvor nahm der Bundestag den Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 20/11306) mit einigen Änderungen am 26.09.2024 an (BT-Drucksache 20/13015). Ziel des IV. Bürokratieentlastungsgesetzes ist, die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung von überflüssiger Bürokratie zu entlasten. Dazu gehört, dass für langfristige Nicht-Wohnraummietverträge die Schriftform auf Textform herabgesetzt wird.

Bisherige Rechtslage – Schriftformgebot bei langfristigen Mietverträgen

Bislang sind Mietverträge (d.h. Wohn- und Geschäftsraummietverträge) mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr, in schriftlicher Form zu schließen. Anderenfalls sind die Mietverträge gleichwohl wirksam, gelten aber als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dies hat zur Folge, dass jede Partei nach Ablauf eines Jahres den Mietvertrag ordentlich kündigen kann, d.h. in der Regel Wohnraummietverträge mit einer Frist von 3-6 Monaten und Geschäftsraummietverträge mit einer Frist von 6-9 Monaten.

„Schriftliche Form“ bedeutet, dass sich der wesentliche Inhalt des Mietvertrags (insbesondere Parteien, Mietgegenstand, Miete, Mietdauer) aus einer von beiden Parteien eigenhändig unterzeichneten, einheitlichen Urkunde ergeben muss. Anlagen und Nachträge sind fest zu verbinden – durch eine echte physische Bindung oder durch eine eindeutige Inbezugnahme mit dem ursprünglichen Mietvertrag. Mündlich geschlossene, (einfach) elektronisch unterzeichnete Vereinbarungen oder per E-Mail ausgetauschte Erklärungen wahren die Schriftform nicht. Nach bisheriger Rechtslage wäre es möglich, Mietverträge mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu unterzeichnen, was in der Praxis wegen der strengen Anforderungen an das Schriftformgebot eher zurückhaltend praktiziert wird.

Der historische Gesetzgeber beabsichtigte mit dem Schriftformgebot den Schutz des Grundstückserwerbers, der kraft Gesetzes die bestehenden Mietverträge von dem veräußernden Vermieter übernimmt („Kauf bricht nicht Miete“). Kann der Grundstückserwerber den Inhalt des langfristigen Mietvertrags nicht vollständig aus der Vertragsdokumentation erkennen, da die Schriftform nicht eingehalten wurde, kann er den Mietvertrag kündigen. Anerkannt ist inzwischen, dass das Schriftformgebot auch die ursprünglichen Vertragsparteien vor einer überstürzten langfristigen Vertragsbindung schützen und durch eine schriftliche Urkunde der Inhalt langfristiger Mietverträge beweisbar klargestellt werden soll. Daher dürfen grundsätzlich auch die Ursprungsparteien den langfristigen Mietvertrag wegen eines Schriftformmangels kündigen.

Änderungsbedürfnis des strengen Schriftformgebotes

In der Praxis führt das Schriftformgebot gerade bei Geschäftsraummietverträgen immer wieder zu Problemen. Oft sind den Vertragsparteien die strengen Formanforderungen gar nicht bewusst, insbesondere wenn eine Partei aus einer Jurisdiktion kommt, in der Mietverträge üblicherweise elektronisch unterzeichnet werden. Zudem kommt im Laufe des Mietverhältnisses häufig der Wunsch der Parteien auf, den Mietvertrag anzupassen, z.B. hinsichtlich des Innenausbaus der angemieteten Räume, der Hinzumietung oder Reduzierung von Flächen und/oder Anpassung der Miete. Oft vereinbaren die Parteien solche Änderungen mündlich oder einigen sich durch kurzen E-Mail-Austausch – und verstoßen damit gegen das Schriftformgebot.

Die Praxis hat gezeigt, dass die Parteien die Kündigungsmöglichkeit wegen eines Schriftformverstoßes eher aus wirtschaftlichen Gründen nutzen – z.B. um sich von lästig gewordenen oder nicht mehr lukrativen Mietverträgen vorzeitig zu lösen – als zur Wahrung der ursprünglichen gesetzgeberischen Motive.

Mieter und Vermieter nehmen im Vertrauen auf den Fortbestand langfristiger Mietverträge oftmals hohe Investitionen am Mietgegenstand vor. Zudem stellen langfristige Mietverträge einen wesentlichen Faktor bei der Grundstücksbewertung für den Grundstückserwerber dar. Die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit wegen eines bloßen Schriftformverstoßes führt daher zu Planungs- und Rechtsunsicherheit und damit zu einem hohen wirtschaftlichen Risiko für alle Beteiligten.

Neue Rechtslage – Textformgebot bei langfristigen Nicht-Wohnraummietverträgen

Ab dem 1. Januar 2025 gelten alle Mietverträge über Grundstücke und Geschäftsräume, die für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen werden, für  unbestimmte Zeit. Diese Regelung gilt auch für (Land-)Pachtverträge. Für Wohnungsmietverträge, die in der Praxis in der Regel unbefristet geschlossen werden, gilt weiterhin das Schriftformgebot.

Zur Wahrung der Textform reicht eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger aus. Langfristige Nicht-Wohnungsmietverträge können daher künftig ohne eigenhändige Unterschrift geschlossen werden. Die elektronische Erstellung und Übermittlung des Mietvertrags, z.B. durch einfache elektronische Unterzeichnung oder reinen Erklärungsaustausch über E-Mail, reichen aus.

Übergangszeitraum für bestehende Verträge

Für vor dem 1. Januar 2025 geschlossene Nicht-Wohnungsmiet- und Pachtverträge gilt bis einschließlich 1. Januar 2026 weiterhin die bisherige Schriftformregelung , auf vor dem 1. Januar 2025 geschlossene Landpachtverträge findet die bisherige Schriftformregelung bis einschließlich 1. Juli 2026 Anwendung. Während dieser Zeit können bereits bestehende langfristige Nicht-Wohnungsmietverträge, die nicht der Schriftform genügen, ordentlich gekündigt werden. Nach Ablauf der Frist können diese Verträge nur noch wegen eines Formfehlers gekündigt werden, wenn sie nicht der Textform entsprechen.

Werden die bestehenden Verträge während der Übergangsfrist geändert, unterliegt das Miet- bzw. (Land-)Pachtverhältnis bereits ab dem Zeitpunkt der Änderung der neuen Rechtslage. Es ist also nur noch die Textform maßgeblich.

Laut Gesetzesbegründung der Bundesregierung steht das Kündigungsrecht nach Ablauf der Übergangsfrist nur dem Erwerber zu. Diese Einschränkung wurde nicht in den Gesetzestext aufgenommen. Dennoch haben sich weder Bundestag noch Bundesrat von dieser Gesetzesbegründung distanziert. Der Bundestag verweist sogar in seinem Beschluss auf die Gesetzesbegründung der Bundesregierung. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Rechtsprechung – jedenfalls bei Kündigungen von Altmietverträgen – wegen Formmängeln das Kündigungsrecht nur dem Erwerber zugestehen wird.

Ausblick

Die Herabstufung auf das Textformgebot vereinfacht den Neuabschluss und die Änderung von Nicht-Wohnraummietverträgen. Insbesondere ist nicht mehr erforderlich, mehrere Exemplare auszudrucken und postalisch zu versenden, um Originalunterschriften einzuholen.

Es kann jedoch im Einzelfall zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen reinen Verhandlungen und erfolgter Vereinbarung kommen. Dies dürfte zu einem erhöhten Prüfungsaufwand im Rahmen von Ankaufsprüfungen (Due Diligence) führen. Denn zusätzlich zur herkömmlichen Mietvertragsdokumentation in Gestalt von schriftlichen Mietverträgen nebst Nachträgen muss sämtliche Korrespondenz der Parteien über E-Mail und Messenger-Dienste auf mögliche textformkonforme Vereinbarungen überprüft werden. Für einen Verkäufer birgt dies ein Haftungsrisiko, da er die vollständige Vertragsdokumentation inklusive etwaiger per E-Mail oder Messenger-Dienste geschlossener Abreden zur Verfügung stellen muss, gerade bei langfristigen Mietverträgen und mehreren Voreigentümern. Daher ist eine gründliche Verkäufer Due Diligence ratsam. In der Praxis wird man das Risiko, wie bereits jetzt, über entsprechende Garantien im Kaufvertrag und Regelungen in den Mietverträgen lösen, wonach jede Partei jederzeit die andere auffordern kann, die Vollständigkeit der Vertragsdokumentation zu bestätigen.

Es bleibt abzuwarten, ob die im Rahmen der Schriftform neben der erforderlichen eigenhändigen Unterschrift entwickelten Anforderungen auch bei der Textform fortgelten (insbesondere Einheitlichkeit der Urkunde durch ausdrückliche Bezugnahme auf Anlagen und ausdrückliche Bezugnahme in Nachträgen auf die vorherige Mietvertragsdokumentation, hinreichende Bestimmbarkeit des Parteienwillens).

Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung von langfristigen Mietverträgen ist es ratsam, auch künftig beim Abschluss oder bei Änderung von langfristigen Mietverträgen die derzeit geltenden Anforderungen zu erfüllen und lediglich auf den letzten Schritt einer eigenhändigen Unterzeichnung zu verzichten und stattdessen die Vereinbarungen elektronisch zu signieren (z.B. mit DocuSign) oder Scans der unterzeichneten Vereinbarungen auszutauschen.

Damit dürfte allerdings die tatsächliche Reduzierung des bürokratischen Aufwands in der Praxis geringer ausfallen als zunächst erhofft.