Influencer im Visier der Steuerfahndung
Dieser Beitrag ist Teil 1 unserer Blog-Reihe „Influencer im Visier der Steuerfahndung“. In Teil 2 behandeln wir strafrechtliche Fragestellungen, in Teil 3 die umsatzsteuerlichen Aspekte.
Das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) wertet aktuell ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen mit 6.000 Datensätzen aus. Allein in Nordrhein-Westfalen sollen Influencer rund 300 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben. Das LBF NRW nimmt mit einem eigens gegründeten Influencer-Team Influencer gezielt unter die Lupe, die mit professionellen Social-Media-Auftritten hohe Einnahmen erzielen, diese aber nicht versteuern. Ziel der neuen Einheit sind professionelle Content-Creators, die nach Einschätzung der Behörde ihre steuerlichen Pflichten bewusst und systematisch umgehen.
Der Fokus der Steuerfahndung NRW liegt nicht auf Hobby-Influencern, sondern auf Personen mit erheblichen Einnahmen, etwa aus Werbung, Affiliate-Links oder Produktverkäufen. Die Steuerfahndung NRW hat spezielle Ermittlungsmethoden initiiert, um Werbepartnerschaften und -einnahmen zurückverfolgen und nachweisen zu können – insbesondere bei sog. Storys, die oft nur 24 Stunden sichtbar sind. Derzeit laufen allein in NRW über 200 Strafverfahren gegen Influencer, die Fälle aus dem aktuellen Datenpaket noch nicht eingerechnet. In vielen Fällen geht es um fünfstellige Beträge, aber auch Millionenbeträge stehen im Raum.
Betroffen sind aber auch andere Bundesländer. So haben beispielsweise Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt bestätigt, aktiv nach Influencern zu suchen, die ihre steuerlichen Pflichten nicht erfüllen. Hamburg führt seit 2024 eine vergleichbare Branchenprüfung mit rund 140 Fällen durch. Die Spezialeinheit des Bayerischen Landesamtes für Steuern hat 2024 und 2025 sogenannte internationale Gruppenauskunftsersuchen an Internetplattformen gestellt. Dabei dürften die Branchengrößen wie Instagram, YouTube und TikTok betroffen gewesen sein. Über Gruppenauskunftsersuchen können die Behörden Informationen zu bestimmten Gruppen (z. B. Influencer) abfragen, ohne dass es einen konkreten Verdacht gegen eine einzelne Person bedarf. Auf diesem Weg haben die Behörden nach eigenen Angaben 60.000 Datensätze für ganz Deutschland erhalten, die aktuell ausgewertet werden. Dies zeigt, dass die Ermittlungen gegen Influencer bundesweit massiv ausgebaut werden.
Mit zunehmendem Erfolg verlagern Influencer ihren Wohnsitz häufig ins Ausland. Ziele sind z. B. Dubai, Zypern oder die Balearen. Hierdurch kann die sog. Wegzugsbesteuerung ausgelöst werden, die den meisten steuerlichen Laien nicht bekannt ist. Häufig gelingt ein echter Wegzug jedoch nicht oder ist gar nicht gewollt. So wird z. B. nur der Lebensmittelpunkt verlagert unter Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes. In der Folge bleiben die Influencer in Deutschland mit ihrem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig. Aber selbst wenn der Wegzug gelingt, können steuerliche Pflichten in Deutschland bestehen (beschränkte Steuerpflicht für inländische Einkünfte). Daneben sieht das Außensteuergesetz (AStG) Regelungen vor, wonach der Influencer unter bestimmten Voraussetzungen trotz Wegzug in Deutschland steuerpflichtig ist (siehe hierzu auch unseren Beitrag zum Ertragsteuerecht). Hinzu kommt, dass die Leistungen eines Influencers auch der Umsatzsteuer unterliegen können (siehe hierzu auch unseren Beitrag zum Umsatzsteuerrecht).
In vielen Fällen nutzen Influencer Briefkastenadressen, um Steuerpflichten zu umgehen. Die Steuerfahndung versucht z. B. über digitale Spuren – etwa regelmäßige Social-Media-Aktivitäten – den tatsächlichen Aufenthalt nachzuweisen. Mit Erfolg: Durchsuchungen und sogar Haftbefehle sind bereits erfolgt.
Bei der Verletzung der steuerlichen Pflichten drohen ganz erhebliche Strafen. Bereits bei einer Steuerhinterziehung von mehr als 50.000 Euro kann eine Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren verhängt und die Einziehung von Vermögenswerten angeordnet werden. Bei Steuerhinterziehungen von mehr als 1 Million Euro droht in der Regel eine Haftstrafe ohne Bewährung.
Vor dem Hintergrund der Ermittlungsoffensive sollten Influencer zügig analysieren, ob sie ihre steuerlichen Pflichten in Deutschland erfüllt haben. Sollte dies nicht der Fall sein, kann durch eine Selbstanzeige Straffreiheit erreicht werden. Dies gelingt allerdings nur, wenn die engen gesetzlichen Voraussetzungen vollständig eingehalten werden. Eine Beratung durch einen Steuerstrafrechtler ist daher unumgänglich. Eine Selbstanzeige kann übrigens selbst dann noch möglich sein, wenn die Fahnder den Influencern bereits auf der Spur sind und über Datensätze verfügen. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. In jedem Fall ist dann aber höchste Eile geboten, da nach einer Tatentdeckung durch die Behörden der Selbstanzeigeweg versperrt ist.
Die Einschläge kommen erkennbar näher. Die Ermittlungen gegen Influencer werden in den kommenden Jahren weiter an Fahrt aufnehmen. Digitale Geschäftsmodelle erfordern neue Ermittlungsansätze, und die Behörden zeigen, dass sie vorbereitet sind. Wer als Influencer wirtschaftlich erfolgreich ist, sollte seine steuerlichen Pflichten ernst nehmen – sonst drohen empfindliche Strafen. Zudem stehen Influencer aufgrund ihres Geschäftsmodells im öffentlichen Leben, sodass negative Berichterstattung einen unmittelbaren Einfluss auf zukünftige Aufträge haben kann. Gerade bei komplexen Auslandsverflechtungen und Wegzug ist frühzeitiger steuerlicher Rat eines Beraters mit Erfahrung im internationalen Steuerrecht entscheidend. Besteht das Risiko, dass steuerliche Pflichten bereits verletzt wurden, sollte die Möglichkeit einer Selbstanzeige geprüft werden.
Sie möchten mehr zu diesem Thema lesen? Unser Kollege Dr. Lukas Wionzeck berichtet in zwei Beiträgen:
Update Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht: Influencer-Marketing durch Marketingagenturen
Update Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht 7/2021: Neuer Fahndungsschwerpunkt? Besteuerung von YouTubern, Influencern und Bloggern