Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Schuldzinsen bei Cash Pooling

19.03.2019

Cash Pooling ist ein gerne genutztes Instrument, um innerhalb einer Unternehmensgruppe den externen Zinsaufwand zu minimieren, indem gruppenintern Zahlungsmittelüberschüsse und -bedarfe ausgeglichen werden. Bei der steuerlichen Würdigung eines Cash Poolings stellen sich indes verschiedene Fragen. So hatte der Bundesfinanzhof (Az. III R37/17) darüber zu entscheiden, ob für Zwecke der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung eine Saldierung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen zulässig ist.

Der Fall: Cash Pooling auf Basis einen Rahmenkreditvertrags im Konzern

Geklagt hatte eine im Inland ansässige GmbH, die Teil einer Unternehmensgruppe war, deren Konzernmutter A-AG ihren Sitz im Ausland hatte. Die GmbH beteiligte sich am gruppenweiten, von der A-AG betriebenen Cash Pooling auf Basis eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenkreditvertrags. Der Darlehenszins und der Guthabenszins betrugen jeweils 5,5 Prozent. Die Abwicklung erfolgte über Verrechnungskonten.

 

Die Klägerin reichte – jeweils abhängig von ihrer Liquiditätssituation – Darlehen an die A-AG aus oder erhielt von dieser Darlehen, woraus ihr entsprechende Zinserträge und Zinsaufwendungen entstanden. In ihrer Buchhaltung vollzog die Klägerin die täglichen Zinsen nach und buchte den Saldo monatlich als Aufwand oder Ertrag.

 

Da der Klägerin im Streitjahr 2010 aus dem Cash Pooling ein Netto-Zinsertrag entstanden war, erfasste sie für dieses Jahr im Ergebnis keine Zinsaufwendungen. Auch in ihrer Gewerbesteuererklärung berücksichtigte die GmbH dementsprechend keinen Zinsaufwand aus dem Cash Pooling.

 

Zunächst folgt die Finanzverwaltung der Auffassung der Klägerin im Rahmen der Veranlagung. Im Rahmen der Außenprüfung gelangte sie jedoch zu dem Schluss, dass eine Saldierung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen gewerbesteuerlich unzulässig sei. In der Folge wurden die Zinsaufwendungen als Entgelte für Schulden (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG) im geänderten Gewerbesteuermessbescheid berücksichtigt. Der hiergegen gerichtete Einspruch und bzw. die Klage blieben ohne Erfolg.

BFH: Saldierung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen nicht ausgeschlossen

Entgegen der Auffassung von Finanzverwaltung und Finanzgericht erkannte der BFH in der Revision, dass eine Saldierung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen für Zwecke des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG nicht ausgeschlossen ist. Zwar ist bei Anwendung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung grundsätzlich jedes Schuldverhältnis für sich zu betrachten und eine Zusammenfassung mehrerer Schuldverhältnisse nicht möglich. Mehrere Verbindlichkeiten können aber dann als eine einheitliche Schuld zu werten sein, wenn diese wirtschaftlich zusammenhängen und es dem Zweck des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG widerspräche, diesen Zusammenhang unberücksichtigt zu lassen. Hierbei ist insbesondere von dem Zweck auszugehen, den Ertrag des im Betrieb arbeitenden Kapitals („objektive Wirtschaftskraft des Gewerbebetriebs“) zu besteuern. Vor diesem Hintergrund können mehrere Darlehen dann gewerbesteuerlich als einheitliches Darlehensverhältnis beurteilt werden, wenn sie gleichartig sind, derselben Zweckbestimmung dienen und regelmäßig tatsächlich miteinander verrechnet werden.

 

Der BFH erkannte im vorliegenden Fall zunächst, dass durch das Cash Pooling zwischen der Klägerin und der A-AG eine Vielzahl von Schuldverhältnissen i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG entstanden war. Diese entstanden jeweils (und für jedes Verrechnungskonto) aus dem täglichen Kontenausgleich, indem entweder die Klägerin für die Überweisung eines Guthabensaldos oder die A-AG für den Ausgleich eines negativen Saldos einen Darlehensrückzahlungsanspruch erhielt. Dies wurde auch über entsprechende Zinsaufwendungen bzw. -erträge abgebildet. Diese wechselseitig gewährten Darlehen erfüllten die durch den BFH definierten Voraussetzungen für eine Saldierung.

 

So waren die Darlehen insbesondere deswegen gleichartig, weil sie zu identischen Zinssätzen und auch im Übrigen zu denselben Konditionen gewährt wurden. Ferner dienten die Darlehen demselben Zweck, weil sie jeweils Instrument der Liquiditätsbündelung im Rahmen der Zins- und Finanzoptimierung der Unternehmensgruppe waren. Schließlich wurden die Darlehen auch tatsächlich miteinander verrechnet, da nach den Feststellungen des Finanzgerichts Zinsaufwendungen und Zinserträge zwar buchmäßig gesondert erfasst, zum Jahresende aber saldiert wurden.

 

Damit waren nach Auffassung des BFH die Voraussetzungen einer Saldierung dem Grunde nach gegeben. Eingeschränkt wird die Saldierungsmöglichkeit ggf. allein dadurch, dass – so der BFH – diesbezüglich eine arbeitstägliche Betrachtung einschlägig ist. So muss offenbar für jeden Tag eine Saldierung über alle Konten vorgenommen werden, um einen etwaigen Fremdfinanzierungsbedarf zu ermitteln. Dieser ist ferner fortzuschreiben und fortlaufend festzustellen, ob und in welcher Höhe ggf. ein Schuldsaldo besteht. Nur insoweit kann dann ein hinzurechnungsfähiges Entgelt i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG vorliegen. Weil diesbezüglich aber Sachverhaltsfeststellungen an der ersten Instanz fehlten, verwies der BFH den Fall an das Finanzgericht zurück.

Praxisfolgen für das Cash Pooling

Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen, schränkt sie doch die grundsätzlich asymmetrische gewerbesteuerliche Behandlung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen ein. Dies betrifft mit dem Cash Pooling zudem einen Bereich, in dem sich eine Saldierung geradezu aufdrängt, weil in einem Cash Pooling Zahlungsmittelbedarfe und -überschüsse täglich neu bestimmt werden.

 

Zudem enthält das Urteil für die Praxis bedeutende, weil generelle Äußerungen und Leitlinien zur gewerbesteuerlichen Behandlung des Cash Poolings. Von besonderem Interesse dürfte nunmehr sein, welche Anforderungen an die Gleichartigkeit von Darlehensverhältnissen im Einzelfall zu stellen sind. So sind etwa – anders als im Urteilsfall – in einem Cash Pooling die Habenzinsen und Sollzinsen typischerweise nicht identisch. Aber auch andere Vertragsbedingungen sind in der Praxis zwischen dem Cash Pool Führer (hier: A-AG) und den Teilnehmern oft „asymmetrisch“ ausgestaltet.

 

Schließlich unterstreicht das Urteil einmal mehr das Erfordernis einer umfassenden und präzisen Dokumentation. Denn der BFH macht den Umfang der tatsächlich zu berücksichtigenden Saldierung entscheidend davon abhängig, inwieweit tagesgenau Finanzmittelbedarfe bzw. -überschüsse und die daraus resultierenden Aufwendungen bzw. Erträge nachgewiesen werden können.