Gesetzesänderungen zum Jahreswechsel – Änderungen insbesondere im Gemeinnützigkeits- und Umsatzsteuerrecht

25.11.2024 | FGS Blog

Im Koalitionsvertrag aus 2021 hatten die drei „Ampel-Parteien“ angekündigt, die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu verbessern. Trotz des jähen „Ampel-Aus“ hat der Gesetzgeber zum langsam nahenden Ende der Legislaturperiode einen kleinen Teil der Reformvorhaben umgesetzt.

“Neue” Wohngemeinnützigkeit

Durch das am vergangenen Freitag vom Bundesrat verabschiedete Jahressteuergesetz 2024 hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2025 die sogenannte Wohngemeinnützigkeit als neuen gemeinnützigen Katalogzweck eingeführt. Gemeinnützig ist demnach die vergünstigte Überlassung von Wohnraum an Menschen, die persönlich oder wirtschaftlich hilfebedürftig sind (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 27 AO).

Die Hilfebedürftigkeit muss nur zu Beginn des jeweiligen Nutzungsverhältnisses vorliegen. Aufgrund dieser Vereinfachungsregel ist die den Wohnraum überlassende gemeinnützige Körperschaft nicht gehalten, etwa die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der nutzenden Personen regelmäßig zu prüfen. Die Schwelle, bis zu der ein Mensch speziell im Kontext der “neuen” Wohngemeinnützigkeit wirtschaftlich hilfebedürftig ist, beläuft sich auf das Fünffache, bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden auf das Sechsfache des Regelsatzes der Sozialhilfe.

Eine entgeltliche Wohnraumüberlassung ist vergünstigt, wenn die erhobene Miete entweder unter der marktüblichen Miete liegt – ein Abstandsgebot hat der Gesetzgeber nicht kodifiziert – oder lediglich die tatsächlichen Aufwendungen einschließlich der regulären steuerlichen Abschreibungen deckt und keinen Gewinnaufschlag enthält. Die Vergünstigung muss nur zu Beginn des Mietverhältnisses und bei etwaigen späteren Mieterhöhungen geprüft werden. Offen ist, wie eine “marktübliche Miete” ermittelt und nachgewiesen wird.

Der Erwerb von Wohnraum, der unter den genannten Voraussetzungen zur Nutzung überlassen wird, darf aus zeitnah zu verwendenden Mitteln finanziert werden. Etwaige Verluste sind nach der Regierungsbegründung gemeinnützigkeitsrechtlich unschädlich. Ungeklärt ist die gemeinnützigkeits- und ertragsteuerrechtliche Zuordnung der Einnahmen aus einer vergünstigten Vermietung sowie der hiermit zusammenhängenden Ausgaben. Diese Zuordnung ist insbesondere wichtig für die Bemessung der freien Rücklage.

Hilfe für Menschen in besonderer wirtschaftlicher Notlage

Bereits im Oktober hatte der Gesetzgeber durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz mit Wirkung zum 1.1.2025 als neuen mildtätigen Tatbestand die Unterstützung von Menschen eingeführt, deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist (§ 53 Nr. 3 AO). Diese Regelung bildet weitestgehend die bisherige Auffassung der Finanzverwaltung ab. Anlass war das “Jahrhunderthochwasser” im Ahrtal und im Erftkreis im Juli 2021.

Es bedarf eines besonders begründeten und daher außergewöhnlichen – also zum Beispiel krankheits-, unfall- oder katastrophenbedingten – finanziellen Mehrbedarfs, der glaubhaft gemacht werden muss. Die Neuregelung zielt beispielsweise auf die Übernahme der Kosten für die Renovierung des Grundbesitzes sowie für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung. Im praktischen Regelfall bedarf es der Feststellung einer Katastrophe durch die Finanzverwaltung auf Bundes- oder Landesebene – wobei die Erfahrungen zeigen, dass derartige, aus dem Spendenrecht bekannte Erlasse nicht mit der an sich gebotenen Eile veröffentlicht werden, obwohl es sich dabei um Standardformulierungen handelt.

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass der Gesetzgeber die Unterstützung unabhängig von Ansprüchen in Not geratener Menschen gegen Dritte, beispielsweise gegen Versicherungen, begünstigen möchte. Etwas anderes ergibt sich jedoch aus den Gesetzgebungsmaterialien. Das praktische Problem: Eine Hilfsorganisation wird in einem Katastrophenfall, wenn es „schnell und unbürokratisch” zugehen soll, keine aufwändige Prüfung etwaiger Rechtsansprüche gegen Dritte vornehmen können. Richtigerweise mindern Ansprüche gegen Dritte die Hilfebedürftigkeit nur, wenn sie sich in empfangenen Leistungen realisiert haben.

Bildung projektgebundener Rücklagen

Ebenfalls durch das Jahressteuergesetz 2024 hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2025 festgeschrieben, dass die Erforderlichkeit zur Bildung einer projektgebundenen Rücklage auf den Zeitpunkt der Rücklagenbildung (“Perspektive ex ante”) zu prüfen ist (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 AO) – richtigerweise lediglich eine Klarstellung zum bislang geltenden Recht.

Änderungen bei der Umsatzsteuer

Durch das Jahressteuergesetz 2024 hat der Gesetzgeber eine Vorschrift zur Steuerbefreiung von Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG) an die unionsrechtlichen Vorgaben anpassen wollen. An dem bisherigen Bescheinigungsverfahren wird festgehalten – leider kein Beitrag zum Bürokratieabbau. Nach der Begründung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags sollen die bislang umsatzsteuerfreien Leistungen unverändert steuerfrei bleiben. Es verbleibt allerdings das grundlegende Problem, dass allgemeinbildende Inhalte ohne Berufsbezogenheit unter Zugrundelegung der EuGH- und der BFH-Rechtsprechung nicht nach Unionsrecht steuerbefreit sind. Von daher bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung dem – von der Bundesregierung zugestimmten – Plädoyer des Bundesrats tatsächlich folgen wird, per Erlass herauszustellen, dass Bildungsleistungen im Allgemeinen und “das musikalische Angebot im Speziellen” auch weiterhin unverändert umsatzsteuerlich begünstigt sind.

Überarbeitet wurden daneben u.a. die Vorschriften zu Kleinunternehmern (§ 19 UStG und betreffend die Rechnungserteilung § 34a UStDV). Insbesondere wurden die beiden bisherigen Schwellenwerte von 22.000 € (für das jeweils vorangegangene Kalenderjahr) und 50.000 € (für das jeweils laufende Kalenderjahr) auf 25.000 bzw. 100.000 € angehoben. Diese Schwellenwerte sind künftig als Netto- und nicht wie bislang als Bruttowerte zu verstehen.

Zunächst unverändert bleibt die Umsatzsteuerbefreiung im Kontext des Sports (§ 4 Nr. 22 Buchst. b UStG). Das ursprüngliche Vorhaben der Bundesregierung, die Umsatzsteuerbefreiung in Anlehnung an die unionsrechtliche Grundlage erheblich auszuweiten, soll auf Initiative des Bundesrats zunächst vertieft geprüft werden. Das praktische Problem besteht darin, dass die mit der Steuerbefreiung einhergehende Versagung des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Errichtung und Sanierung von Sportanlagen bei den Bauherren – neben gemeinnützigen Körperschaften vielfach auch Kommunen – erhebliche negative finanzielle Auswirkungen nach sich ziehen würde.

Weitere Änderungen

Neu gefasst wurden die Bestimmungen zur Erbschaftsteuer-/Schenkungsteuerbefreiung für Zuwendungen an ausländische Religionsgemeinschaften sowie an ausländische gemeinnützige Organisationen, die bei fiktiver beschränkter Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland wegen Gemeinnützigkeit steuerbegünstigt wären (§ 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. c ErbStG). Neu sind die Begrifflichkeiten und Bezugnahmen hinsichtlich Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung; inhaltliche Änderungen sollen damit nicht einhergehen. Die ausländischen Staaten, die diese Voraussetzungen erfüllen, soll das Bundesfinanzministerium in regelmäßigen Abständen im Bundessteuerblatt aufführen. Diese Liste wird allerdings keine Rechtsbindung gegenüber einem Steuerpflichtigen entfalten.

Geändert wurden weiterhin zwei Vorschriften zur Steuerbefreiung von Erträgen gemeinnütziger Körperschaften aus Investmentfonds (§ 8 Abs. 2 und § 10 Abs. 6 InvStG).

Was wohl nicht mehr geändert wird

Weitere Änderungen sind im Entwurf des “Steuerfortentwicklungsgesetzes” vorgesehen. Dieses Gesetzgebungsverfahren stockte bereits vor dem „Ampel-Aus“. Zur Debatte steht insbesondere das in der Praxis weitestgehend abgelehnte Vorhaben der Bundesregierung, das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung sowie sämtliche hieran anknüpfenden Gesetzesbestimmungen, etwa zur Rücklagen- und Vermögensbildung, ersatzlos zu streichen. Auf der Agenda steht weiterhin der Dauerbrenner der politischen Betätigung gemeinnütziger Organisationen. Auf Bitten des Bundesrats soll die Bundesregierung prüfen, ob ein abgestufter Sanktionsmechanismus bei Verstößen gegen das Gemeinnützigkeitsrecht im Gesetz verankert werden soll. Hingegen zeigte sich die Bundesregierung gegenüber der langjährigen Forderung aus Wissenschaft und Praxis, in der Abgabenordnung eine Art „Business Judgement Rule“ festzuschreiben, skeptisch. Nach dem jähen „Ampel-Aus“ steht zu vermuten, dass all jene Reformvorhaben in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode nicht mehr zu Ende gebracht werden.

Ausblick

So sehr die nun verabschiedeten Änderungen im Ansatz zu begrüßen sind, offenbaren sie bei genauer Betrachtung im Detail Schwächen. Viele weitere, dringend reformbedürftige Punkte ist der Gesetzgeber nicht oder viel zu spät angegangen. Von der im Koalitionsvertrag angekündigten Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts, die diese Bezeichnung verdient, kann keine Rede sein. So bleibt zum heutigen Tag nur die Hoffnung – auf die nächste Legislaturperiode und eine neue Bundesregierung, die dem Hochgesang auf die Zivilgesellschaft Taten folgen lässt und zeitnah eine umfassende Reform angeht, die den praktischen Bedürfnissen der Hunderttausenden steuerbegünstigten Organisationen und deren Förderern gerecht wird.