Die Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers (GF) einer GmbH ist ein komplexes und enorm praxisrelevantes Thema. Wird die Sozialversicherungspflicht übersehen, drohen nicht nur hohe Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern, sondern u. U. auch strafrechtliche Konsequenzen.

Beteiligung als wichtiges Indiz

In Bezug auf die meisten Konstellationen scheint die Rechtslage geklärt zu sein. Da die Beteiligung am Stammkapital ein wichtiges Indiz für den Sozialversicherungsstatus eines GF ist, muss unterschieden werden:

  1. Ein Fremd-GF ist nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt und unterliegt daher den Weisungen der Gesellschafterversammlung: In aller Regel ist ein Fremd-GF daher sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
  2. Ein Geschäftsführer, der zwar Anteile, jedoch weniger als 50 % innehat, ist ein sog. Minderheitsgesellschafter-GF. Auch er ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt, es sei denn, ihm wurde gesellschaftsvertraglich eine umfassende Sperrminorität eingeräumt, die die gesamte Unternehmenstätigkeit erfasst.
  3. Dagegen ist ein Gesellschafter mit mehr als 50 %, ein sog. Mehrheitsgesellschafter-GF, nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sondern selbstständig. Unstimmigkeiten gibt es bei der Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-GF, die genau 50 % der Anteile am Stammkapital halten.

Gestaltungsmacht als maßgebliches Kriterium

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 20.02.2024 – B 12 KR 1/22 R) ist weiter nicht allein die Kapitalbeteiligung entscheidend, sondern der Gesellschafter-GF „muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der zumindest 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält.“ Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auch ein Gesellschafter-GF mit exakt 50 % der Anteile zu den Mehrheitsgesellschafter-GF zählt und somit keine Sozialversicherungspflicht besteht.

Auf den ersten Blick scheint es, als hätte das BSG in seiner neueren Entscheidung (Urteil vom 20.02.2024 – B 12 KR 1/22 R) erstmals trotz einer Beteiligung des Gesellschafter-GF von 50 % eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angenommen. Allerdings zeigt sich bei einer näheren Betrachtung, dass sich das Urteil konsequent in die bestehende Rechtsprechung einfügt. Das Gericht hatte über die Sozialversicherungspflicht eines GmbH-GFs zu entscheiden, der gleichzeitig Gesellschafter-GF einer Holding war, die 50 % der Anteile am Stammkapital der GmbH hielt. Er sowie seine Ehefrau waren jeweils mit 50 % an der Holding beteiligt. Das BSG entschied, dass der Fremd-GF hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der GmbH sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei.

Es geht in der Entscheidung somit gar nicht um den Sozialversicherungsstatus eines Gesellschafter-GF mit 50 % Beteiligung, sondern um den eines Fremd-GF. Dieser ist in aller Regel abhängig beschäftigt. Daran ändere nach dem BSG vorliegend auch seine Stellung als Gesellschafter-GF der Holding nichts, da ihm aufgrund der gleichberechtigten Stellung seiner Ehefrau in der Holding die nötige Rechtsmacht fehle, um die Geschicke der GmbH bestimmen zu können.

Entscheidung des SG Landshut

Auch die viel diskutierte Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Landshut (Gerichtsbescheid vom 11.01.2024 – S 1 BA 23/23) wendet den Grundsatz der Sozialversicherungsfreiheit bei einer 50 %-Beteiligung nicht strikt an. Das Gericht hatte über die Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafter-GF mit einer Beteiligung von 50 % zu entscheiden und stufte ihn als abhängig beschäftigt ein. Das Gericht führte jedoch aus, dass grundsätzlich in einer solchen Konstellation nach dem BSG eine selbstständige Tätigkeit vorliege und nur ausnahmsweise aufgrund der Besonderheiten im Einzelfall der Gesellschafter-GF abhängig beschäftigt sei. Vorliegend war dem Mitgesellschafter nämlich ein gesellschaftsvertraglich verankertes Stichentscheidungsrecht eingeräumt worden. Dadurch sei ihm die aufgrund seiner Kapitalbeteiligung (50 %) bestehende Sperrminorität wieder genommen worden.

Andere Auffassung: SG Neubrandenburg

Das SG Neubrandenburg (Gerichtsbescheid vom 10.09.2024 – S 7 BA 7/23) ging noch weiter und dreht den Grundsatz des BSG um, wonach ein Gesellschafter-GF mit einer Beteiligung von 50 % selbstständig ist. Das Gericht hatte über genau diese Frage zu entscheiden. Der Sachverhalt schien völlig gewöhnlich und wies keine Besonderheiten auf. Daher war nach der Entscheidung die Verwunderung der Beteiligten sowie in der Fachliteratur groß, als das Gericht den Gesellschafter-GF mit 50 % der Anteile für abhängig beschäftigt hielt. Für die Selbstständigkeit reiche nach Auffassung des SG eine bloße Verhinderungsmacht nicht aus. Es bedürfe darüber hinaus einer umfassenden Gestaltungsmacht im Sinne einer Mitbestimmung der gesamten Unternehmenspolitik. Eine solche läge beispielsweise bei einem im Gesellschaftsvertrag verankerten Stichentscheidungsrecht vor. Nur so bestehe eine umfassende Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft. Nach dem SG ist also ein Gesellschafter-GF mit 50 % der Anteile grundsätzlich abhängig beschäftigt, solange nicht andere Faktoren vorliegen, die für die Selbstständigkeit erforderliche umfassende Gestaltungsmacht sprechen.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob sich im Anschluss an die Entscheidung des SG Neubrandenburg ein echter Wandel in der Rechtsprechung abzeichnet. Zumindest mit der Umkehr des Grundsatzes, dass ein Gesellschafter-GF mit 50 % der Anteile grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, steht das SG Neubrandenburg bisher allein dar. Gegen die Entscheidung wurde Berufung beim LSG Mecklenburg-Vorpommern (L 4 BA 13/24) eingelegt. Es ist gut möglich, dass das LSG die Entscheidung aufhebt. Bis zur höchstrichterlichen Klärung gilt: Da bei einer fehlerhaften Einordnung erhebliche finanzielle und rechtliche Konsequenzen drohen, empfiehlt es sich, in Zweifelsfällen ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV einzuleiten.